AeHetiHeittt, 21. Jüni. Ein sehr be­dauerlicher Unglücksfall ereignete sich gestern nachmittag Hierselbst. Das 11jährige Söhnchen des Landwirts Karl Seils, welches anscheinend mit den Pferden zu tun hatte, wurde von einem derselben so unglücklich geschlagen, daß es noch gestern abend an seiner erlittenen Verletzung starb. Es ist dies binnen 6 Wochen das zweite Kind, welches auf so tragische Weise den Eltern entrissen wurde.

Freibnrg, 18. Juni. Der Schneider­meister Val. Besch aus Pfaffenweiler hatte sich bei der Heimfahrt aus einen Heuwagen gesetzt und war eingeschlafen. Als der Wagen in St. Georgen vor einem Hause hielt, fiel B. vom Heu herab und verletzte sich lebensgefährlich. Jetzt ist der Unvorsichtige gestorben.

Berlin, 21. Juni. Nach einer Meldung des Berl. Tagebl. aus Mailand haben in der Provinz Ferrara 15 000 Land« und Stadial» beiter die Arbeit niedergelegt.

Berlin, 22. Juni: Ueber den Proteststurm in Württemberg gegen die Kammer der Standes­herren schreibt die Tägl. Rundschau: Die bange Aussicht auf die katholiche Thronfolge bildet den psychologischen Hintergrund der Entrüstung und Aufregung, die wie ein Sturm durch das Land geht. Die Volkstümlichkeit des Königs, der sich den fortschreitenden Bedürfnissen der Zeit ver­ständnisvoll freundlich gesinnt zeigt, ist unge­heuer gewachsen, und wenn er heute aus seinem Sommeraufenthalt in die Residenz .käme, es er würde mit Jubel und Begeisterung begrüßt, wie sie seit 1870/71 nicht mehr vernommen worden sind.

München, 21. Juni. Die Korrespondenz Hoffmann meldet: Die gestern aufgetauchte Frage des eventuellen Rücktritts des Staats­ministers 0>'. Frhrn. v. Riedel ist dahin ent­schieden, daß der Finanzminister in seinem Amte bleibt.

München, 21. Juni. Der Finanzminister Riedel übereichte gestern abend seine Entlassung wegen Ablehnung der Gesetzvorlage der Grund­wertabgaben durch die Kammer der Reichsräte.

Essen a. d. R. Bei Biderich wurde ein großes Salzlager entdeckt.

Madrid, 21. Juni. Die Polizei verhaftete gestern abend einen Mann, der die Absicht aus­gesprochen haben soll, den Ministerpräsidenten Maura zu töten.

Der neue SchnelldampferKaiser Wil­helm II." vom Norddeutschen Lloyd hat in 6 Tagen 14 Stunden und 58 Minuten die Fahrt von Neuyork nach Bremen zurückgelezt. Kaiser Wilhelm gratuliert zu diesem Rekord in einer Depesche.

Die fanzösische Zolltarifkommission

genehmigte den Zollsatz von 7.50 Frs. im

Mmisteriaktarif für Gewebe aus 'reiner Aeide und von 9 Frs. für Pongeestoffe.

Genf, 21. Jnni. Ein grausiges Drama spielte sich vorgestern nacht Hierselbst im Kaffee Äoranger auf dem Vogelmarkt ab. Dort logierte seit mehrere Tagen ein von 27 Jahren alter Mann, der sich in das Fremdenbuch als G. van Dyok, Mechaniker aus Brüssel, eingetragen hatte. Vorgestern abend nun hatte er sich längere Zeit mit dem Wirte, einem gewissen Lambert unter­halten, und war dann nochmals ausgegangen, um erst sehr spät zurückzukehren. Kurze Zeit darauf, ge^en 2 Uhr, als im Hause alles fest schlief, schlich er sich in das Schlafzimmer der Eheleute Lampert, nur mit einem Hemde bekleidet und in der einen Hand einen geladenen Revolver und in der andern einen scharf geschliffenen Dolch haltend. Erst blies er das Nachtlicht aus und dann begann er mit seinem Dolche blindlings auf die in tiefem Schlafe liegenden Ehegatten loszustechen. L., ein herkulisch ge­bauter Mann, sprang trotz seiner schweren Ver­wundung aus dem Bette und packte seinen An­greifer, und bei dem schauerlichen Ringkampfe, der sich nunmehr im dunkeln abspielte, gelang es ihm, diesem seinen Dolch zu entreißen und ihm hiermit einen gewaltigen Stich zu versetzen. Auf das hülfegeschrei der Ueberfallenen war in­zwischen das Dienstversonal herbeigeeilt und auch die Polizei war bald zur Stelle, die den am Boden liegenden D. schleunigst nach dem Hospital bringen lies. In seinem Reisekoffer fand man die verschiedesten Diebesgerätschaften sowie noch manches andere vor, was zu der Annahme be­rechtigte, daß man es hier mit einem routinierten Verbrecher der schlimmsten Sorte zu tun hatte, der ihm bei dem nächtlichen Kampfe entfallene Revolver war mit 12 Patronen geladen. Offenbar war es die Absicht des Schurken ge­wesen, die Eheleute L. zu ermorden und hierauf das in dem Schlafzimmer vorhandene Geld zu stehlen. Der Verbrecher ist tötlich verwundet, aber auch Lampert hat eine lebensgefährliche Verletzung davongetragen, während die Wunden der Frau schwere, aber keine lebensgefährliche sind.

St. Gallen, 20. Juni. Der Internationale Bodensee-Arbeiterkongreß in Lindau beschloß die Schaffung eines Jnformationsbureaus für Arbeiterfragen in Konstanz. 1500 Personen waren aus den Bodenseeuferstaaten anwesend. Die Festrede hielt Vollmar.

Die Nominierung Roosevelts für die Präsidentschaft ist gesichert. Gestern abend beschloß die Delegation des Staates Newyork für den republikanischen Nationalkonvent ein­stimmig, die Kandidatur des Senators Faier- banks für die Vizepräsidentschaft zu unterstützen. Dadurch ist auch die Frage der Aufstellung eines Vizepräsidenten tatsächlich geregelt.

Darf der Ehemann die Briefe feiner Frau öffnen?

Dieser Frage, die schon so vielfach die Ver­anlassung zu bösen Familienszenen, wie zu un­erquicklichen Strafprozessen gegeben hat, widmet die deutsche Juristen-Zeitung einen Aufsatz, aus dem wir folgende Gesichtspunkte heroorheben. Das Recht des Ehemanns zur Brieföffnung läßt sich entweder auf sein Uebergewicht in der Ehe (tz 1354 Bürger!. Gesetzbuch) oder auf die allgemeinen Ehepflichten der Frau (H 1353) stützen; andere Stützen sind im Gesetz nicht vor­handen.

1. Nach § 1354 steht dem Manne die Ent­scheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu. Ueber die Grenzen und den Inhalt dieses Entschei­dungsrechtes erfahren wir näheres aus den Materialien. Im Reichstag wurde die Streichung des 8 1354 beantragt, weil er die Ehe zu einem Hörigkeitsverhältnis für die Frau gestalte, wäh­rend man die volle Gleichstellung des Ehegatten verlangen müsse. Plank verteidigte den 8 1354, indem er folgendes ausführte: Die Ansicht, daß der 8 1354 eine Vorherrschaft des Mannes in der Ehe errichte, sei unrichtig. Die Grund­formel für das persönliche Eherecht liefere viel­mehr 8 1353: Die Ehegatten müßten die Lebens­gemeinschaft so führen, wie es die rechte eheliche Gesinnung erfordert. Das Gesetz erkenne die Gatten stillschweigend als gleichberechtigt an; üur müsse jeder Teil von seiner Selbständig­keit soviel opfern, wie das Interesse der Ehe gebietet. Nach diesem Prinzip seien alle schweren Konflikte zu lös en,eventuell durch Scheidung. Nicht aus solche Grundfragen aus dem Wesen

der Ehe beziehe sich 8 1354, sondern auf die tausendfältigen Fragen des täglichen Lebens, deren Regelung zur Erhaltung der Gemeinschaft notwendig sei. Diese Dinge beträfen beide Ehe­gatten gleichermaßen, und da beide gleichbe­rechtigt seien, müsse bei Meinungsverschiedenheiten einer entscheiden, und das wäre nach der natür­lichen Auffassung der Mann. Aus dieser Er­klärung des 8 1334 ergibt sich erstens, daß der Mann keine eheherrliche Gewalt über seine Frau besitzt, und zweitens, daß sein Entscheidungs­recht sich nur auf gemeinsame Angelegenheiten beider Ehegatten, also auf reine Eheangelegen­heiten erstreckt, nicht auf die besonderen An­gelegenheiten der Frau. Deshalb läßt sich das Brieferöffnungsrecht des Mannes aus 8 1354 nicht ableiten.

2. Nach 8 1333 müssen die Ehegatten gegenseitig alle Pflichten erfüllen, welche die echte und rechte Ehe erfordert, insbesondere die Pflich­ten sittlicher Natur. Dazu gehört auch die Pflicht der Aufrichtigkeit. Man könnte nun daran denken, aus dem Anspruch auf Aufrichtig­keit das Brieferöffnungsrecht des Mannes zu folgern. Tut man das, so muß man folge­richtig auch der Frau das Recht geben, die Briefe des Mannes zu öffnen; denn auch die Frau hat Anspuch auf Aufrichtigkeit. Aber die ganze Folgerung ist unrichtig: Aus der Pflicht des einen zur Aufrichtigkeit folgt nicht das Recht des andern zur Oeffnung der Briefe. Wenn auch jeder Ehegatte verlangen darf, daß ihm der andere alle für die Lebensgemeinschaft wich­tigen Dinge mitteilt, so darf er die Mitteilung doch nicht durch Gewaltmaßregeln erzwingen, welche die persönliche Würde des andern ver-

Netvyork, 22. Juni. Die Cunard-Linie beschloß, den Fahrpreis der dritten Klaffe für die Ueberfahrt von Newyork nach englischen Häfen auf 15 Dollars herabzusetzen. Ent­sprechende Herabsetzungen sollen auch für andere europäische Häfen eintreten.

Petersburg, 20. Juni. Der Kaiser und die Kaiserin haben sich heute von Zarskoje Sselo zum Sommeraufenthalt nach Peterhof begeben.

Rußland und Japan.

Tokio, 22. Juni. Die Japaner haben eine Dschunke aufgebracht, welche Port Arthur verlassen hatte. Die Mannschaft derselben be­richtet, daß vor einigen Tagen zwei russische Torpedebootszerstörer und der Dampfer Schintaiping am Eingang des Hafens auf Minen gestoßen und untergegangen seien. 140 Personen seien dabei ums Leben gekommen.

Neuyork, 21. Juli. DieNeuyork World" erhielt ein Telegramm ohne Unterschrift mit der Mitteilung, daß Oberst Emerson, einer ihrer Kriegskorrespondenten in Ostasien, von sich zurrückziehenden Russen erschossen worden sei, weil sie ihn fälschlich für einen Spion hielten.

Tokio, 21. Juni. Seit Januar hat Japan fremde Schiffe von zusammen 59,959 Tonnen gekauft. Der Kaufpreis betrug 4,140.847 Aen.

Unruhen in Deutsch-Südwestafrika.

Berlin, 21. Juni. Wie nach der Nat.» Ztg. verlautet, sollen im Laufe des Juli und August 1600 Mann an weiteren Verstärkungen nach Deutsch-Südwestafrika entsandt werden. Diese Verstärkung sollen in berittener Infanterie, Artillerie und einer Signalabteilung bestehen.

Verschiedenes.

Das ethisch-naturwissenschaftliche Heilverfahren für körperlich und geistig Geschwächte von I1>. Karl Lohse und Karl Daniel sowie von anderen Praktikern der Natur­heilkunst. Der aufreibende Kampf um das Da­sein und eine Menge Schattenseiten im Kultur­leben der Gegenwart verzehren bei der Mehr­zahl der Menschen frühzeitig die seelischen und körperlichen Kräfte, erzeugen aus diese Weise ein verheerend wirkendes Mißverhältnis zwischen dem Leistungssoll und der Leistungskraft im Leben und führen dadurch zu dem traurigen Zustande der Nervenschwäche, dem Mangel an Tatkraft, der Unfähigkeit zur rechten Arbeit, zu Mißerfolg im Berufe, zu Schwermut und Ver­zweiflung. Dieser Weltplage des Kulturmenschen vermag weder die Medizin, noch die Naturheil­kunde allein erfolgreich entgegenzuwirken, denn der Hauptgrund des schlimmen Nebels ist ja der unvernünftige Verbrauch der seelischen und physischen Kräfte. In erster Linie muß daher der Entstehung der Krankheit der Gegenwart mit ethischen Mitteln entgegengewirkt werden,

letzen und das gegenseitige Vertrauen zerstören. Die eigenmächtige Eröffnung der Briese durch den Mann ist eine Maßregel, die im Wider­spruch steht mit derjenigen Achtung, welche die Frau nach den geltenden Anschauungen fordern darf. Daher läßt sich auch aus § 1353 das Recht des Mannes zur Brieferöffnung nicht ab- lei'ten. Wir kommen also zu dem Ergebnis, daß ein solches Vorrecht des Mannes in dem persönlichen Eherecht des BGB nicht begründet ist. Zu demselben Ergebnis führt uns eine andere Erwägung: Die Rücksicht auf den Korre­spondenten der Ehefrau. Nicht selten werden einem Ehegatten Mitteilungen gemacht, die nicht zugleich für den anderen Ehegatten be­stimmt sind. Man denke z.B. an Ehrenhändel beim Manne, an Frauenangelegenheiten bei der Frau. In diesen Fällen würde das Briefer« öffnnngsrecht zweifellos das Briefgeheimnis dritter Personen verletzen, das doch durch 8299 BGB geschützt werden soll! Noch schärfer wird diese Verletzung, wenn der Mann oder die Frau ein Amt begleitet oder einen Beruf aus­übt, die zur Verschwiegenheit verpflichten. Wo bleibt die Schweigepflicht des Beamten, des Rechtsanwaltes, des Arztes, der Hebamme u.s.w. wenn der Ehegatte die Briefe öffnen darf? Man kann unmöglich eine Aerztin oder Hebamme aus 8 300 des Str.-G.-B. bestrafen, weil sie die Geheimnisse ihrer Patienten dem Ehemann mitgeteilt hat wenn man dem Manne daS Recht geben will, die Briefe dieser Patienten an seine Frau zu öffnen! Auch diese Ueber- legungen führen notwendig zu dem Ergebnis, daß das Vorrecht der Brieferöffnung dem Manne abzusprechen ist.