Amtsblatt
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Hiezu: Illustriertes Sonnlagsblatk und mährend der Saison: Amtliche Fremdenlist v.
M. 9 I
Samstag, den 21. Januar 1911
47. Jahrgang.
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Stuttgart, 19. Jan. In der heute nicht öffentlichen Sitzung des Gemeinderats teilte Oberbürgermeister von Gauß mit, daß er aus Gesundheitsrücksichten den Rücktritt von seinem Amt auf 1. April d. I. angesagt habe.
Stuttgart, 17. Jan. Mit der Gehaltsneuordnung hängt, wie der „Staatsanzeiger" mit-, teilt, noch der Nachtrag zu den Grundsätzen über die Gehaltsvorrückung nach Dienstaltersstufen zu-; sammen, der am Schluffe von Heft 1 des Etatentwurfs für 1911/12 enthalten ist. Er bringt die Erfüllung eines langjährigen Wunsches der Militäranwärter, indem nunmehr die Anrechnung von Militärdienstzeit auf das Besoldungsdienstalter nach dem Vorgang im Reich und in anderen Bundesstaaten auch in Württemberg eingeführt werden soll. Hienach wird den Militäranwärtern nach 9jähriger Dienstzeit im Heer oder in der Marine bei der ersten etatsmäßigen Anstellung die Militär- und Marinedienstzeit, soweit sie 12 Jahre übersteigt, bis zu drei Jahren, im übrigen mit einem Jahr auf das Besoldungsdienstalter angerechnet. Der Militärdienstzeit ist, außer dem Dienst bei den Schutz- und Polizeitruppen oder als Zoll- und Grenzaufseher in den Schutzgebieten, der Dienst im Landjägerkorps gleichgestellt, und ferner ist für die Strafanstaltsaufseher, Grenz- auffeher und Forstwarte bei ihrem Uebertritt in andere Beamtenklassen die gleiche Vergünstigung vorgesehen. ,Die Bestimmungen haben rückwirkende. Kraft^Vöch^ sollen Gehaltsnachzahlungen nicht stattfinden. Der Mehraufwand für die Staatskasse durch diese Maßregel ist auf 77 000 Mk. veranschlagt.
— Während der Verkaufstag der „Blume der Barmherzigkeit" im allgemeinen auf den Tag der silbernen Hochzeit des Königspaares, Samstag den 8. April, festgesetzt worden ist, hat man in manchen Gegenden.aus sachlichen Gründen einen andern Tag ins Auge gefaßt. So ist in Ravensburg für die Stadt und die Landgemeinden nicht ein Werktag, sondern ein Sonntag der 2. April bestimmt worden. In der gleichen Angelegenheit erhält der „Staatsanzeiger" eine Zuschrift vom Unterland, in der ausgeführt ist; Din Werktag ist für die Veranstaltung im allgemeinen ungeeignet, besonders aber für kleinere und kleine Städte und für das platte Land. Wer im Arbeitskittel steckt, hat nicht gerade Lust, das Knopfloch mit einer Blume zu zieren. Sollten Hindernisse vorliegen, den Verkauf auf Sonntag 2. oder Sonntag 9. April zu legen, so nehme man den Ostermontag. Das ist ein Tag, an welchem alles auf den Beinen ist und schon die Osterfreude anregend wirkt.
Stuttgart, 16. Jan. An dem Unterrichtskurs für Verwaltungskandidaten konnten bisher nur etwa 70 Kandidaten teilnehmen, was dem Bedürfnis längst nicht mehr entsprach. Im Winter 1909/10 wurde daher erstmals ein Doppelkurs eingerichtet, der zusammen von 141 Kandidaten besucht war. Die Kosten des Doppelkurses wurden dadurch gedeckt, daß von allen Teilnehmern ein Unterrichtsgeld von 25 Mark erhoben wurde. Da auch in Zukunft bis ans weiteres ein Bedürfnis für den Doppelkurs vorhanden sein wird, soll der Doppelkurs beibehalten werden; die Erhebung eines Unterrichtsgeldes erscheint um so mehr gerechtfertigt, als es sich hier nicht vorwiegend um Heranbildung von Staatsbeamten handelt, auch früher die wegen Platzmangels zurückgewiesenen Kandidaten für den Besuch von Privatkursen erheblich mehr aufzuwenden hatten. Bedürftige werden auf Ansuchen befreit.
Stuttgart, 19. Jan. Die Landtagsfraktwn der Deutschen Partei hat sich entsprechend der Bezeichnung der Partei im Lande, den Namen „Nationalliberale — Deutsche — Partei" gebeben.
Marbach, 19. Jan. Der rohe und allgemein gefürchtete 27 Jahre alte Hausierer Alwin Wittich von Großbottwar hat am 2. Oktober v. I. abends zwischen 9 und 11 Uhr in Eutingen bei Pforzheim in einem Fremdenzimmer des Waldhorns der Luise Hofmann von Winzerhausen, mit der er ein Liebesverhältnis unterhielt, aus Eifersucht einen Stich in den rechten Oberschenkel versetzt, der die große Beinschlagader dnrchschnitt, wodurch durch langsames Verbluten der Tod der Verletzten herbeigeführt wurde. Wegen Körperverletzung mit nachgefolgtem Tod unter Versagung mildernder Umstände wurde der Angeklagte vom Schwurgericht Karlsruhe zu 4 Jahren Gefängnis verurteilt.!
Herrenalb, 20. Jan. Als eine eigenartige sportliche Veranstaltung soll am Sonntag den 22 ds. Mts. hier ein Rodelfest in den Nachmittagsstunden stattfinden; der Kurverein hat in Verbindung mit den Hotelbesitzern allerlei Ueberrasch- ungen für die besten Rodler vorbereitet. Die Albtalbahn wird für vermehrte Fahrgelegenheit Sorge tragen.
Maulbronn, 18. Jan. Das weithin bekannte Steinbruchgeschäft der Hofsteinmetzmeisters A. Burrer ist in den letzten Tagen durch Pacht an dessen seitherige Mitarbeiter, Kaufmann Späth und Werkführer Berner, übergegaagen.
Freudenstadt, 18. Jan. Der Winter ist Heuer im Schwarzwald prachtvoll und der Winterverkehr und das Wintersportsleben nehmen eine Ausdehnung au, die man vor einigen Jahren noch für unmöglich gehalten hätte. Jeden Tag treffen hier zahlreiche Wintergäste ein, um in unserer prächtigen Höhenluft der Erholung zu pflegen und sich dem Rodeln und Schneeschuhlaufen zu widmen. Gestern abend fand ein sehr gelungenes Rodelfest mit Illumination der benachbarten Villen usw. auf der Kienberg-Rodelbahn statt, am Abfahrtsplatz warteten zeitweise 50 und mehr vollbesetzte Schlitten.
Ulm, 18. Jan. Auf dem Schlachtfelde von Wörth ist im Jahre 1874 zum Andenken an die Gefallenen des 3. württembergischrn Jägerbataillons ein Denkmal errichtet worden, das durch den württembergischen Kriegerbund vor 2 Jahren mit gärtnerischen Anlagen versehen wurde. Da die Eigentumsverhältnisse an dem Grund und Boden, aus dem die Denkmalsanlage steht, insofern nicht ganz einwandfrei waren, als trotz der käuflichen Erwerbung des Grundstücks im Grundbuch von Fröschweiler niemand als Eigentümer eingetragen war, ist von den Offizieren des 3. Bataillons vom hiesigen Grenadier-Regiment ein Denkmalschutzverein ins Leben gerufen worden. Dieser Verein hat nun in unanfechtbarer Form das Eigentumsrecht an dem Grundstück feststellen und sich als Eigentümer ins Grundbuch eintragen lassen, auch die gärtnerischen Anlagen erworben, um so den Bestand des Denkmals auf absehbare Zeit zu sichern.
Ebingen, 16. Jau. Der durch die zwei letzten Großfeuer verursachte Brandschaden wird vorläufig auf 400 000 Mk. geschätzt. Für drei Familien und einige Arbeiterinnen ist eine Hilfsaktion eingeleitet worden.
Tübingen, 16. Jan. Wenn man auch nicht alles machen kann, was man will und in der fidelen Bierlaune möchte, so hat der Student hier in der kleinen Universitätsstadt doch viel Freiheit und mit Geldstrafen wird manches geahndet, was sonst nicht ganz so milde angesehen wird. Der Anzeigen und Geldstrafen sind allerdings viel, so im vorigen Jahr 2500, und es wurden Geldstrafen in Höhe von 7000 Mk. angesetzt. Hast in 37 Fällen zusammen 41 Tage. Verweise wurden in fünf Fällen erteilt. Lauter Studenten waren es natürlich nicht, die die Polizei beschäftigten, aber doch sicher drei Viertel. 7000 Mk. Polizeistrafen,
das ist für ein Städtchen wie Tübingen ein ganz hübscher Posten.
Vom Fränkischen, 15. Jan. In einem fränkischen Dorfe litt in letzter Zeit eine junge Frau häufig an Kopfweh, aber ein Mittel, es zu vertreiben, konnte sie nicht finden. Zigeunerinnen, die eines Tages das Dorf abgrasten, empfahlen ihr ein wirksames Mittel, auf welches die junge Frau hereinfiel. Sie nahmen einen eisernen Kochtopf, stülpten ihn der Frau über den Kopf und trommelten mit einem Kochlöffel fest darauf los, daß der Zugedeckten Hören und Sehen verging. Währenddem räumte eine der Zigeunerinnen Geld und Ringe weg, auch die Rocktaschen der^Frau wurden visitiert. Außerdem kostete die Behandlung noch einige Batzen. Der jungen Frau soll nun aus lange Zeit das Kopfweh vergangen sein.
— Dem „Schw. Merk." wird geschrieben: „In Pforzhein beschäftigt man sich fortwährend mit der Frage der Nutzbarmachung der Wasserkräfte. Die Nagold, die Enz unterhalb der Stadt und das obere Enztal werden ins Auge gefaßt. Man rechnet aus 1700 ?8. Schwierigkeiten erwachsen daraus, daß das Projekt z. T. aus württ. Gebiet liegt doch wird gerühmt, daß das württ. Ministerium, die Kreisvegierung und das Oberamt Neuenbürg der Sache Sympathie entgegenbringen, weil sie von der Ansicht ausgehen, daß das Unternehmen Pforzheims auch der Arbeiterschaft der württ. Nachbarorte nützt. Anderseits aber habe Württemberg seine eigenen Interessen zu wahren.
Mannheim, 18. Jan. Am 5. November erschien nachts auf der Polizeiwache ein junger Mann und machte die Anzeige, daß er, während er im Schloßgarten mit einem Mädchen spazieren gegaugen, von einem Unbekannten überfallen worden sei. Ein Kriminalbeamter begab sich sofort mit dem jungen Manne nach dem Schloßgarten, woselbst sie auch das Individuum antrafen, welches den Ueberfall ausgesührt hatte. Der Kriminalbeamte wollte den Menschen verhaften, erhielt von ihm aber einen derart wuchtigen Schlag auf den Kopf, daß er bewußtlos zusammenbrach. Einige Tage darnach wurde der Täter in der Person des 43 Jahre alten Taglöhners K. Reichert aus Seckach ermittelt und verhaftet. Es wurde ihm dann nicht nur jener eine Ueberfall, sondern 16 weitere Ueber- fälle nachgewiesen, bei denen er im Schloßgarten Liebespärchen angriff, den Liebhaber zur Flucht zwang und dann die Mädchen vergewaltigte. Reichert stand jetzt wegen dieser Straftaten vor dem Schwurgericht. Er ist wegen Notzucht, räuberischer Erpressung und anderer Vergehen schon vorbestraft. Die Geschworenen bejahten unter Versagung mildernder Umstände sämtliche an sie gestellten Zchuldfragen, worauf Reichert zu 12 Jahren Zuchthaus, 10 Jahren Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt wurde.
Wiesbaden,19. Jan. Die Stadtverordneten beschlossen in geheimer Sitzung den Pacht für den Ratskeller, dessen Wirt in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist, von 22 000 auf 20000 Mark pro Jahr herabzusetzten, dagegen den Pacht für das Kurhaus-Restaurant von 53 000 auf 90 000 Mark zu erhöhen.
Bingen, 13. Jan. Das Testament des verstorbenen Kommerzienrats und Rittergutsbesitzers Karl Puricslli, der ohne direkte Erben verstorben ist, bestimmt daß der Direktor Giersberg, der schon seit Jahren die großen Werke und den Grundbesitz Puricellis verwaltete, ein Kapital von 200 000 Mark erhält, außer 100000 Mark, die er bei Puricellis siebzigstem Geburtstag erhalten hatte. Die Angestellten und Dienstboten des Verstorbenen erhalten für jedes Jahr, das sie sich im Dienste Puricellis befanden, 1500 Mark bis zum Höchstbetrage von 20000 Mark. Das Blindenheim in