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Dir. 55
Samstag, den 8. Mai 1915
51. Jahrgang.
Kurland.
Zum deutschen Vorstoß auf Mitau.
Ein neuer Kriegsschauplatz im Osten läßt uns plötzlich die Blicke aus das alte Kurland wenden, m das die deutschen Truppen unerwarteterweise eingedrungen sind. Als zu Beginn des Krieges die russischen Heere an Ostpreußens Grenze erschienen, da ging die landläufige Meinung wohl dahin, man werde, wenn der Feind erst aus der östlichen Provinz verdrängt sei, aus seiner Verfolgung alsbald lief nach Kurland, Livland und Eslhland eindringen, um diesen einstmals deutschen Boden zu besetzen. Aber die Kriegsereignisse un Osten haben, wie man heute weiß, eine ganz andere Entwicklung genommen. Die Notwendigkeit, unseren österreichisch-ungarischen Bundesgenossen zur Leite zu stehen und die Gefahr, die Polen, dieser lies zwischen die deutschen und österreichischen Lande sich einschiebende russische Keil, bildete, nötigten die Heeresverwaltung, von einem Angriff aus die russischen Ostseeprovmzen bis zu gelegenerer Zeit abzusehen. Nun, da der Frühling rus Land ge- zogen ist, stehen deutsche Heere auch aus diesem Boden des weiten Nussenreiches und seltsame Gefühle müssen den deutschen Teil der kurländischeu Bevölkerung beschleichen, die ihr heutiges Vaterland von den Truppen des Volkes besetzt sehen, dem sie Abstammung, Sprache und Kultur verdanken und dem sie wesensgleich geblieben sind, obwohl sich Mütterchen Rußland em halbes Jahrhundert hindurch mit allen Mitteln bemüht hat, m seiner rücksichtslosen Art das Deutschtum in Kurland wie allenthalben in den Ostseeprovinzen zu unterdrücken.
Die Zwiespältigkeit der Kultur in diesem Telle des russischen Reiches spiegelt sich deutlich m dem Gemisch deutscher und russischerOrtsnamen. Ueberall, wenn man das Land durchwandert, trifft man aus die Spuren der Herrschaft des deutschen Ordens, der dieses Gebiet der Zivilisation des Westens dereinst erschloß. Stolzragende Ordensschlösser, alte Kirchen, Adelssitze aus der Ordensritterzelt sind über das ganze Land verstreut und mahnen den Reisenden an eine längst vergangene Epoche.
Mit zäher, echt deutscher Ausdauer haben sich denn auch die Deutschbalten durch alle Stürme hindurch ihre Eigenart und ihren lutherischen Glauben bewahrt und der auf seinen ererbten Schlössern sitzende Adel fühlt zu einem großen Teile noch deutsch, wie es seine Vorfahren taten. Ein kleinerer Teil freilich ist, vielleicht unter dem Zwange der Verhältnisse, der Russisizierung an- heimgesallen; die Rennenkampf, Siewers, Korff und wie sie alle heißen, haben ihr Deutschtum abgeschwvren, sind zu Russen geworden und suchen, wie alle Renegaten, die Stockrussen noch zu üver- treffen. Es waren nicht zum kleinsten Teile diese Balten, die zu dem Aufschwung Rußlands in den letzten Jahrzehnten beigetragen haben; sie ernten .dafür jetzt in echt russischer Weise den Dank, indem ffie als verkappte Deutsche verdächtigt werden.
Kurland ist un wesentlichen auch heute noch ein Bauernland. Der Ackerbau bildet die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz und die Industrie, die nur geringe Bedeutung hat, besaßt sich auch im wesentlichen lediglich mit der Verwertung der im Laude gewonnenen landwirtschaftlichen Produkte. Auf dem platten Lande wogen im Sommer weite Getreidefelder; Roggen und Weizen, Haber und Gerste werden überall ausgebaut, wo es die Bodenbeschaffenheil gestaltet. Auch gedeiht in Kurland vorzügliches Obst; für den Markt der größeren Städte wird ein umfangreicher Gemüsebau betrieben. Aus den weiten Wiesen weidet gut aussehendes Vieh, um dessen Veredelung sich der Landadel bemüht. So sind die vielfach minderwertigen russischen Rassen an Hornvieh und Pferden schon zum Teil durch bessere ersetzt. Groß ist auch der Waldbestand in Kurland; im Westen und Süden gedeiht, bank dem hier noch recht günstigen Klima, schöner Laubwald, während im Norden und Osten Nadelhölzer vorherrschen. Au der stachen, gar nicht gegliederten Oslseeknste fehlt es fast völlig an Hasen; nur Libau und Windau besitzen natürliche Häsen von ausreichender Ausdehnung für die Großschiffahrt; dazu kommt noch der Hasen in dem kleinen Pokangen, unmittelbar jenseits der deutschen Grenze. Von Süden her, aus Llltauen, ziehen sich flache Höhenrücken nordwärts durch Kurland,
deren Höhe zwischen 70 und 130 Metern schwankt und die das Landschaftsbild vielfach reizvoll gestalten. In der Ebene werden die weiten Flächen durch zahlreiche kleine Seen unterbrochen; von den Flüssen sind am bedeutendsten die Kurische Aa, die Windau und die Düna, die das Gouvernement Kurland von den Gouvernements Witebsk und Livland trennt. Auch verschiedene künstliche Wasserstraßen sind angelegt, so der Libausche Kanal, ^ der den Libauschen See mit der Ostsee verbindet, und der Jakobskanal bei der Hauptstadt Mitau, der nach dem Frieden von Oliva in den Jahren von >660 bis 1681 gebaut worden ist.
Die Bevölkerung Kurlands beträgt heute mehr als drei Viertelmillionen und besteht zu nicht ganz drei Vierteln aus Protestanten. 18 Prozent gehören der orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche an; dazu kommen noch 8 Prozent Juden. 75 Prozent, nämlich der ganze Bauernstand, besteht aus Letten; in weitem Abstande folgen die Deutschen mit 8,2 Prozent und die 8 Prozent Juden. Russen sind der Rasse nach nur mit 3Vs Prozent vertreten; den Rest der Bevölkerung bilden Polen und Littauer. Die Oberschicht der Bevölkerung gehört fast ausnahmslos dem Deutschtum an, das neben dem Adel auch die gesamte Oberschicht der städtischen Bevölkerung und einen kleineren Teil des mittleren Bürgertums umfaßt.
Die Stammbevölkerung Kurlands seit der Völkerwanderung waren die Kuren, die wohl sicherlich lettischen Stammes gewesen sind. Als um die Mitte des 13. Jahrhunderts der Deutsche ' Orden ins Land kam und die Kuren unterwarf, wurde das Christentum eingeführt. Kurland bildete seitdem einen Teil des Deulsch-Ordensgebiets bis zur Abtrennung vom Deutschen Reiche. Dann, um die Mitte des 16. Jahrhunderts, wurde eS unter polnischer Oberlehushoheit ein Erzherzogtum.
^ Der letzte deutsche Ordensmeister, Gotthard Ketller, 'wurde der erste Herzog von Kurland. Seine Söhne und Nachfolger lagen in fortdauernden Fehden mit den Ständen; un Jahre 1737 erlosch der Name Kettler, und Kurland kam ganz unter russischen Einfluß. Mit Hilfe der Kaiserin Anna wurde Gras Biron Herzog von Kurland; dieser
I>> kr AGGlMim i>es Kelches. >
Der Schriftsteller Karl Ernst Kn atz durfte Mch die Güte eines Geheimrats einen Blick in oie Schatzkammer des Reiches werfen und berichtet Miüber unter anderem folgendes:
Du siehst meterdicke Türen, fester als die Schatzgewölbe der Märchenburgeu, unergründlich öchlliiiinsvolle Schlüssel. Und nun, erhabenes Gemüt eines Zeitgenossen, dem lächerliche Silberige im Beutel klimpern, wappne dich mit dem Gleichmut eines Diogenes: Berge von Gold, Bibliotheken von Schatzscheinen brechen lawinenartig Mi dich herein. Und ist doch nur ein Teil des Mischen Barvermögens, der — ohne das Papier '- nach dem letzten Ausweis eintausendachthundert- Msechsundsiebzig Millionen in geprägter Münze M dreihundertundneununddreißig Millionen in MMn betrug.
ist der „Tages-Tresor": „Stur" hundeit nllionen, die für den täglichen Bedarf des Um- Nses bereitliegen. Hier flattern etwa anderthalb iv^oaen in Scheinen allwöchentlich aus und ein. Mn Raumen, die das Schatzgewülbe selbst unk überdecken, greisen Sterbliche sachlich, Mwegt in glitzernde Silberhügel, werfen die vri'u ö" Hunderten aus Wagen, sie zählen und ickl zugleich, die jedes unechte Stück un Aus- des Zeigers verraten würden; scharren allstucke in Massen in das knackende Getriebe
einer sinnreichen Maschine, die gewissenhaft von Zehntausend zu Zehnlausend weiterzählt. In Mulden stehen die Hügel runder Metallslücke. In Wagen, gleich kleinen Lowren, deren jeder, auf Kugellager und Gummireifen lausend, auderhalv Millionen Gold oder eine Million Silber zu fassen vermag, wird der uvrvus rorum umhergerollt, in die Keller versenkt und aus ihnen emporgehoben. Und wieder Säle, ui denen Hunderte von Mädchen- Händen die braunen, grünen, blauen und rötlichweißen Scheine von srüh bis spät zu Hundert- tausenden prüfen, zählen, in Pakete schnüren, als ob eS Ansichtspostkarten seien, während eine gewaltige Stanzmaschine die aus der Reise durch das menschliche Leben brüchig und schmutzig gewordenen durch Löcher entwertet, damit ein gefräßiges Feuer die bedeutungsvollen Lappen zu Tausenden vernichtet. Ein Hausen angekohlter Zweimarkscheine: ein merkwürdiger Gruß von verdeutschen Front. Bei welcher Episode der unermüdlichen Kümpfe mögen sie un Brand des Krieges verunglückt sein?
Da liegen aber auch kleine Berge französischer Sou-Stücke, gallischen Silbers, gallischen Goldes. Sendungen unserer Heeresleitung, die davon zeugen, daß des Reiches Armeen feindliches Land mit fester Faust festhalteu. Auf einem Tisch sperren sich, wie der Abfall einer Konservenfabrik, viele, Sammelbüchsen des Roten Kreuzes; ausgebrochen und entleert. Diese Sammlungen sind nötig und
nützlich, um der Reichsbank Ströme von Nickel zuzusühren. Nickelmünzen werden stark gebraucht, ebenso Kupfer. Wer größere Mengen von Nicket besitzt, oder regelmäßig enthält — heraus damit und in die Reichsbankl Sie ist dankbar dafür.
Neue Wagen, neue kunstvolle Maschinen Ein seinbeseelter Apparat, der die Golstücke vecschluckt, einen Augenblick zögernd aus einer feinen Platte wiegt, und dann ohne Irrtum und Fehl die durch Abgreisen zu leicht gewordenen — um ein Zehntel eines Grammes! — von den vollgewichligeu rrenut.
Stufen, schwere Türen, Schlösser, Elektrisches Licht über breiten Gängen, die kleine Platze ausbuchten, von deren jedermann alle Wände und Gelasse übersehen kann. Im Schatzgewölbe selbst. Eine naive Laten-Meinung verflüchtigt sich spurlos in mir und läßt ein gelindes Staunen zurück. Hier drinnen ist nichts mehr von dicken Umpanze- rungen und phanatistischer Sicherung der Metall- masseu. Uebersicht und die unbedingte Gewähr blitzschnellen Ersassens alles dessen, was hier an ungeheurem Reichtum lagert, verbunden mit einem verborgenen und nur den Beamten höchstens durch- schaubaren System intellektueller und mechanischer Beaufsichtigung schützen unfehlbar. Hinter Draht- giklern, die den geblendeten Blick frei durchlassen, ruht Goldbarren neben Goldbarren, rötlich schimmernd, gelb leuchtend. Manche sind vierkanitig puritanisch. Das sind Amerikaner. Manche haben die düstere Gestalt eines kleinen Sarges. Das