Berlin, 27. Sept. Die Entlassung der deutschen Flottenreservisten wird in dieser Woche vollständig vollzogen sein. Heute entlassen sämtliche Linienschiffe und Kreuzer der Hochseeflotte die zur Reserve übergehenden Mannschaften von Bord. Die Entlassung von den beiden Linienschiffen „Hannover" und „Ostfriesland" und vom Kreuzer „Roon" hat bereits am 20. und 25. Sept. stattgefunden.
Weimar, 25. Sept. In einem Abteil zweiter Klasse wurde heute nacht in dem nach 12 Uhr von Apolda abfahrenden Personenzuge unweit von Großheringen der Kraftwagenführer von dem Buchhalter der Freiburgermühjle ermordet, worauf sich der Buchhalter selbst erschoß.
Bern, 27. Sept. Der Internationale Friedenskongreß wird vom 21. bis 27. März n. Js. in Rom stattfinden.
Prag, 26. Sept. Wie die Blätter aus Nachod melden, zerstörten gestern abend 2000 Textilarbeiter im Dorfe Zbecnitz acht Wirtschaftsgebäude und vernichteten die Vorräte. 170 Gendarmen sind nach Zbecnitz entsandt worden.
Amsterdam, 26. Sept. Heute wurden die Jahrgänge 1907 und 1908, die länger als ursprünglich bestimmt, unter den Waffen gehalten worden waren, entlassen.
Rom , 26. Sept. Die Versuche der Sozialisten, in Rom, Mailand, Como und anderen Städten den Generalstreik zu erklären, um gegen ein Vorgehen in Tripolis zu prostestieren, sind an der einmütigen Haltung der allgemeinen Meinung gescheitert.
London, 25. Sept, Der irländische Eisenbahnerstreik scheint allmählich in sich selbst zusammen zu fallen. Im ganzen streiken noch 6000 Mann und von diesen 5000 allein auf der Great Southern Linie. Von einem Allgemeinstreik kann also in keiner Hinsicht die Rede sein. Der Stillstand des Verkehrs auf der Great Southern hat zahlreiche Unbequemlichkeiten im Gefolge, aber auch hier scheint die Streikbegeisterung bedeutend abzuflauen. Verschiedene der Streiker sind bereits mit der Bitte um Wiederaufnahme der Arbeit eingekommen. Wenn auch hier und da einige Ausschreitungen vorgekommen sind, so verläuft der Ausstand im großen und ganzen ruhiger, als der in England vor einem Monat. Auch bei den Streikführern macht sich die Enttäuschung über den Verlauf des Streits stark bemerkbar.
Amerika hat wieder einmal seinen Skandal. Dr. Wiley, Leiter des Amtes zur Bekämpfung der Nahrungsmittelverfälschung, ist sehr unsauberen Geschäftspraktiken auf die Spur gekommen. Er entdeckte, daß in vielen amerikanischen Großstädten das Fleisch kranker Pferde nach Holland zum Versand gelangt, von wo aus es in Form von Frankfurter und Bologneser Würstchen seinen Weg in die Vereinigten Staaten zurückfindet. Auch andere Tiere werden in derselben Weise verwendet. Sogar das Fleisch von Katzen und Hunden, die in den Straßen aufgegriffen werden, findet auf dem Umwege einer Europareise den Weg in den Magen der Bürger des freien Amerika. Affen und Kamele, die ihre Tage in der beschaulichen Abgeschlossenheit eines Tiergartenkäfigs beendeten, sogar ein wahnsinniger Elefant, der unlängst im Zoologischen Garten einer amerikanischen Großstadt erschossen werden mußte, sie alle bekundeten ihre Anhänglichkeit an die Neue Welt in rührender Weise. Auch sie kehrten, nachdem sich ihre sterblichen Ueberreste in duftende Räucherwürste verwandelt hatten, zur Adoptivheimat wieder zurück. Dr. Wiley behauptet, daß die Einzelheiten seiner Entdeckungen so skandalöser Natur seien, daß selbst die Enthüllungen über die Chicagoer Schlachthäuser, die vor Jahren die gesamte Kulturwelt mit Grauen erfüllten, in den Schalten gestellt werden.
Die Schiffskatastrophe von Toulon
Infolge einer Kessel-Explosion ist, wie in letzter Nummer noch kurz gemeldet werden konnte, das auf der Reede von Toulon liegende französische Linienschiff „Libertö" total zerstört worden. Heute vorliegend» nähere Meldungen lauten:^
Die Ueberreste des stolzen französischen Kriegsschiffes, das in zwei Teile zerborsten ist, stellen ein unbeschreibliches Bild der Verwüstung dar. Die Panzer sind zersprungen, die Brücken weggefegt. An Bord befanden sich noch eine Anzahl Ueber- lebender, denen von den übrigen Schiffen unverzüglich Rettung gebracht wurde. Ein Augenzeuge berichtet: Gegen 5 Uhr bemerkte die Mannschaft der „Libertö", daß Rauch aus dem Hinterteil des Schiffes hervordrang. Die Offiziere befahlen, die nach dem Wasser führenden Türen der Kammer unter Wasser zu setzen. Es war aber infolge des scharfen Rauches unmöglich, bis in die Kammer vorzudringen. Die Nachricht von dem Brande verbreitete sich rasch unter der Mannschaft. Die Leute stürzten sich zum Teil auf die Boote, teils ins Meer. Die Offiziere beruhigten die von Panik erfaßte Mannschaft einigermaßen. Da erfolgte die erste Detonation. Als die Offiziere sahen, daß es zwecklos wäre, die Mannschaft zu opfern, befahlen sie derselben, das Schiff zu verlassen. Im Begriff, diesem Befehl Folge zu leisten, erfolgte eine furchtbare Explosion, welche einen Teil der Mannschaft vernichtete. Ganz deutlich sah man, wie menschliche Körper, Schiffsteile und Granaten in die Luft geschleudert wurden. In diesem schrecklichen Augenblick sind auch sehr viele Leute auf den umliegenden Schiffen ums Leben gekommen. Etwa 100 Matrosen, welche sich gleich nach der ersten Explosion ins Wasser gestürzt hatten, sind im Augenblick der zweiten, viel heftigeren Explosion umgekommen. Stark beschädigt sind auch die Linienschiffe „Demo- cratique", „ Republique" und „ Veritd". Auf elfterem wurden 20 Tote und 50 Verletzte festgestellt. Tote und Verletzte in noch nicht festgestellter Zahl gab es auf allen umliegenden Schiffen. Die Zahl der von der Besatzung der „Libertö" Getöteten und Vermißten wird vom Marineminifterium auf 204, die der Verwundeten auf 136 angegeben. Ein geretteter Offizier erklärte, der Brand sei bereits mehrere Stunden bemerkt gewesen, ohne daß Alarm geblasen wurde. Demzufolge wäre Zeit genug gewesen, die Munitionskammern unter Wasser zu setzen uud dadurch das Unglück zu verhindern.
Die Katastrophe von Toulon hat den Herren Delcasse und Genossen einen argen Dämpfer auf ihre überschwänglichen Ruhmesreden versetzt. Selbstentzündung des Pulvers wird als Ursache bezeichnet. Wer'S glaubt! Ein richtiger französischer Schlendrian wird wohl dahinter zu suchen sein, wie er des öfteren schon zutage trat, nicht zuletzt beim Untergang der „Jena", der vor vier Jahren ebenfalls in Toulon erfolgte und dem damaligen Abgeordneten Delcassö als Vorsitzenden der Untersuchungskommission Gelegenheit gab, den damaligen Marineminister Thomson zu stürzen. — O Ironie des Schicksals!
Paris, 27. Sept. Herzzerreißende Szenen spielten sich gestern den ganzen Tag vor dem Marine-Ministerium ab, wo unaufhörlich Angehörige der Opfer der Libertö eintrafen. Marine- minister Delcassk erklärte einem Besucher, es sei unmöglich, anzunehmen und zu behaupten, daß die Ursache der Katastrophe in der Entzündung des Pulvers zu suchen sei. Die Offiziere erklärten einmütig, das Pulver sei von neuer Fabrikation und für lange Zeit widerstandsfähig gewesen. — Kaiser Wilhelm drückte durch ein Telegramm an Präsident Fallieres seine Teilnahme aus. Auch der deutsche Botschafter, Freiherr v. Schön, hat der französischen Regierung seine Teilnahme ausgedrückt.
Die Tripolis«Frage.
Wir leben in einer unruhigen Zeit. Noch ist die Marokkofrage nicht endgiltig beigelegt, und schon taucht eine neue Frage auf: die Tripolisfrage. Italien, dessen frühere Bestrebungen, in Afrika festen Fuß zu fassen, unglücklich verlaufen sind, hält offenbar jetzt die Zeit für gekommen, das längst begehrte Tripolis den Türken mit oder ohne Gewalt „abzunehmen". Die Türkei scheint aber durchaus nicht gewillt zu sein, diesen fetten Bissen preiszugeben, sondern hat die schleunigste Absendung einer größeren Streitmacht nach Tripolis den neuesten Nachrichten zufolge bereits „beschlossen". Da die Italiener jedoch flinker hierin vorgingen und schon am 25. September eine ganze Flotte nach dem ägäischen Meere beordert haben, so dürfte sich am Ende die Türkei doch lieber aufs Unterhandeln verlegen, nachdem sie zuvor ein vernehmliches Rasseln des Krummsäbels eingeleitet haben wird. Denn der Ausgang eines kriegerischen Zusammenstoßes zwischen beiden Staaten ist bei der maritimen Ueberlegenheit Italiens und bei dem Zustande, in welchem die türkischen Verteidigungsmöglichkeiten sich befinden, kaum zweifelhaft. Die Italiener haben ihren Luftschiffern und Aeroplanen den Befehl erteilt, sich bei Syrakus, der Aktionsbasis für die Expedition nach Tripolis, zu konzentrieren, außerdem stehen vorläufig 8 Regimenter bereit, in See zu gehen. 30 000 Mann sollen im Ganzen eingeschifst werden und schon mitte Oktober in Tripolis landen. Die italienische Regierung hofft offenbar auf die moralische Unterstützung Deutschlands. Die Kabinette -er europäischen Großmächte sind bereits lebhaft bemüht, in dem drohenden Konflikt zwischen Italien und der Türkei zu intervenieren.
Unter den vielen sich überstürzenden und widersprechenden Meldungen verdient eine von gestern datierte Nachricht aus Konstantinopel erwähnt zu werden, wonach bereits Besprechungen über die Forderungen Italiens angeknüpft worden sind.
Nachstehend weitere neueste Meldungen.
Berlin, 25. Sept. Die italienische Botschaft hat heule der Reichsregierung offiziell den Entschluß Italiens angezeigt, die tripolitanische Frage jetzt definitiv zu regeln.
Berlin, 28. Sept. Der italienisch-türkische Konflikt ist zwar unverändert ernst, eine gütliche Verständigung wird aber nicht als unmöglich betrachtet.
'Frankfurt, a. M., 25. Sept. Der „Franks. Ztg." schreibt man aus Paris: Aus der Haltung der heutigen Presse geht hervor, daß Italien auf die vollständige Neutralität Frankreichs, bei seiner Expedition nach Tripolis rechnen kann, und daß die Jungtürken, denen man in Paris nicht sehr geneigt ist, keine Aussicht haben, von Frankreich gegen Italien geschützt zu werden. Die Zeitungen aller Parteischattierungen geben den Türken den. ironischen Rat, sich nach Berlin zu wenden.
London, 25. Sept. Die englische Presse ist sehr erregt über Frankreichs Verhalten in der Tripolisfrage und drückt ihr Erstaunen darüber aus, daß Frankreich sein Einverständnis zur Besetzung von Tripolis durch Italien gab. England könne nicht verstehen, wie Frankreich einen solchen Rat erteilen könne. Die Blätter fragen, ob man die Türkei denn ganz vergessen habe, und halten eine Besetzung von Tripolis für das Dümmste, was man machen könne.
Konstantinopel, 27. Sept. Die Garnison von Tripolis hat die Ordre erhalten, einer Landung italienischer Truppen mit aller Macht entgegenzutreten.
Malta, 27. Sept. Aus Tripols hier eingelaufene Privatdepeschen besagen, daß italienische Kriegsschiffe mit Landungsstreitkräften in einer Ent-
klar auf der Hand liegt, die Gewißheit nämlich, daß wir es hier mit tief unglücklichen Menschen zu tun haben, bin ich, glaube ich, noch nicht hinausgekommen."
Tarleton nickte, wobei sich seine Augenbrauen ein wenig zusammenzogen.
„Sagen Sie selbst," fuhr Caree nach einer Weile fort, „ob der Mann auf Sie den Eindruck eines Verbrechers macht."
Tarleton schwieg einen Moment.
„Ja", sagte er dann ruhig und kalt.
„Ich will Ihnen nicht ohne weiteres widersprechen, denn auch ich habe den Eindruck, daß das Leben dieses Künstlers ein düsteres Geheimnis birgt — eine Schuld. Aber ebenso fest bin ich davon überzeugt, daß er kein frivoler Schurke ist, ein Verbrecher schlechthin. Ich halte für möglich, daß er die Tat begangen hat, doch trägt er den Fluch und die Strafe seiner Tat mit sich herum, seine Seele ist verdüstert und sein Leben steht unter dem Einfluß einer schweren Gewissenslast.
„Möglich, daß es so ist, doch ändert das nichts an der Strafwürdigkeit des damals begangenen Verbrechens. Und bedenken Sie, er
siedelt ruhig auf der von ihm geraubten kostbaren Geigeweiter, nachdem sie erst die Grundlage zu seiner künstlerischen Existenz bieten mußte."
Caree hatte eine schnelle Antwort auf den Lippen, doch er schwieg. In sein Gesicht trat plötzlich ein anderer Ausdruck, und nachdem er noch kurze Zeit neben seinem Freunde hergeschritten war, blieb er auf einmal stehen und tippte sich nach seiner Gewohnheit mit dem Zeigefinger vor die Stirn.
„Nun, was haben Sie?" fragte Tarleton erstaunt.
„Wie kommen Sie zu der Vermutung, daß Strakeau immer noch Edelhagens Violine benutzt?"
„Aber das ist doch logisch. Vorausgesetzt, Edelhagen hat sich nicht getäuscht und Strakeau ist wirklich der Räuber seiner Geige, so wäre es nahe liegender, daß Strakeau nun, da er über reiche Mittel verfügt, sich des Instrumentes entäußerte, das doch für ihn eine fortwährende laute Anklage bildet und ein Mahner ist an die damals verübte Tat."
„Da könnten Sie recht haben — indessen —"
Tarleton sprach den angefangenen Satz nicht weiter und schüttelte nachdenklich den Kopf.
Schweigend schritten die beiden Männer bis zum Dorset-Square, wo sie sich mit einem Händedruck trennten.
Caree wandte sich nach einigen Augenblicken um, als wolle er dem Marquis Nacheilen. Er unterließ es saber, blieb stehen und tippte aber- mit dem Finger an seine Stirne.
„Er hat mich auf einen Gedanken gebracht. Er hat recht. — Strakeau hat die Tat begangen. Und er hat die Violine nicht veräußert — er spielt darauf — und die Töne wühlen in seinem Gewissen. Daher sein merkwürdiges Wesen—seine phantastischemusikalische Auffassung. Hm — das muß ich zu erfahren suchen."
Und nachdenklich setzte er seinen Weg fort.
(Fortsetzung folgt.)
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(Die einzige Möglichkeit.) „Was, Sie nehmen Ihre korpulente Frau Gemahlin mit auf Bergpartien; da muß sie Ihnen ja recht hinderlich sein?" — „Aber so schön zum Wort kommen kann man beim Aufstieg!"