Bingen wurde mit einem Legat von 750000 Mk. bedacht. Der Verstorbene hat bestimmt, daß das übrige Vermögen — zunächst durch Direktor Giers- berg — noch 30 Jahre lang verwaltet und erst dann zur Verteilung gebracht werden soll.
Genf, 15. Jan. Der König von Württemberg hatte hier auf der Durchfahrt nach dem Süden einen Aufenthalt von etwa 25 Minuten, über den die Tribüne de Gensvs einen längeren Bericht bringt. Nachdem der König feinen Salonwagen verlassen hatte, wurde ihm von dem Töchterchen des Besitzers des Hotel Richemond, Hrn. A. R. Armleder, eines aus Rottweil gebürtigen schwäbischen Landsmanns, ein Blumenstrauß mit Bändern in den württemb. Landesfarben überreicht. Der König zeigte sich sehr erfreut und unterhielt sich freundlich mit dem Kind.
Lokales.
Wildbad, 21. Jan. Durch eine Zuschrift an die Redakt. ds. Bl. vom 20. ds. Mts. teilt uns Herr Landtagsabgeordneter Wasner mit, daß er den von den Gemeindekollegien gegen den geplanten Abortneubau eingereichten Protest als berechtigt anerkenne u. deshalb, soweit er hiezu in der Lage sei, sich ebenfalls gegen die Erstellung des Abortneubaus an dem vorgesehenen Platze wenoen werde. Auch erklärte sich Herr Wasner in dankenswerter Weise bereit einer in der Sache etwa abzuhaltenden Versammlung beizuwohnen.
:: Wildbad, 2t. Jan. „Favorit" und „Die 3 arabischen Prinzessinnen" sinddie beidenZugfilms der morgigen Vorstellung im „KinematografUni- o n"! Auch Naturfreunde kommen auf ihre ! Rechnung durch eine Bilderreise von,, Lugano nach Ponte Tresa" „Lenchens Geburtstag" ist eine Handlung aus dem Leben und „Gestohlene Stiefel, bezahlte Stiefel", „Im Wald und auf l er Heide" und „Lotti und Mizzi besuchen die kranke Tante" sind Bilder die dazu angetan sind, das Publikum in heiterer Stimmung zu erhalten. — Ein Besuch am morgigen Sonntag lohnt sich gewiß.
SenttMiamarseda» v. baezeler.
Graf Haeseler, der jetzt 75jährige (geb. 19. Januar 1836), ist zweifelsohne unter allen deutschen Militärs unserer Zeit derjenige, von dem die meisten Anekdoten im Umlaufe sind, und bei dem originellen Wesen des Grafen, seiner nie versagenden Schlagfertigkeit, seiner guten Laune, die auch über das Schwerste hinwegkommt, dürfen die meisten auf Wahrheit Anspruch erheben. Schon um seine Verwundung im französischen Krieg hat sich die Sage gesponnen. Es hieß, er sei kugelfest, da kein Geschoßregen ihn vom Platze bringen konnte. Einmal, es war am 10. August 1870, tauchte in Frescaty eine Ulanenpatrouille auf. Man bemerkte sie und verfolgte sie mit rasender Schnelligkeit. Der führende Generalstäbler erhielt vier Schüsse. Trotzdem ritt er weiter, als wenn ihm nichts zugestoßen wäre. Die vier Chassepotkugeln hatten ihm drei Rippen zerschmettert, Gaumen und Zähne ausgerissen, den linken Lungenflügel zweimal durchbohrt und das linke Schienbein durchbrochen Der Offizier war Graf Haeseler. Daraus ergab sich die Erzählung, der Graf sei zwar geheilt worden, aber nun habe er nur noch einen Lungenflügel, die Rippen seien durch silberne ersetzt, Gaumen und Gebiß beständen aus Kautschuk, die Kniescheibe aus Gold. Für eine Bestätigung wurde gehalten, daß der Graf in strenger Diät sich von Aepfeln und Milch nährte, etwas nach links geneigt geht, trotz seiner Größe nur niedrige Pferde reitet und mit einer kleinen Fußtreppe den Gaul bestieg.
Eine der hübschesten Haeseler-Anekdoten erzählt, wie unser Kaiser den Korpskommandanten von Metz gefangen nehmen wollte. Friedrich Sporleder berichtet sie in seinem Büchlein der Haeseler-Anekdoten folgendermaßen: Der Monarch sollte gewettet haben, er werde den Alten schon kriegen. Es war bei den Mai-Uebungen, der Kaiser führte die Roten, Graf Haeseler die Blauen und verteidigte die Höhen des Forts Kaiserin gegen den anrückenden Monarchen. Plötzlich brummt „Exzellenz Gottlieb": „Was ist das schon wieder für eine unvorsichtige Kavalleriepatrouille, die Kerls haben es, glaube ich, auf mich abgesehen. Schreiben Sie mal den Namen des Regiments auf." Der schneidige Generalstabsoffizier galoppierte mit einem halben Zuge Kavallerie hinter der Offizierspatrouille her, da strauchelte das Pferd des letzten Mannes und stürzte. Der Generalstäbler hatte eine längere Unterredung mit ihm und sauste wie der Blitz zurück. Nun wußte Haeseler Bescheid. Kurze Erklärung seiner Absicht, und der ganze Stab ritt, wie eine dichte Wolke den Grafen umgebend, direkt auf die vor dem Feinde liegende Ferme Leipzig zu. Hier verließ Graf Haeseler unbemerkt den Stab und stellte sein Pferd ein. Ein paar Minuten
später rollte aus dem Tore ein Wagen, auf dem Strohbündel und alte Säcke lagen. Direkt am Kaiser fuhr der Wagen durch und hielt einige Schritte hinter ihm. „Meine Herren, jetzt haben wir, glaube ich, Exzellenz Haeseler eingekreist. Es liegt mir daran, seiner Person habhaft zu werden. Allons Marsch I" Fort war die Suite. Graf Haeseler krappelte plötzlich zum größten Gaudium der hrer lagernden Truppen unter den Säcken hervor und kletterte vom Wagen herab. „Was sind das hier für Truppen?" fragte er den hier haltenden General. „Auf Befehl Seiner Majestät außer Gefecht gesetzt!" „Hahaha", lachte der Graf. „Herr General, auf meine Verantwortung treten Sie den Marsch in den Rücken der roten Armee an. Keine Widerrede". Der Kaiser war wie aus den Wolken gefallen, als er in seinem Rücken Vormarschsignale hörte. Schwärmen! Die Gläser richteten sich auf diese „wohl toll" gewordene Gesellschaft. Im gleichen Moment machte die blaue Armee einen Vorstoß, und Majestät befand sich derärt in der Klemme, daß er „das Ganze halt" blasen ließ. Als er dann das Ulanenstückchen der alten Exzellenz erfuhr, soll er gelacht haben, daß ihm die Tränen über die Wangen liefen.
Nicht mehr allgemein bekannt dürfte sein, wie Haeseler die Festung Metz verließ, die er zu einer uneinnehmbaren hatte machen wollen. Am 20. Juni 1902 stürzte er auf dem Exerzierplätze Frescaty mit dem Pferd und brach den linken Unterschenkel. Von September an fuhr er, in einer Kutsche sitzend und die Krücken benutzend, zu den Uebungen. Am 12. September saß er bereits wieder m Pferde. Aber dann kam im nächsten Mai eine Blinddarmentzündung und der Kaiser genehmigte sein Abschiedsgesuch. Auch auf Haeselers Ruhesitz in Harnekop umspinnen ihn immer noch launige Geschichtchen. Es kam einmal ein höherer Offizier nach Harnekop und wollte sich anmelden. Der Diener bedauerte, der Graf sei auf dem Felde und der Besucher wollte ihn dort aufsuchen. Nach verschiedenem Hin und Her gelangte der Besucher an einen Kartoffelacker, auf dem eine Anzahl Arbeiter Kartoffeln ausmachten. Der Besucher wollte seinen Augen nicht trauen, als er unter ihnen den Grafen bemerkte, der im Schweiße seines Angesichts mit den Arbeitern um die Wette arbeitet. Mit vollendeter Höflichkeit und echter Herzlichkeit begrüßte Exzellenz Gottlieb den Ankommenden, bedauerte aber, augenblicklich gar keine Zeit und diese erst nach Schluß der Arbeit zu haben. Was war die Veranlassung, daß der Feldmarschall selbst die Kartoffelhacke schwang? Seine Arbeiter hatten ihn um eine Lohnerhöhung gebeten, die Arbeit sei schwierig und sie kämen nicht auf ihre Rechnung. Graf Haeseler erwiderte ihnen: ehe er einer Lohnerhöhung zustimme, wolle er sich selbst davon überzeugen, ob diese Arbeit gut oder schlecht hezahlt sei. Der 70jährige fing mit ihnen des Morgens an zu arbeiten, hielt seine Pausen wie die Arbeiter und aß, was die Leute zum Essen erhielten. Den ganzen Tag führte er diese für einen kommandierenden General gewiß seltsame Arbeit aus. Als er am Abend mit den Arbeitern zusammen seinen Karst aus der Hand legte, sagte er zu ihnen: „Ihr habt recht. Die Arbeit ist zu gering bezahlt, ihr bekommt eine Lohnerhöhung!"
Wnterhal.'tenöes
Zur Köße.
Erzählung von Elsbeth Borchart.
(Forts.) (Nachdruck verboten.)
Unter diesen Getreuen war auch Thea, mit der Jia einen lebhaften Verkehr unterhielt, und deren Verwendung und Empfehlung sie es größtenteils zu danken hatte, daß ihr Wirkungskreis stetig wuchs.
Leider mußte sie bald die Freundin verlieren Könningen war richtig in einem kleinen Nest Amtsrichter geworden und wollte seine Thea haben. Deshalb wurde die Hochzeit beschleunigt und Thea reiste glückstrahlend mit ihrem Manne ab.
Seitdem verband sie ein reger Briefwechsel der Jsa wenigstens etwas für den Verlust entschädigte.
Sonst führten sie ein sehr zurückgezogenes Leben. Jsa ging fleißig ihrem Beruf nach, und freute sich, wenn sie von dem selbstverdienten Gelds der Mutter eine Freude machen oder Axel einen Herzenswunsch erfüllen konnte.
Nur — wenn sie offen und ehrlich sein wollte — recht befriedigt fühlte sie sich trotzdem nicht. Ihr Gefft drängte nach etwas Höherem, als tag- au», tagein oft wenig talentierten Kindern das ABC des Klavierspiels einzupauken oder ungelenken, spröden Stimmen die notwendige Schulung beizubringen. Denn die wirklichen Talente, die es wahrhaft ernst mit ihrer Kunst nehmen, wählen
zu ihrer Lehrmeisterin selten eine junge Anfängerin, sondern eine Sängerin von Ruf und Beruf.
In dieser Zeit, als sie zum erstenmal zum Bewußtsein ihres Unbefriedigtseins kam, etwa dreiviertel Jahr nach ihres Vaters Tode, nahte sich ihr eine Versuchung, die sie mit einem Schlage daraus hätte befreien können.
Sie war gerade auf dem Nachhausewege von einer Unterrichtsstunde, als ihr der alte SanitätSrat Hartwig begegnete. Schon von weitem schwenkte er den Hut.
„Liebe Jsa, könnten Sie mir ein Viertelstündchen Ihrer kostbaren Zeit opfern?" fragte er. —
„Gewiß, Onkel Hartwig, kommen Sie mit mir nach Haufe.
Nein, nicht nach Hause — ich will Sie allein sprechen."
„Allein?"
„Ja, wir sind hier am Tiergarten, lassen Sie uns hineingehen."
„Onkel Hartwig, Sie erschrecken mich, es ist doch nichts passiert — meiner Mutter ist doch nichts —"
„Nein, nein, feien Sie ohne Sorgen — es handelt sich um andere Dinge, die ich schon längst mit Ihnen besprechen wollte. — Sie müssen es dem alten Hausfreund zu gut halten, wenn er an Geschichten rührt — die —"
„Onkel Hartwig!"
„Still, Kind — es muß einmal gesagt werden. Kurz vor seinem Tod erzählte mir Ihr Vater alles — ich habe Sie bewundert damals — und auch verstanden von dem Standpunkt Ihrer reinen Tugendhöhe aus — doch, wir Männer — wir urteilen und richten nicht so streng - wir kennen die Welt — aus Erfahrungen, aus der Praxis. Sehen Sie — darum lassen wir mildernde Umstände gelten. Es kann mancher einen Jugendirrtum begehen und doch ein guter, edler Hausvater werden — ich habe da? mehr als einmal erfahren. — Das wollte ich Ihnen zu denken geben, Jsa."
„Wozu, Onkel Hartwig?" erwiderte Jsa mit leichter Erregung, aber ruhiger Stimme. „Das hat keinen Zweck mehr."
„Sie wollen damit sagen, daß sie vollständig verzichten wollen?"
„Ja"
„So hätte mein Klient nicht die geringsten Chaucen mehr?"
„Ihr Klient? Sprechen Sie etwa in seinem Namen?"
„Gewissermaßen, ja. Ich traf ihn zufällig — er weiß, daß ich Ihr Freund bin — er legte mir seine Gefühle klar — kurz und gut — er wünscht nichts sehnlicher, als sich Ihnen wieder nähern zu dürfen."
„Mein Gott, nein — das geht ja nicht —" rief sie erschrocken.
„Fürchten Sie nichts — er würde es nicht ohne Ihren Wunsch tun, aber er hofft, daß Sie
— daß Ihre Zuneigung noch nicht ganz erstorben, ist, daß Sie —"
„Niemals!" viel sie bebend ein.
„Warum nicht, Jsa — ? Bedenken Sie, was Sie aufgeben wollen, bedenken Sie, daß Sie mit einem Schlage aus der Misere Ihres jetzigen Lebens gerissen werden — daß Sie damit Mutter und Bruder —"
„Nicht weiter, bitte — nicht weiter!"
Er sah sie traurig an.
„Jsa, wenn Sie auf solchem Standpunkt stehen, werden Sie wohl einsam auf Ihrer Höhe bleiben."
„Einsam?" Sie meinen «unverheiratet. Besteht denn das Glück des Lebens einzig in der Ehe?"
„Liebe und Ehe ist der Frauen ureigenster höchster Beruf."
„Dann stehe ich allerdings auf einem anderen Standpunkt, Onkel Hartwig. Die Zeiten sind. Gottlob, vorüber, wo ein Mädchen ängstlich danach trachten muß unter die Haube zu kommen, und wo es eine Schande war, sitzen zu bleiben. Jetzt gibt es andere höhere Ziele, für uns, und ich will gern alte Jungfer werden, wenn ich nur eins von diesen Zielen erreiche. Aber daß ich mich von meiner jetzigen Lage beeinflussen lassen sollte, meine Grundsätze zu ändern, — das — das haben Sie doch selbst nicht geglaubt, Onkel Hartwig."
Sie war heiß vor Erregung geworden, aber der alte Sanitätsrat schüttelte den Kopf.
„Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort.
— Erst später wird es Ihnen fühlbar werden, was es heißt, niemand zu besitzen, der Ihnen nahe steht, für niemand sorgen, niemand lieben zu können und von niemand geliebt zu werden. Doch ich will Sie nicht beeinflussen, nur bitten möchte ich Sie, sich noch einmal ernstlich zu prüfen. Was Sie auch wählen mögen, vergessen Sie nie, daß