licht eine Depesche aus St. Dis, die besagt, daß eine Schwadron deutscher Ulanen und das 160 Jnfanterie-Regimeut in der Gegend von Saales im Elsaß an die Grenze gerückt seien. Andere französische Depeschen wissen zu melden, das 3. und 10 Jägerbataillon seien mobilisiert worden. Als diese Nachrichten an denen nichts wahres ist, in Nancy und Luneville angeschlagen wurden, entstand eine ungeheure Aufregung, zumal die an der Grenze liegenden zwei französischen Regimenter Otm88snrs ü sksvul versuchsweise mobilisiert worden waren. In Luneville wurde die Panik so groß daß die Bankhäuser und Sparkassen von einer Menge von Leuten förmlich belagert wurden, die ihre Einlagen zurückzogen. Die Kassen mußten nach Erschöpfung des Goldbestands in Silber aus­zahlen. Ein Bild hirnloser Aufregung zeigte Nancy, überhaupt das ganze vspartomont äs l'68t. Erst als Depeschen angeschlagen wurden, daß die Gerüchte erfunden seien, legte sich die Aufregung. Die Mobilisierung der französischen 6llL88suc8 L ellsvul (reitende Jäger) geht auf einen Manöverbefehl zurück.

Köln, 7. Nov. (Wie man versteckte Brief­schreiber fängt.) In einer kleinen Stadt am Rhein wurden einige angesehene Bürger durch Schmähbriefe verdächtigt. Trotz sorgfältiger Nachforschung gelang es nicht, den Briefschrei­bern auf die Spur zu kommen. Der mit der Untersuchung betraute Polizist griff nun, nach denMünch. N. N.", zu einem guten Mittel. Er kaufte eine Anzahl Briefbogen und Um­schläge mit bestimmten, aber wechselnden Was­serzeichen und ging damit im Städtchen hausieren. Jeden Käufer merkte er sich sorgfältig, ebenso die Art des gekauften Papieres. Nach einigen Tagen liefen beim Bürgermeister und Apotheker wieder zwei Schmähbriefe ein, und siehe da, sie waren auf dem gezeichneten Papier geschrie­ben. Es kamen sieben Personen in Betracht, die das mit dem eigentümlichen Wasserzeichen versehene Papier gekauft hatten, und am ver­dächtigsten von diesen erschien eine ihrer Orts­und Familienkenntniffe und ihres bösen Maules halber bekannte alte Jungfer. Eine gründliche Haussuchung bei dieser förderte reichlich Beweise zutage, daß sie die Verfasserin der Schmähbriefe war.

Berlin, 10. Nov. Der stellvertretende Staatssekretär v. Kiderlen - Wächter und der französische Botschafter Cambon haben heute im Auswärtigen Amt folgendes Uebereinkommen unterzeichnet: Die deutsche und die französische Regierung bedauern die Ereignisse, die sich in Casablanca am 25 Sept. d. I. zugetragen und die untergeordneten Organe zur Anwendung von Gewalt und zu ärgerlichen Tätlichkeiten geführt haben. Sie beschließen, die Gesamtheit der hiebei entstandenen Fragen einem Schieds­gericht zu unterbreiten. In beiderseitigem Ein­vernehmen verpflichtet sich jede der beiden Regierungen, ihr Bedauern über die Handlungen dieser Organe in Gemäßheit des Spruchs aus­zusprechen, den die Schiedsrichter über den Tatbestand und die Rechtsfrage abgeben werden.

Berlin, 10. Nov. (Reichstag). Auf der Tagesordnung stehen die Interpellationen betr. die Veröffentlichung des Kaiserinterviews im Daily Telegraph." Reichskanzler Fürst Bülow erklärt sich zur sofortigen Beantwortung der Interpellation bereit. Bassermann (nat.lib). begründet die Interpellation feiner Partei. Das Manuskript soll dem englischen Staatsministe­rium Vorgelegen haben. Die Kritik der Aenßer- ungen des Kaisers war im Ausland wie im Inland gleich ungünstig und zum Teil ver­nichtend. England wies das Liebeswerben zu­rück, da es den Versuch vermutete, daß Miß­trauen zwischen England, Frankreich und Rußland gesät werden solle. Der englische Stolz ist verletzt, da England vernimmt, daß ein deutscher Kriegsplan dem englischen Feldzug zu Grunde gelegen haben soll. Frankreich und Rußland empfinden schwer die Indiskretion über die vertraulichen Mitteilungen. Die Ma­rokkopolitik ist erschwert, China, Japan und Amerika sind erregt, da sie hören, daß unsere Flotte für den Stillen Ozean bestimmt fein soll. Die Beziehungen zu Japan sind gestört. Die Buren und Niederländer sind entrüstet über die Neutralitätsverletzung im Burenkrieg.

(Sehr richtig!) Das gesamte Ausland empfin­det es als eine schlechte Wahrung vertraulicher Verhandlungen; das Vertrauen in die deutsche Politik ist gemindert und der deutsche Handel ist schwer geschädigt. (Lebhafte Sehr richtig!) Ein nahezu einmütiger Widerspruch und ein starkes Mißvergnügen machen sich in den Bun­desstaaten über das Eingreifen Sr. Mas. des Kaisers in die answärtige Politik bemerkbar. (Lebh. Sehr richtig!) Ausländische Privatleute meint man, sind wenig geeignet, intime kaiser­liche . Mitteilungen entgegenzunehmen. Erst jüngst haben wir im Falle des Lord Tweed- mouth und des Botschafters Hill die schlechten Folgen der persönlichen Kritik erlebt. Die Patrioten sind in Sorge um das monarchisti­sche Prinzip. Der Kaiser soll nicht im Mittel­punkt einer absprecheuden Kritik stehen. Das deutsche Volk wünscht freundschaftliche Be­ziehungen zu England und hegt keinerlei Feindschaft gegen dasselbe. Unsere Flottenpoli­tik richtet sich nicht gegen England, wenn wir auch den Umfang unserer Rüstungeu selbst be­stimmen. Die alten Wunden aus dem Buren­krieg sind wieder aufgerissen worden. Die Mitteilung über das Ausarbeiten von Feld­zugsplänen schmerzt tief. Es muß entschieden Verwahrung eingelegt werden, daß die deutsche Flotte zur Weltpolitik im Stillen Ozean be­stimmt ist. Daran dachte niemand bei der Schaffung der Flotte. Wir wollen Friede und Freundschaft mit allen Völkern. Der Schwer­punkt liegt in den Gesprächen, nicht in der Veröffentlichung. Hier steht im Vordergrund die Anordnung, daß der Kriegsplan gegen die Buren vom Generalstab geprüft werden sollte, und ferner die Mitteilung der französisch-russi­schen Intervention im Burenkrieg an England. Sind diese Anordnungen unter der Verantwor­tung des Reichskanzlers erfolgt oder wird nachträglich die Verantwortung übernommen? Das Manuskript wurde dem Reichskanzler zur Prüfung aus dem kaiserlichen Hoflager über­sandt. Hier beginnt die Komödie der Irrungen, die uns den Spott des Auslands eingetragen hat. Die Anerkennung der Verdienste Bülows in der auswärtigen Politik kann nicht hindern, eine derartige Behandlung dieser englischen Ausarbeitung als durchaus verfehlt zu erklären. Wir wünschen die Amtsniederlegung Bülows nicht angesichts der inneren und äußeren Schwie­rigkeiten und der Möglichkeit eines unzureichen­den Ersatzes. Das persönliche Moment muß aus der deutschen Auswärtigen Politik unbe­dingt beseitigt werden, wenn nicht größere Schäden in Zukunft Eintreten sollen. Eine Erklärung seiner Majestät nach dieser Richtung hin könnte unsere Sorgen für die Zukunst mindern. Sodann ist eine bessere Information der allerhöchsten Stelle notwendig. Beweis: Aeußerungen des Kaisers über die deutsche Stimmung gegen England. Diese schwere Zeit erfordert eine genaue Information des Kaisers über die heutigen Verhandlungen, zumal da die Kenntnisnahme erschwert ist, da der Kaiser in der Ferne weilt. Wir fordern eine Reor­ganisation des Auswärtigen Amts, eine bessere Auswahl der Persouen im Auswärtigen Amt und in den Botschaften. Der Reichstag muß ein offenes Wort sprechen und eine Kritik üben, wenn sie auch nicht gefällt. Der Reichstag wird noch mehr tun müssen. Er wird in Zu­kunft schärfer achten auf die auswärtige Politik und feine eigenen Orientierungen durch Inter­pellationen herbeiführen. Weil wir wollen, daß zwischen dem Kaiser und dem Volk sich keine Kluft auftut, weil wir die Vaterlands­liebe des Monarchen und seine rastlose Arbeit um das Reich anerkennen, müssen wir wünschen und verlangen, daß der verantwortliche Minister die Geschäfte führt und damit der Kaiser aus­scheidet aus übler, nicht zu vermeidender Kritik. Eine Adresse kann ihre Wirkung haben, wenn sie gemeinsam durch die bürgerlichen Fraktionen erfolgt. Wir sind bereit dazu. Der Redner verliest darauf eine Kundgebung des Zentral­vorstands der nationalliberalen Partei, die am Sonntag einstimmig beschlossen wurde, in der die persönlichen Eingriffe des Kaisers in die auswärtige Politik verurteilt werden, da sie weder der Wohlfahrt des Reichs zuträglich seien, noch im Einklang mit den verfassungs­mäßigen Grundlagen stehen. Wir verlangen.

daß die heutigen Verhandlungen dem Kaiser ausführlich mitgeteilt werden. Sie werden ihren Einfluß nicht verfehlen. (Die Rede Bassermanns wurde wiederholt von Beifall und Zustimmung unterbrochen. , Zum Schluß wurde von der überwiegenden Mehrheit Bei­fall gespendet.)

Unter tiefer Bewegung führte Fürst Bülow im Reichstag ungefähr folgendes aus: Er wolle nicht neue/'Nachteile.'den' großen Schäden hinzufügen, die durch die Veröffent­lichung des Daily Telegraph bereits entstanden seien. Der Kaiser habe zu verschiedenen Zeiten und gegenüber verschiedenen Personen sich ge­äußert. Er, Fürst Bülow müsse bezweifeln, daß alle Einzelheiten der Unterredungen richtig wiedergegeben seien. Insbesondere handle es sich nicht um einen ausgearbeiteten detaillierten Feldzugsplan des Kaisers gegen die Buren, sondern um rein akademische theoretische Apho­rismen und Betrachtungen im allgemeinen (spöt­tisches Lachen bei den Sozialdemokraten, worauf Fürst Bülnw nachdrücklichen Tones den Ernst der Stunde u. der Zeiten in Erinnerung bringt). Von dem Generalftab sei niemals ein Feldzugs­plan gegen die Buren geprüft oder nach Eng­land weitergegeben worden. Deutschland habe keine zweideutige Politik gegen die Buren getrie­ben, sondern die Buren rechtzeitig gewarnt. Von einer Enthüllung könne bei der Daily Telegraph- Veröffentlichung keine Rede sein. Das wesent­liche sei bereits vorher durch die Mitteilungen der Deutschen Revue und der National-Review bekannt gewesen. Um in dem einzelnen Falle zu entscheiden, ob, wie behauptet worden sei, eine Indiskretion Vorgelegen habe durch die vertrauliche Mitteilungen der französisch-russi­schen Pläne nach England müßte mehr bekannt sein über den Fall. Es könnten Dinge voraus­gegangen sein, die eine vertrauliche briefliche Aeußerung des Kaisers mindestens erklärlich erscheinen lassen. Fürst Bülow betonte, das deutsche Volk will auf der Basis gegenseitiger Achtung friedliche und freundliche Beziehungen zum englischen Volk. In Ostasien denken wir nicht daran, uns auf maritime Abenteuer einzu­lassen. Seit zwei Jahrzenten sei der Kaiser unter sehr schwierigen Verhältnissen bemüht, freundschaftliche Beziehungen mit England her­beizuführen. Der Kaiser habe unentwegt an diesem Ziele festgehalten. Er, Fürst Bülow, verstehe, daß der Kaiser sich gekränkt fühlen müsse, durch Unterschiebung von Absichten in England, die er nicht hege. Seine UebEr­zeugung in diesen schweren Tagen habe dahin geführt, daß der Kaiser künftig auch in seinen Privutgesprächen sich diejenige Zurückhaltung auferlegen werde, die für die einheitliche Poli­tik und für die Autorität der Krone erforderlich sei. Wäre dem nicht so, so würde weder er, Fürst Bülow, noch sein Nachfolger, die Verantwortung tragen wollen. (Lebhafter Beifall beim Block.) Fürst Bülow sagte ferner, er übernehme die ganze Verantwortung für die Veröffentlichung und stehe dafür ein, daß sich das Vorkommnis nicht wiederhole. Der schwerste Entschluß sei ge­wesen, im Amte zu bleiben auf Verlangen des Kaisers. Er habe sich dazu entschlossen, unter den gegenwärtigen schwierigen ^Verhältnissen, um dem Kaiser und dem Lande zu dienen. Er sage das nicht sich zu Liebe, sondern für das Land. In diesem schwierigen Augenblick dürfe ein Unglück, ein Fehler, nicht zur Katastrophe gestempelt werden. Der Scha­den sei nicht so groß, daß er nicht wieder gut gemacht werden könnte. Fürst Bülow forderte schließlich Einmütigkeit, Besonnenheit und Würde dem Auslande gegenüber. Die kaum 20 Mi­nuten währende Rede, die Fürst Bülow mit Sicherheit vortrug, wurve von den National­liberalen und den Konservativen mit lebhaftem Beifall, von den Sozialdemokraten mit Zischen ausgenommen.

Die amerikanische MonatsschriftCentury Magazine", in der dasverhinderte" Kaiser- Interview hätte erscheinen sollen, erläßt folgende Bekanntmachung: Die Century Magazine Com­pagnie erklärt, daß der Artikel über den deutschen Kaiser aus der Feder von William Howard Hale vom Autor zurückgezogen wurde, da er der Ueberzeugung ist, daß in Anbetracht der