Hlntevhattenöes
Der Fall Welshofen.
Kriminalroman von M. Kossak.
(Forts.) (Nachdruck verboten)
Nun, diesmal wollte er nicht wieder so dumm sein, diesmal wollte er seinen Vorteil wahren. Er war es müde, sich Heilmans törichten Weisungen unterzuordnen. Der Mann verdarb ihm ja seine Karriere.
Eine Stunde später promenierte vor der Wohnung der Anita Brusio ein Mann vom Ansehen eines Kommis oder kleineren Buchhalters. Seine Kleidung war schon ein wenig abgenutzt, aber peinlich sauber und ein wenig stutzerhaft. Der Hut saß ihm keck auf der Seite und in der Rechten schwang er unternehmend ein Spazierstöckchen. Niemand würde in dem feschen Handlungsbeflissenen, dem man es ansah, welche Mühe er sich gab, sich das Aeußere eines Kavaliers zu verschaffen, den bescheidenen, unterwürfigen Detektiv Brümmel erkannt haben. Einmal warf er einen flüchtigen Blick auf die Photographie des Briefes, den Frida Sasse als von ihrem Verlobten herrührend erkannt hatte. Es fehlten ihm, wie gesagt worden, Datum, Anrede und Unterschrift sowie Anfang und Ende, das ganze Schriftstück bestand aber, streng genommen, nur aus einigen Zeilen, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen waren. Diese lauteten:
und so sag ich Dir noch einmal, hüte Dich! Mein Blut ist heißer, als Deines, das nur träg' und dick in Deinen Adern fließt. Ich bin nicht zum Dulden geschaffen — ich nicht! Alles habe ich dir geopfert — alles! Nicht viel hat gefehlt, daß ich Deinetwegen zum Schuft wurde — das vergesse ich dir nie und auch du darfst es nicht vergessen. Dafür will ich sorgen. Führst Du Dein Vorhaben aus, so wird meine Rache dich treffen! Magst du noch so vorsichtig sein. Dich mit Wällen von Schutzmaßregeln umgeben — umsonst, ich werde Dich zu treffen wissen. Mir und meiner Rache entrinnst Du nicht! Ich will den Preis meiner Oualen, meiner Opfer! D'rum noch einmal „hüte Dich!" Denn —"
An dieser Stelle brach das Schriftstück ab.
„Unbegreiflich, daß niemand ausgefallen ist, wie sinnlos dieser Brief erscheint, sofern man annimmt, daß Olfers ihn an den Grafen Welshosen geschrieben haben soll!" dachte Brümmel, indes er das Papier wieder zusammenfaltete und in die Tasche steckte. „Freilich wundern sich alle, daß Olfers den Grasen mit „du" anredet, aber das ist auch alles, was ihnen auffällt. Als ob das der Brief eines jungen, heißblütigen Menschen an einen alten Mann wäre! Lächerlich! Ein Liebhaber hat ihn geschrieben — ein Liebhaber an seine ungetreue Liebste und diese Liebste ist die Anita Brusio I Für die Anita war dieser Brief bestimmt — für niemand sonst! Uud die Anita hat ihm dem Grasen gegeben! Aber warum? Was bezweckte sie damit! Wollte sie seinen Schutz gegen die ihr angedrohte Rache ihres Landsmanns anrufen?"
Brümmel ging in diesen Gedanken hin und her. Daß Olfers der Mörder des Grafen war, schien auch ihm zweifellos, aber diese Ueberzeug- ung nützte ihm nichts, sofern er sie nicht zu beweisen vermochte.
Man hat die Italienerin natürlich einem Verhör unterworfen, aber sie hatte so kühl und sicher ausgesagt, daß sie nichts über den Mord wüßte, und alle ihre Worte trugen derart den Stempel der Wahrheit, daß niemand an ihnen zweifelte. Auf die Frage, wie ihre Beziehungen zu Olfers gewesen, hatte sie nur zur Anwort gegeben, daß sie bis vor einem Jahr ein Freundschaftsverhältnis mit ihm vergnüpft, daß ihre Beziehungen aber nie über die Grenzen desselben hinausgegangen seien. Sie wären an verschiedenen Varietes zusammen engagiert gewesen und hätten sich auf Grund der Tatsache, daß sie beide italienischer Abkunft waren, einander genähert; Olfers hätte zwar wie sie bald erkannt, eine Leidenschaft sür sie gefaßt, da sie dieselbe jedoch nicht erwidert, so hätte er sie, wie sie fest angenommen, bald unterdrückt.
„Aber unter Ihren Kollegen herrschte doch allgemein die Annahme, daß Sie verlobt gewesen wären?" fragte der Untersuchungsrichter.
„Das ist eitles Geschwätz gewesen", entgegnet? Anita. „Wo entstehen nicht derartige Gerüchte, wenn zwei junge Menschen beiderlei Geschlechts freundschaftlich miteinander verkehren ? Zudem waren unsere Beziehungen längst abgebrochen, als wir nach Wien kamen. Olfers verlobte sich mit Frida Sasse und ich mit dem Grafen Welshofen."
„Und wie lange sind Sie mit Graf Welshofen verlobt gewesen?"
„Ungefähr acht Monate. Veröffentlicht haben wir unsere Verlobung allerdings erst unmittelbar vor des Grafen Tode."
„Glauben Sie, daß Olfers des Grafen Mörder ist?"
„Nein, ich glaube es nicht. Ich wüßte nicht den mindesten Grund, warum Olfers den Grafen ermordet haben soll."
Fortsetzung folgt.
VsnsLednis
der vom 15 . Hpril bis 1 . Llai angemeldeten Lremden.
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