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Donnerstag, den 27. April 1911
47. Jahrgang.
kulnkcbau.
Stuttgart, 25. April. Bei dem „Blumentag" zur silbernen Hochzeit des Königspaares sind insgesamt mit allen Spenden und Stiftungen innerhalb und außerhalb WürttembepgK. rund 583 000 Mk. zusammengekommen. Drei Millionen Nelken, 900000 Festpostkarten ohne Marke und 160 000 mit Marke, sowie 60000 sonstige Postkarten wurden verkauft. Nach Abzug der Unkosten von 72 000 Mk. verbleibt, ohne die Stiftung des Königspaars, als Reinertrag die runde Summe von 511000 Mark.
Stuttgart, 25. April. Der König hat heute nachmittag in der Generaldirektion der Staatseisenbahnen die Modelle sürden neuen Hauptbahnhof besichtigt. Auch Ministerpräsident Dr. v. Weizsäcker und der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes v. Kiderlen-Wächter, der seit einiger Zeit bei seiner Schwester, der Freifrau Joh. v. Gemmin- gen-Guttenberg, zu Besuch weilte, fanden sich zur Besichtigung der Modelle im Generaldirektionsgebäude ein.
Stuttgart, 22. April. Der seitherige württ. Militärbevollmächtigte in Berlin, Generalmajor v. Dorrer, ist unter Enthebung von dieser Stellung sowie unter Verleihung des KommenturkreuzeS des Ordens der württ. Krone zum Kommandeur der 26. Feldartilleriebrigade (Ludwigsburg) ernannt worden. An feine Stelle wurde zum Militärbevollmächtigten in Berlin Oberst Grävenitz Abteilungschef beim Kriegsministerium, unter Beförderung zum Generalmajor ernannt.
— Wie der „St.Anz." berichtet, hat der König am Dienstag an den diensttuenden Generaladjutanten, General der Infanterie Frhrn. v. Bilfinger, folgendes Handschreiben gerichtet: „Mein lieber Generaladjutant, General der Infanterie Freiherr v. Bilfinger I Es ist Ihnen vergönnt, heute den Tag zu feiern, an dem Sie vor nunmehr 50 Jahren in die Armee eingetreten sind. Sie haben in dieser langen militärischen Laufbahn der Armee in den verschiedensten Dienststellungen und mir als mein diensttuender Generaladjutant gleich ausgezeichnete Dienste geleistet. Es ist mir daher ein ganz besonderes Bedürfnis, Ihnen an Ihrem Ehrentage mit herzlichen Glückwünschen meinen wärmsten Dank noch besonders dadurch zu betätigen, daß ich Ihnen — dem im Krieg und Frieden hochbewährten Offizier — das Großkreuz des Militärverdienstordens verleihe. Mitder Versicherung meiner wohlgeneigten Gesinnungen verbleibe Ich, mein lieber Generaladjutant,Meneral der Infanterie FreiherrvonBilfinger,JhrgnädigerKönig Wilhelm."
Stuttgart, 24. April. Der Termin für die Anmeldung der Kandidaten zur Stuttgarter Stadtvorstandswahl geht am 26. ds. zu Ende. In Kreisen, die es wissen können, wird die Zahl der bis jetzt schon vorliegenden Anmeldungen auf 16 angegeben. Wenn man nach außen hin auch wenig davon merkt, so trist innerhalb der politischen Parteien doch schon eine rege Agitation für die eine oder andere Persönlichkeit zutage. In kleinem Kreise hat der eine oder andere Kandidat auch schon sein Programm entwickelt. Die Stellung der einzelnen Parteien ist natürlich noch vollständig reserviert, nur soviel scheint festzusteheu, daß die Sozialdemokratie auf die Aufstellung eines eigenen Kandidaten verzichten will, um ihre Stimmen in die Wagschale desjenigen zu werfen, der ihnen durch seine Zugeständnisse am genehmsten erscheint.
— Nachdem vor kurzem ein Oberleutnant und zwei Leutnants des 'württ. Armeekorps zur Dienstleistung bei preußischen Jnfanterieregimentern kommandiert worden sind, sollen demnächst weitere Kommandierungen junger württembergischer Infanterie-Offiziere nach Preußen erfolgen. Die Ver
anlassung zu diesen Kommandierungen liegt in dem Umstand, daß bei unseren württembergischen Jnfanterieregimentern sämtliche Leutnantstellen besetzt sind und infolge des reichlichen Nachersatzes die gegenwärtigen Fähnriche und Fahnenjunker in den nächsten Jahren längere Zeit auf ihre Beförderung zum Leutnant zu warten hätten, während bei der preußischen Infanterie nach den Aeußerungen des Kriegsministers im Reichstag zurzeit etwa 600 Leutnantsstellen unbesetzt sind.
! Stuttgart, 25. April. Vor dem Disziplinar- , Gerichtshof für Körperschaftsbeamte fand gestern j die Verhandlung gegen den Schultheißen Bock von Weilimdorf statt. Auf Grund des Ergebnisses erklärte Schultheiß Bock, daß er von seinem Amt als Ortsvorsteher unter Verzicht auf Titel, Gehalt und Pensionsanspruch zurücktrete. Hierauf beschloß der Gerichtshof, das Verfahren einzustellen und Bock zur Tragung der Kosten,des Verfahrens zu verurteilen.
Eßlingen a. N., 24. April. Der 48 Jahre alte Hausvater Jäger von der hiesigen „Herberge zur Heimat" wurde von dem 27 Jahre alten Schmiedegesellen Anton Schmidt von Laukheim in Oberfranken, der wegen ungebührlichen Benehmens von dem Herbergvater aus dem Hause gewiesen worden war, durch einen Revolverschuß in den Unterleib so schwer verletzt, daß Jäger auf dem Transport ins Krankenhaus starb. Der Täter ergriff die Flucht, wurde aber eingeholt und vom Publikum so empfindlich gezüchtigt, daß er ins Krankenhaus gebracht werden mußte.
Möck mühl , 23. April. Infolge der Ernennung der Generalin v. Alvensleben, geb. v. Berlichingen, zur Oberhofmeisterin bei der Kaiserin wird ein altes Wahrzeichen der Stadt Möckmühl, die Götzenburg. dem Verkauf ausgesetzt. Das 1902 von dem früheren komm. General v. Alvensleben in spätgothischen Formen neu aufgebaute Schloß wird Götzenburg genannt, weil in dem 29 Meter hohen Burgfried, dem Götzenturm, einst der bekannte Götz von Berlichingen als würlt. Amtmann saß.
Marbach a. N., 24. April. (Strafkammer). Eine gewerbsmäßige, jahrelang ausgeübte Wilderei hat vor der Strafkammer Gefängnisstrafen von 10 Monaten bis-2 Wochen für Väter und Söhne angesehener Kleinbottwarer Familien eingebracht. Die in Fleisch und Blut sitzende Lust am Jagen ging so weit, daß in einer Waldküche im ausgedehnten Forst Hasen gebraten und verspeist wurden.
Freudensladt, 25. April. Seit Samstag weilten Herzog Robert von Württemberg mit Gemahlin, Herzog Ulrich von Württemberg und Baron v. Gemmingen auf dem Kniebis im „Lamm", um der Auerhahnjagd obzuliegen. Sie kehrten heute früh mit ihrer Jagdbeute uach Stuttgart zurück. — Seit einigen Tagen weilt auch der bisherige Generaladjutant des Königs, General der Infanterie, Freiherr v. Bilfinger, hier. Er hat mit seiner Gemahlin, seiner Tochter und seinem Schwiegersohn, dem Grafen Degenfeld mit Familie, im Hotel Post Absteigquartier genommen.
Heilbronn, 24. April. Im hies. Schwurgericht trug sich am Freitag ein merkwürdiger Zwischenfall zu. Es ertönte plötzlich aus dem Zuhörerraum eine Stimme, die in etwas allzu lautem Flüstertöne einem Geschworenen zuraunte: „Der Angeklagte ist mein Schwager". Der Vorsitzende rügte diese Beeinflussung und eröffnete die nächste Sitzung mit folgender Ansprache: „Der Zuhörer, der einem Geschworenen zurief, „der Angeklagte ist mein Schwager", ist ermittelt, es ist der Schultheiß von Diembach (ein Ort im Bezirk Weinsberg). Es ist doppelt bedauerlich, daß es ein Ortsvorsteher gewesen ist, der versucht hat, einen Geschworenen durch das Ansehen seiner Person zur Rechtsbeugung zu veranlassen. Die Unterstellung, daß
ein Geschworener sich werde beeinflussen lassen, ist so unerhört, daß ich nur mein lebhaftes Bedauern über den Vorfall aussprechen kann. Ein Ortsvorsteher hätte sich vermöge seiner Stellung und Vorbildung sagen müssen, daß hier ohne Ansehen der Person gerichtet werden muß, und daß der schamlose Versuch einer Beeinflussung aussichtslos sein werde. Damit halte ich diese Sache an dieser Stelle für erledigt."
Heilbronn, 25. April. Gegen den wegen Gattenmords angeklagten Lokomotivheizer Schlechter wurde heute das Urteil gefällt, das auf Todesstrafe dauernden Ehrverlust und Tragung der Kosten lautet.
Heilbronn a N., 22. April. Stadtbaurat Keppler hier hat das Projekt einer Drahtseilbahn aus den Wamberg ausgearbeitet. Die gesamten Anlagekosten sind auf 200 000 Mk. veranschlagt.
Pforzheim, 25. April. Vom Sonntag zum Mpntag wurde ein großer Teil der Enzfijche vergiftet. Heute vormittag wurden an der Straße zwischen Pforzheim und,Enzberg zirka 20 Zentner tote Fische aus der Enz gezogen. Bis jetzt ist noch nicht bekannt, woher die Vergiftung rührt, doch wird der Vermutung Ausdruck gegeben, daß verdorbene Stoffe aus einer hiesigen Fabrik in die Enz geleitet wurden. Näheres wird die Untersuchung ergeben. — Gestern nachmittag kamen auf dem hiesigen Bahnhof ein großer Transport Schlachtvieh und Schweine aus Norddeutschland an, die dort schon am Freitag eingeladen waren Beim Oeffnen der Wagen fand man 11 Schweine und einen Ochsen tot vor. Nach Verbringung in den Schlachthof gingen nochmals einige Schweine ein. Die Tiere waren auf dem großen Transport ohne Wasser geblieben.
Magdeburg, 25- April. Wie die Magdeburger Zeitung aus Blankenburg am Harz meldet, ist dort in der vergangenen Nacht das Hotel „Fürstenhof" vollständig niedergebrannt. Der Inhaber und das Personal haben nur das Notwendigste gerettet.
Berlin, 22. April. Gegen den Schatzmeister des deutschen Frauenvereins vom roten Kreuz für die Kolonien, Ingenieur und Baumeister des Berliner Magistrats Hugo Wölfer, ist bei der Kriminalpolizei Anzeige erstattet worden, während 10 Jahren 200 000 Mark ans der Vereinskasse veruntreut zu haben. Wölfer hält sich gegenwärtig in einem Sanatorium zu Lankwitz auf.
Berlin, 19. April. Zu dem deutschen Rundflug um den L.2.-Preis der Lüfte 'von 100 000 Mark, der vom Verlag Ullstein und Comp, gestiftet worden ist, hat, wie die genannte Firma mitteilt, das preußische Kriegsministerium zwei Zusatzpreise bewilligt. Die Preise bestehen in Geldsummen von 5000 und 4000 Mk., deren Bedeutung wird aber dadurch erhöht, daß von der siegenden Fabrik ein Apparat angekauft werden soll, der besonderen Anforderungen an Kriegsbrauchbarkeit entspricht. Die Ausschreibungen zu dem Rundflug, der auch von zahlreichen deutschen Städten mit sehr namhaften Etappenpreisen ausgestattet ist, werden in den nächsten Tagen nach Genehmigung durch den deutschen Luftschifferverband veröffentlicht werden. Der Rundflug, der am 11. Juli in Berlin beginnen soll, wird aller Voraussicht nach die Städte Magdeburg, Hamburg, Kiel, Schwerin, Hannover, Münster, Düsseldorf, Köln, Aachen, Duisburg, Dortmund, Kassel, Nordhausen, Halberstadt und Dessau berühren.
— Der Bundesrat hat das von der Genfer Kursaalgesellschaft unter dem Namen „Cercle des Etrangers" betriebene Spielhaus im Kursaal in Genf geschlossen. Das eidgenössische Justizdepartement wurde außerdem beauftragt, eine Untersuchung darüber anzustellen, ob nicht auch das an verschiedenen