im Namen der deutschen Partei. Sodann folgte als vierter Redner Herr Rechtsanwalt Konrad Haußmana im Namen der Volkspartei und als letzter Redner Herr Parteisekretär Baier im Namen der Naiionalsozialen. Die Redner errangen lohnenden Beifall. Den Wortlaut der einzelnen Reden können wir unfern Lesern später überreichen, da dieselben als Extrablätter ausgegeben werden von den Parteileitungen. Zum Schluß las dann Herr Hofmann (Dem.) die gefaßte Resolution vor, worauf sie ein- stimig angenommen wurde. Die Resolution hat folgenden Wortlaut:
DasSchicksal der an dem Widerstand der ersten Kammer gescheiterten Volksschulnovelle hat aufs neue scharf beleuchtet, daß die Kammer der Standesherren mit ihrer Vorherrschaft des Adelsvor- rechts ein Organ ultramontaner Herrschaftsgelüste und ein starkes Hindernis fortschrittlicher Gesetzgebung ist. Das freigesinnte württem- bergische Volk spricht die bestimmte Erwartung aus, daß die Regierung König Wilhelms II mit der großen Mehrheit der Kammer der Ab- geordneten zusammenwirken wird, um den Charakter der Schule als unabhängige Staatsanstalt sicherzustellen und durch alsbaldige durchreisende Revision unserer Verfassung dem unaltbaren Zustand ein Ende zu machen.
Rundschau.
Stuttgart. Die Kgl. Kunstgewerbeschule in Stuttgart zählt im laufenden Sommer 86 Schüler, die mit ihr verbundene Lehr- und Versuchswerkstätte 18 Schüler.
Aidlingen, 20. Juni. Die 28jährige, ledige Tochter des Bauern Friedr. Groß in Gchafhausen fiel, dem Böblinger Boten zufolge, vor einigen Tagen von der Obertenne in die Tenne herab und erlitt hiebei mehrere innere Verletzungen, welche das Schlimmste befürchten lasten.
Mötzingen, OA. Herrenberg, 18. Juni. Der 24jährige, ledige Schuhmacher, Karl Sind- linger wurde gestern nachmittag beim Heuen vom Hitzschlag betroffen und starb nach 4 Stunden, ohne wieder zum Bewußtsein gekommen zu sein.
Tübingen, 18. Juni. Die Hitze hat gestern ein Opfer gefordert. Der Metzgergeselle Christian Widmaier, der sich bei Metz-
germeister Schnaith in Stellung befand, wurde, der Tüb. Chronik zufolge, vom Hitzschlag betroffen und war sofort eine Leiche.
Tübingen, 18. Juni. Der seit einiger Zeit flüchtige Bankier Jäger wurde heute mittag in Dresden ergriffen. Bei seiner Festnahme verwundete er sich mittels eines Taschenmessers. Vorläufig wurde er ins Krankenhaus gebracht.
Crailsheim, 20. Juni. In Gründelhardt erschoß sich am Freitag der 17jährige Sohn eines Wagners, das einzige Kind seiner Eltern. Die Veranlassung zu diesem unseligen Schritte gab das Schießen zu einer Kindestaufe. Eine größere Anzahl jüngerer Leute wollte diesem Familienfeste dadurch eine größere Weihe geben. Durch einen anonymen Brief wurde das Stationskommando in Crailsheim von diesem Vorkomm, nis verständigt und die Folge davon war, daß etwa 20 junge Leute zu einer geringen Geldstrafe verurteilt wurden, darunter auch der Jüngling. Das nahm sich dieser so zu Herzen, daß er, laut Neck.-Ztg., in Abwesenheit seiner Eltern seinem Leben durch einen Schuß ein Ende machte.
Rottweil, 20. Juni. Am Freitag mittag wurde laut Rottweiler Blättern der Hausierhändler Bernhard Hirschberger von Dätzingen, O.A. Böblingen, in der Ruine Neckarburg erhängt aufgefundeu. Derselbe wurde am Vormittag noch auf dem Bahndamm bei der Neckarburg gesehen. Er stand im Alter von 66 Jahren. Ein Verbrechen ist nicht anzunehmen.
Eßlingen, 20. Juni. Am Samstag nachmittag wurde eine Frauensperson ins neue Krankenhaus verbracht, welche Spiritus zur Flamme gegossen und sich dabei sehr schwere, jedoch nicht Lebensgefährliche Brandwunden im Gesicht und an den Händen zugezogen hatte.
Biberach, 17. Juni. Zu der Ermordung der 11jährigen Viktoria Prestle wird noch gemeldet, daß der Verhaftete, der 22jährige Gärtner Bruder, sich vor 8 Tagen bereits an dem Mädchen vergangen und dieses damals der Mutter den Vorfall geklagt hat. Hierdurch und weil er zuletzt mit dem Mädchen gesehen wurde, ist der Verdacht der Täterschaft auf ihn gelenkt worden. Ein faustgroßer Stein, an dem Blut und Haare klebten, wurde in der Nähe der Leiche gefunden. Der Jammer der Eltern der Ermordeten, die ihr einziges Kind
auf solch schreckliche Weise verloren haben, ist groß. Bei der Auffindung der arg zugerichteten Leiche, war das Schluchzen der Mutter herzzerreißend.
Nürtingen, 18. Juni. Das hiesige „Helvetiabad", welches ganz nach Kneipp'schem Muster eingerichtet ist, ging dieser Tage um die Summe von 36 000 Mk. in die Hände der Frau Marie Klemm Witwe aus Cannstatt über. Die Uebernahme erfolgt bereits am 1. Juli.
Tages- Nachrichten.
Heidelberg, 20. Juni. Am 12. und 13. August tagt hier der Verein mittelrheinischer Gas- und Wafferfachmänner.
Berlin, 18. Juni. Dem „Lokalanzeiger" zufolge wurde auf dem Truppenübungsplatz Senne ein Fesselballon des LuftschiffarbataionS heute früh vom Blitz getroffen, explodierte und verbrannte. 2 Unteroffiziere und 1 Mann, die den Ballon bedient hatten find schwer verletzt.
Paris, 18. Juni. Nach Beendigung des Automobilrennens um den Gordon-Bennett-Preis richtete der deutsche Kaiser an den Präsidenten Loubet folgendes Telegramm: „Ich beeile mich. Ihnen zu dem Sieg Glück zu wünschen, den die ranzösische Industrie soeben davongetragen hat und dessen Zeuge ich zu meiner Freude gewesen bin. Der dem Sieger vom Publikum bereitete Empfang beweist, wie sehr ein durch intrlligen- es und mutiges Streben auf einem Gebiet von beiderseitigem Interesse errungener Erfolg dazu dient, Gefühle frei von Rivalität erzeugen."
Präsident Loubet erwiederte:
„Ich bin Euer Majestät ganz besonders für das liebenswürdige Telegramm und für die Gesinnung dankbar, aus der es hervorgegangen ist. Der Erfolg der französischen Industrie konnte nicht besser gewürdigt werden als von der deutschen Industrie, die vollkommen würdig war, ihn zu erlangen.
Belgard, 20. Juni. Der ehemalige Minister Todorowitsch wurde heute wegen Veruntreuung von Pachtzinsen des Staatsgutes Negroi zu 18 Monaten Gefängnis und zur Ersatzzahlung von 39 822 Dinars verurteilt.
Neuyork, 16. Juni. Die Zahl der Opfer des Brandes des „General Slocum" wird jetzt, wie man der „Frkf. Ztg." meldet, von der Polizei auf 1130 geschätzt. Um die lutherische
Der Majoratsherr.
Roman von L. Jdler-Derelli.
S2) Nachdruck verboten.
Die junge Frau lief eilfertig hinaus, den versprochenen Kaffee zu besorgen, und der Pro- festor sagte lächelnd:
„Sie entschuldigen, lieber Assessor, ich muß einen sehr notwendigen Brief schreiben."
Damit ging auch er fort; Kurt und Viktoria blieben allein.
Lächelnd begann das schöne Mädchen:
„Sagen Sie mir doch, Herr von Westen, Sie waren so gern Offizier, warum sind Sie eigentlich Jurist geworden?"
Der Assessor geriet in die äußerste Verlegenheit.
„Weil — weil —" stammelte er, mir ein schöner Traum vorschwebte, zu schön, als daß er sich je hätte erfüllen können," setzte er resigniert hinzu.
„So ist dieser Traum nun gänzlich zu Ende? forschte sie.
„Ja!,, erwiederte er leise. „Dieser Traum war meine Liebe zu Ihnen. Ich habe Sie geliebt, so lange ich Sie kannte. Der arme Offizier sah ein, daß er nie eine unbemittelte Frau heimführen könne, deshalb vertauschte er den Degen mit der Feder. Nun, wo ich die glänzende Uniform abgelegt habe und ein staubiger Aktenmensch geworden bin, sind Sie die Schwester bes steinreichen Majoratsherrn, der unter den besten Partien des Landes wählen kann. Ich hatte kein Glück! Leben Sie wohl und vergessen Sie mich!"
Er wollte gehen.
„Kurt!" rief Viktoria da, halb lachend, halb weinend.
Der Assessor blieb stehen, unwillkürlich breitete er die Arme aus, und schon ruhte das schöne Mädchen an seinem Herzen.
„Ich hätte es nicht für möglich gehalten!"
sagte er bebend.
Viktoria blickte lächelnd zu ihm auf.
„Man pflegt doch eine Dame, welcher man seine Liebe gesteht, auch nach ihrer Neigung zu fragen," versetzte sie. „Und du wärest beinahe ohne weiteres davongelaufen. Du böser, liebster Mann!"
In diesem Augenblick trat Regine wieder ein und blickte lachend auf das beglückte Paar
„Hermann," rief sie, „komm doch einmal herein!"
Der Professor kam augenblicklich; auch er lachte.
„Es ließ sich denken!,, sagte er. Nun sagen Sie aber, Westen, warum kamen Sie all die Zeit nicht längst zu uns? Sie wußten doch, daß meine Schwägerin hier war. Hatten Sie sich gezankt?"
Viktoria überhob ihren Verlobten eurer Antwort.
„Gewiß nicht," erwiederte sie lebhaft, „aber er hat gedacht, er wäre mir nicht gut genug ohne die Uniform. Als ob ich je das Kleid an ihm geliebt hätte! Im Gegenteil, ich werde es Dir nie vergessen," fügte sie innig hinzu, „daß Du meinetwegen einen Beruf aufgabst, der Dir Freude machte."
„Hurra!" rief der Profesför. Nun fahren wir morgen alle vier nach Thurin und Eber- hard wird mit einem zweiten Schwager über- rascht!"
So geschah eS und Herr von Thurin schloß den beglückten Assessor als Bruder in seine
Arme. .
Der erste, der dem neuen Majoratsherrn seine Glückwünsche darbrachte, war Pfarrer
Heyder. ^
„Die Wahrheit siegt," sagte der würdige Geistliche ernst. „Das Unrecht ist unterlegen. Wir wollen nicht über Frau Antonie richten. Aber eine Bitte habe ich an Sie, Herr Baron. Nehmen Sie sich eines Unglücklichen an, der
in dem Versuch, ihren Feinden zu nützen, ein
elender Mensch ohne Verstand, geworden ist. Eine schöne Aufgabe für Sie!"
Und nun erzählte Pfarrer Heyder von dem sträflichen Beginnen des Sattlerkarl im Aufträge der Frau von Thurin, nachts in der Kirche die versteckte Schrift zu suchen, und von der furchtbaren Krankheit, die ihn unmittelbar darauf befallen hatte.
„Er ward ein Opfer ihrer Schuld!" schloß der Geistliche. „Er ist unheilbar irrsinnig geworden. Aber der Doktor erklärt ihn für harmlos und ganz ungefährlich. Er spielt meistens wie ein kleines Kind ganz vergnügt, es ist trübselig anzusehen. Allein er kennt niemand. Alle die Leute, die er das ganze Leben hindurch gesehen hat, hat er vergessen. Nur einige fixe Ideen scheint sein armer, gestörter Geist noch zu beherbergen!"
„Ich werde ihn auf das Gut nehmen," versprach Eberhard. „Es sind Menschen genug dort, die ihn überwachen können, und vielleicht kann er gar irgendwie beschäftigt werden. Solange er lebt, soll für ihn gesorgt werden!" —
Nach kurzer Zeit wurden Eberhard und Sophie vereinigt, ihre jahrelange Treue fand den schönsten Lohn. Glücklich und zufrieden lebten sie miteinander. Der Reichtum des Majorats war für den so sparsam gewöhnten jungen Mann ein unerschöpflicher.
Jahre verflossen und nie hatten die ThurinS wieder etwas von jener Frau gehört, die eine kurze Zeit eine so bedeutende Rolle in ihre« Familie spielte. Da trat Eberhard eines Tages mit ernstem Gesicht zu seiner Frau, der er einen schwarzgeränderten Brief überreichte.
Es war eine kurze gedruckte Todesanzeige, sie lautete!
„Hans, Baron von Thnrin, starb in seinem achten Lebensjahre am Scharlachfieber. Die trauernde Mutter."
Kein Name stand auf der Karte. Antonie hatte es sichtlich vermieden, sich selbst zu nennen,