Amtsblatt

für die Stadt Mit'döaö

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Anzeiger

für WU'öba ö rr. Mmgevung.

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A. 115

Hiezu: Illustriertes Sonntagsblskt und während der Saison: Amtliche FremdenlistH.

Donnerstag, den 28- September t91t

47. Jahrgang.

Iltinüzcvau.

Stuttgart, 26. Sept. In der hiesigen russischen Kapelle wurde gestern ein Trauergottes­dienst für den ermordeten russischen Minister­präsidenten Stolypin abgehalten, bei welcher sich der König durch den Geh. Legationsrat Frhr. v. Hermann vertreten ließ; als Vertreter der Herzogin Wera war der Hosmarschall v. Fischer-Jhlingen anwesend. Ferner waren noch Mitglieder des diplomatischen Korps und die hiesige russische Kolonie vertreten.

Stuttgart, 27. Sept. Am 5. Oktober d. I. werden es 25 Jahre, daß der Evangelische Bund in Erfurt ins Leben getreten ist.

Stuttgart, 27. Sept. Der Volksfest-Haupt- tag, an dem die meisten Geschäfte nachmittags ge­schlossen hatten, brachte dem Festplatz einen Riesen­verkehr, sodaß am späten Abend kaum durch die Menschenmassen hindurchzukommen war. Eine große Anziehungskraft übte das Schaufahren alt- und neuzeitlicher Fahrzeuge zur Darstellung der Entwicklung des Fuhrwesens aus. Der glänzende Wagenzug wurde eröffnet mit der prächtigen Ro­koko-Kutsche des Herzogs Karl Theodor von ,der Pfalz, umgeben von einem glänzenden Troß, es folgten eine alte, aus dem Jahre 1750 stammende, tragbare Rokoko-Sänste, ein Reisewagen aus Goethe's Zeit, darin saß in einer ausgezeichneten Maske des großen Dichterfürsten Willy Widmann, dann kam ein interessanter Jagdzug mit alten JagLwagen aus fürstlichen Häusern, ein alter Hoch» zeitsreisewagen mit anmutigem,jugendlichem Inhalt, reizende Kinderkutschierwagen, aus alter Zeit ein Löschzug, der große Heiterkeit erregte, malerische ländliche Wagen, Riesenwagen, Galakutschen usw. -Die Abteilung neuzeitlicher Fuhrwerke wurde mit verschiedenen Landfuhrwerken eröffnet. Man sah ein zierliches Ziegenbock-Gespann, ein reizendes Ponyfuhrwerk, Zigeunerwagen, Ernte-, Winzer- Weinwagen. Die ganze Aufmachung war ebenso geschmackvoll wie wirkungsvoll. Malerische Bauern­trachten, liebliche Kinderköpfe und wetterharte Ge­stalten konnte man in dem stattlichen Zuge beob­achten. Zum Schluß kamen die Luxuswagen, Droschken, Verkehrwagen, Geschäftswagen, Bier­brauereisuhrwerke, Lastfuhrwerke und die Wagen der städtischen Betriebe. Der Kgl. württ. Auto­mobil-Klub hat eine Gruppe von Automobilen zu­sammengestellt, wie eine solche in dieser Mannig­faltigkeit wohl noch selten zu sehen waren. Ganz besonderes Interesse erregten die Lanz-Automobil- Feuerspritze von 1911 und der elegante 40pferdige Gaggenau-Omnibus. An die Vorführungen schloß sich die Preisverteilung an.

Schuldbeladen.

Roman von Heinrich Tiadem.

(Nachdruck verboten;

„Er riet mir, dich nach Deutschland zu senden. Das Siebengebirge, meinte er, fei ein besserer Aufenthalt für dich als die Nebelatmosphäre Londons."

Melitta lachte kurz und grell auf.

„Und du meinst wirklich, daß dann mein Leben ruhiger würde? Trage nicht ich — und du selbst — schwer genug .an dem Fluche, der auf uns lastet?"

Strakeau taumelte empor — sein Gesicht ver­färbte sich bis an die Lippen.

„Von — welchem Fluch — redest du?" stam­melte er zurückweichend.

„Von dem Fluch der bösen Tat!" schrie Me­litta, ihrer Sinne kaum noch mächtig, stürmte an ihrem Gatten vorüber und zum Zimmer hinaus

Strakeau starrte ihr mit entgeistertem Gesichte

nach.

— Die vorläufigen Zusammenstellungen aus den in den Gemeinden aufgestellten Gemeindelisten aus der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 hatten, für Württemberg die Ziffer von 2,435,600 ortsanwesenden Personen ergeben. Die endgültige Prüfung und Durchzählung der Haus­haltungslisten im Kgl. Statistischen Landesamt hat 2,437,574 (wovon 1,192,392 männliche und 1,245,182 weibliche) Personen ergeben. Die Dif­ferenz rührt von zahlreichen kleineren Ungenauig­keiten, nicht etwa von bei der Erhebung unberück­sichtigten Zählbezirken her. Die Zunahme beträgt im Neckarkreis 71,091, im Schwarzwaldkreis 29,158, im Jagstkreis 7910 und im Donaukreis 27,236, zusammen seit 5 Jahren 135,395 Per­sonen. Bemerkenswert an dem neuesten Stand ist, daß nunmehr der Schwarzwaldkreis den Donau­kreis an Volkszahl überflügelt hat, nachdem er von 1885—1905 hinterdiesem zurückgeblieben, 1871 bis 1880 aber ihr voran gewesen war. Dies rührt von der neuerdings viel rascheren gewerblichen Entwicklung in vielen Teilen des Schwarzwald­kreises her.

Alten steig, 27. Sept. Einen äußerst gün­stigen Erfolg hatten die Imker unserer Gegend vom Juli bis ins die letzte Zeit. Wie noch selten honigten die Tannen in den Wäldern. Es ist ge­radezu erstaunlich, in welch kurzer Zeit so ein Bienenvolk bis zu einem Zentner Honig und mehr eintrug. Der Tannenhonig ist von dunkler, bräun­licher Farbe, hat aber einen sehr angenehmen Ge­schmack und darf sich mit dem aus Blüten zu­sammengetragenen Honig an Güte wohl messen.

Alpirsbach, 25. Sept. In Rötenbach wurde in vergangener Nacht die Wirtschaft und Bäckerei zum „Adler" von Hermann Löffler mit dem daran angebauten Wohnhaus des Privatiers Friedrich Armbruster vollständig eingeäschert. Die gesamte Fahrnis beider Familien, ein größerer Mehlvorrat, zwei Schweine und das Geflügel sind mitverbrannt.

Horb, 27. Sept. Sonntag nacht gingen einige junge Männer miteinander friedlich nach Hause, als sie von einem Lützenhardter Burschen angerempelt wurden. Im Laufe des Wort­wechsels stach letzterer dem Gipser Alfons Stimmler das Messer in den Bauch und verletzte ihn schwer. Der Täter wurde noch in der Nacht ver­haftet.

Oberndorf, 25. Sept. In vergangener Nacht 12 Uhr brach in Aichbalden m einem der Gemeinde gehörigen alten, mit Stroh bedeckten, von einer Familie und einer Witwe bewohnten Holz­haus Feuer aus, das das ganze Anwesen bis auf

„Der Fluch — der — bösen — Tat — I — Ha, — was weiß sie — von einer bösen Tat?" —

Er sprang auf und blickte mit wild rollenden' Augen umher.

„Was spricht sie - " stieß er heiser, in atem­loser Hast, hervor — „von einem Fluch! Und meine Hände — sie stieß sie zurück — wie einen Feuerbrand — wie — wie man Mörderhände zurückstößt —I"

Er hob seine Hände empor, die langen, hageren, grauen Hände; sie zitterten. Er hielt sie weit von sich ab. In seine Augen, die auf feine Hände blickten, trat ein Ausdruck tiefer Seelenangst.

„Mir — graut vor — meinen Händen I" flüsterte er bebend. „Das macht — ich weiß, was sie Furchtbares vollführten! — Aber sie — sie — was weiß sie? — Weiß sie — daß — daß ich ein — ein Mörder bin?"

Mit leisen Schritten schlich er zur Tür und horchte hinaus. Im Hause war es totenstill.

Da zog er geräuschlos die Tür hinter sich ins Schloß und schlich die Treppe hinauf auf sein Zimmer, dessen Tür er hinter sich verriegelte.

den Grund einäscherte. Die Bewohner konnten nur das nackte Leben retten. Stark gefährdet war auch das nebenan liegende Gasthaus zur Krone. Es erlitt erhebliche Beschädigungen, konnte aber noch gerettet werden. Brandstiftung wird vermutet. Einige Feuerwehrleute wurden leicht verletzt.

Böhringen, OA. Sulz, 23. Sept. Heute nachmittag 4 Uhr brach in dem Anwesen des Mechanikers Beilharz, Besitzer des Elektrizitäts­werks, auf bisher nicht aufgeklärte Weise ein Brand aus, der drei Wohnhäuser und die mechanische Werkstätte in Asche legte. Dem mutigen Eingreifen der Feuerwehr gelang es, das Elektrizitätswerk zu retten, von welchem nur der Dachstuhl ein Raub der Flammen wurde. Immerhin litten aber die Maschinen Schaden, und es wird wohl noch eine Woche vergehen, bis Kraft und Licht wieder in un­gestörter Weise geliefert werden können.

Tübingen, 27. Sept. Die Leiche eines Mäd­chens, das nach einem Besuch bei seinem Bräuti­gam in Kusterdingen nicht eintraf, wurde im Neckar gefunden. Es dürfte ein Unglücksfall vorliegen.

Heilbronn, 27. Sept. Eine am Freitag abend aus Kornwestheim im hiesigen Erholungs­haus eingetroffene vierzigjährige Frau, die das Unglück hatte, vor einigen Wochen ihren Mann (durch Selbstmord) zu verlieren, nahm sich gestern früh in einem Anfall von Schwermut das Leben durch Erhängen. Sie hinterläßt zwei Kinder, die nun Vollwaisen geworden sind.

Brackenheim, 25. Sept. (Weinkäufe.) Die allgemeine Weinlese in unseren Weinorten beginnt am Montag, den 2. Oktober. Hier sind viele Wein­käufe fest zu 220 bis 225 Mk. abgeschlossen worden. In Hausen an der Zaber verkaufte man ihn für 190—200 Mk. Der renommierte Weinort Stock­heim gibt ihn zu 225—230 Mk, ab, in Eibens­bach kostet er 220 Mark.

Heidenheim, 25. Sept. Ein bei einem hiesigen Bäckermeister in der Lehre stehender Junge lud am Samstag abend einen sich in der Nähe der Backstube aufhaltenden jungen Menschen ein, den „Neuen" zu versuchen und stellte ihm einen mit Bäckerlauge gefüllten Krug absichtlich hin. Der ahnungslose junge Mann nahm einen Schluck und verbrannte sich so gefährlich, daß er in das Krankenhaus geschafft werden mußte.

In Frankfurt a. M. tagte am Samstag, Sonntag und Montag die diesjährige Hauptver­sammlung des Gustav-Adolf-Vereins. Es wurde beschlossen, die große Liebesgabe von 22 000 Mk. der Gemeinde Zions in Posen, 7000 Alk. nach Donaueschingen und 9000 Mk. nach Bosnien zu überweisen. Als Ort der nächsten Hauptversamm­lung wurde Posen bestimmt.

XIV.

Nachdem Gaston Caree seinen Freund Doktor Strong zu Strakeau geschickt hatte, schritten die beiden Frennde langsam der City zu. Jeder war mit seinen Gedanken vollauf beschäftigt, so daß lange kein Wort zwischen ihnen gewechselt wurde.

„Nun, lieber Caree, was sagen Sie nun?" brach endlich der Marquis Tarleton das L chweigen.

„Was meinen Sie?"

Der Marquis fixierte mit einem scharfen Seiten­blick das ernste, etwas unzufriedene Antlitz seines Freundes.

„Wollen Sie mich glauben machen, daß Sie nicht an dieselbe Angelegenheit denken, die auch mich beschäftigt?"

Caree schwieg.

„Welchen Eindruck haben Sie von dem Ehe­paar Strakeau empfangen?" fragte Tarleton nach einer Weile.

„Die Frage ist schwer zu beantworten," ent- gegnete der Journalist mit einem tiefen Seufzer. „Ich versuche, mir selbst erst über meine Empfind­ungen diesen merkwürdigen Leuten gegenüber klar zu werden. Ueber die Gewißheit, die für. mich