stärkste in der jetzigen Erdbebenperiode, die Bevölkerung des gesamten Vogtlands in Schrecken. Der Stoß, der die Einwohner aus den Betten trieb, war von lang anhaltendem Getöse und donnerähnlichem Rollen begleitet und bewirkte außerordentlich heftige Schwankungen. Die Erdstöße scheinen zwar an Zahl abzunehmen, aber an Stärke zu wachsen. Das Wasser der in der Nähe von Bad Elster gelegenen Sichler Kurquelle 'ist seit dem Erdstoß am 3. November um 6 Grad wärmer geworden.
— Die Sächs. Korr, schreibt über die Ursache der kürzlichen Erdbeben: Das Erzgebirge birgt da, wo das Granitmassiv aufhört und sich, verursacht durch Erkaltung der Erdrinde, mit dem Urgestein verbindet, infolge eruptiver Ereignisse in altersgrauer Vorzeit, durch die die Berge mit ihrem Felsenuntergrund aufgetürmt wurden, noch recht große Hohlräume unter sich. Die entstandenen Ueberbrückungen können die Last der Felsgesteine nicht'auf ewige Dauer halten, und so entstehen durch Einsturz die Erschütterungen — Erdbeben. Gleichzeitig erhalten durch die lokalen Bewegungen die angrenzenden Gesteine neue Risse und Senkungen und verursachen damit den weiteren Nachsturz und das Erdbebengetöse. Diesmal dürften ungewöhnlich große Hohlräume zusammengestürzt sein, was immer neue Nachstürze sowie das andauernde Rollen und Krachen unter der Erdoberstäche und deren Schwanken und Erschüttern nach sich gezogen hat.
— Der Kaiser ist am Samstag in Begleitung des Erzherzogs Franz Ferdinand von Eckartsau im Automobil nach Wien gereist zum Besuche des Kaisers Franz Joseph. Das „N. Wiener Tagbl." bespricht den Besuch des deutschen Kaisers und bemerkt u. a.: „Wenn heute der deutsche Kaiser nach Wien kommt, gibt es kein Gedränge und doch gibt sich in der Stadt warme, herzliche Gesinnung kund." Das Blatt hebt die Uebereinstimmung der Ansichten der verbündeten Reiche und die Friedensliebe des deutschen Kaisers hervor und schließt: „Die beiden Monarchen bedürfen keiner erneuten Versicherungen und Abmachungen. Der eine ist des anderen sicher. Es ist in der Tat ein Freundschaftsverhältnis wie unter Geschwistern und eine Politik, wie man sie nur selten findet. Sie gründet sich auf gegenseitige Interessen und ist gestützt durch gegenseitige Empfindungen. Seit 20 Jahren trägt Kaiser Wilhelm die Würde des Oberhauptes des Deutschen Reiches. Während dieser Zeit war der Bund, der ihn mit Kaiser Franz Joseph und dem von diesem beherrschten Reiche umschließt, der wesentliche Grundpfeiler seiner auswärtigen Politik. Kein Schatten, keine Wolke senkte sich auf dieses Verhältnis, ja es ist noch fester und unzerreißbarer geworden.
Berlin. In der „Norddeutschen Allgem. Zeitung" werden ausführliche Mitteilungen aus den Vorlagen betreffend die Reichsfinanzreform veröffentlicht. Nach Wiedergabe der in der allgemeinen Begründung enthaltenen Darlegungen zur Frage der Aufbringung des Bedarfs folgen Mitteilungen über nachstehende einzelne Gesetzes- Vorlagen: 1) Der Zwischenhandel des Reiches mit Branntwein, 2) die Brausteuer, 3) die Weinsteuer, 4) die Tabaksteuer, 5) die Elektrizität^ und Gassteuer, 6) die Anzeigensteuer, 7) die Nachlaßsteuer, die Wehrsteuer, das Erbrecht des Staates und die Erbschaftssteuer, 8) Gesetz betreffend Aenderung des Finanzwesens. Der Ertrag der vorgeschlagenen Steuern und Steuererhöhungen läßt sich nur annähernd schätzen. Nach den stattgehabten Berechnungen ist im Beharrungszustande der erst nach Ablauf des Rechnungsjahres 1913 eintreten wird, zu rechnen auf Mehreinnahmen aus Branntwein von 100 Millienen, aus Wein von 20 Millionen, aus Erbschaften insgesamt von 92 Millionen, aus Elektrizität und Gas von 50 Millionen, aus Anzeigen von 33 Millionen. Der darnach sich ergebende Gesamtertrag wäre rund 475 Millionen Mark. Der Beharrungszustand wird jedoch immer noch nicht den auf durchschnittlich 500 Millionen Mark berechneten Mehrbedarf decken. Die verbündeten Regierungen haben sich daher entschlossen, in eine Erhöhung der ungedeckten Matrikularbeiträge bis zu weiteren 40 Pfg. auf den Kopf der Bevölkerung über den bereits nach den bisherigen gesetzlichen
Bestimmungen gegebenen Falles zu zahlenden gleichen Höchstbetrag hinaus einzuwilligen unter der noch zu besprechenden Voraussetzung, daß diese Mehrbeträge auf eine längere Reihe von Jahren gesetzlich festgelegt werden. Die Wehrsteuer erscheint in der Form eines Zuschlages von 1,5 °/o zur Erbschaftssteuer.
Berlin, 7. Nov. Der „Reichsanz." meldet: Der kaiserliche Gesandte in Bukarest, v. Kiderlen-Wächter, ist hier eingetroffen. Er übernahm die Leitung des Auswärtigen Amtes für die Dauer der Erkrankung des Staatssekretärs v. Schön.
Berlin, 7. Nov. Wie dem „Berliner Tagblatt" aus Essen gemeldet wird, ist in der dortigen Bahnhofsbuchhandlung von der Cisen- bahndirektion auf telegraphische Order aus Berlin die neueste Nummer der „Zukunft" beschlagnahmt worden, in der Maximilian Harden in einem Artikel den Fürsten Bülow in Schutz nimmt und das Verhallen des Kaisers kritisiert.
Berlin, 7. Nov. Von gutunterrichteter Seite wird dem „Berliner Tagblatt" gemeldet: Die „Nene Freie Presse" hat eine Mitteilung gebracht, „wonach die Kaiserin u. der Kronprinz dem Kaiser gegenüber ihr Erstaunen ausgedrückt hätten über die Veröffentlichungen des „Daily Telegraph". Das Blatt berichtete ferner: Der Reichskanzler habe angeordnet, daß die sämtlichen Preßstimmen über die Angelegenheit dem Kaiser vorgelegt würden". Ueber den ersten Punkt spricht man sich an amtlicher Stelle nicht aus. Richtig sei, daß der Kanzler die Anordnung wegen der Preßstimmen getroffen habe. Der Kaiser habe diese Preßstimmen auch gelesen, wie aus vielen persönlichen Randbemerkuungen hervorgehe.
— Zu den Veröffentlichungen im „Daily Telegraph" und den damit zusammenhängenden Vorgängen erläßt der Gesamtvorstand der konservativen Partei folgende Erklärung: Die letzten, mit der Veröffentlichung der englischen Preffe verbundenen Ereignisse zeigen, daß der Dienst des Auswärtigen Amts nicht überall ausreichend organisiert ist. Trotz der vom Reichskanzler formell übernommenen Verantwortung müssen Vorkehrungen getroffen werden, welche die Wiederkehr solcher Mißstände für die Zukunft mit Sicherheit verhindern. Im Zusammenhang damit hält der versammelte Vorstand der konservativen Partei es für erforderlich, folgendes auszusprechen: Wir sehen mit Sorge, daß Aeußerungen des Kaisers, gewiß stets von edlen Motiven ausgehend, nicht selten dazu beigetragen haben, teilweise durch mißverständliche Auslegung, unsere auswärtige Politik in eine schwierige Lage zu bringen. Wir halten, geleitet von dem Bestreben, das kaiserliche Ansehen vor einer Kritik und Diskussion die ihm nicht zuträglich sind, zu bewahreu, sowie von der Pflicht beseelt, das Deutsche Reich und Volk vor Verwicklungen und Nachteilen zu schützen, uns zu dem ehrfurchtsvollen Ausdruck des Wunsches verbunden, daß in solchen Aeußerungen zukünftig eine größere Zurückhaltung beobachtet werden möge. Wir wollen dabei zugleich mit aller Entschiedenheit feststellen, daß wir im Interesse der Würde und des Machtbewußtseins des Deutschen Reiches eine weitere publizistische Behandlung dieser Vorgänge nicht für segensreich erachten können. Wir müssen wünschen, insbesondere auch dem Auslande gegenüber, diejenige Ruhe und ^Geschlossenheit des Volkes zum Ausdruck zu bringen, welche für uns, umdroht von Gefahren, eine politische Notwendigkeit der Selbsterhaltung ist.
— Aus allen deutschen G au en sind vaterländisch gesinnte Männer zusammengetreten, um dem Fürsten Otto von Bismarck auf der Elisen- höhe bei Bingerbrück, gegenüber dem Denkmal der Germania auf dem Niederwald, ein Nationaldenkmal zu errichten. Der Reichskanzler Fürst von Bülow hat die Stelle des Vorsitzenden mit folgendem Telegramm angenommen: Herrn Reichstagsabgeordneten Bassermann, Berlin. Euer Hochwohlgeboren danke ich für das freundliche Begrüßungstelegramm mit der Bitte, den Mitgliedern des Ausschusses zu wiederholen, wie ehrenhaft es für mich ist, an der Spitze der Vereinigung zu stehen. Möge das geplante Werk seiner Vollendung rasch entgegengehen am Ufer unseres Rheins als neuer Markstein großer Zeit, als Wahrzeichen unserer Einheit zum
dauernden Gedächtnis für die kommenden Geschlechter.
— England hört aus dem kaiserlichen Interview das Gegenteil dessen heraus, was der Kaiser gewünscht hat. Nach der „Times" bleibt der wichtigste Punkt der ganzen Angelegenheit der, daß man nunmehr aus des Kaisers eigenem Munde wisse, daß ein großer Teil der deutschen Nation englandfeindlich gesinnt sei. Die „Times" verlangt von der Regierung, sofort im Parlament anzukündigen, daß sie im nächsten Jahre schon eine größere Anzahl Kriegsschiffe, „ Dreadnoughts" und „Jnvincibles" bauen werde. — Der „Standard ist derselben Ansicht über die englandfeindliche Stimmung in Deutschland. Engländer und Deutsche wüßten nunmehr, wie sie ständen. Kaiser Wilhelm selbst habe erklärt, daß große Mengen der mittleren und unteren Klassen Deutschlands ausgesprochen england feindlich seien. Diese könne auch der Kaiser auf die Dauer nicht im Zaume halten. Alles Zögern und Warten auf englischer Seite müsse aufhören und die Regierung ohne Rücksicht auf finanzielle Fragen die Flotte verstärken.
— Aus New-Jork wird folgender amüsante Vorgang gemeldet: Bei der Landung eines Pasfagierdampfers und der Inspektion durch den Vorsitzenden der Einwandererkommission ereignete sich ein amüsanter Zwischenfall. Unter den Passagieren befand sich ein Mann in mittleren Jahren Frank Woodhull mit schönem, schwarzem Schnurrbart, den er nach oben gekämmt trug. Er bewohnte zusammen mit zwei anderen Männern eine Koje, hielt sich von diesen jedoch während der ganzen Reise so fern als möglich. Bei der Landung sollte sich Frank Woodhull, weil seiner Gesundheit wegen Zweifel aufgestiegen waren, einer ärztlichen Untersuchung unterziehen. Er widersetzte sich, als aber der Schiffsarzt auf der Untersuchung bestand, rief er plötzlich: „Es geht nicht, ich bin ja eine Frau!" Und in der Tat hatte man es nicht mit einem männlichen Passagier zu tun. Und doch war der schöne schwarze Schnurrbart echt. Aber er barg auch das ganze Geheimnis. Er war seit Jahren die Schuld, daß Miß Mary Jonson, deren Pseudonym Frank Woodhull ist, keine Frauenkleidung anlegte, weil sie eben die Erfahrung gemacht hatte, daß sie in der Kleidung ihres Geschlechts mit diesem Barte ihren Lebensunterhalt nicht auf anständige Weise verdienen könne. Alle ihre früheren Versuche waren ihr fehlgeschlagen. Seit 15 Jahren aber, seitdem sie Männerkleidung trug, hat sie ihr gutes Auskommen und führt ein unabhängiges Leben. Kein Mensch hat je geahnt, daß sie Frau ist, und sie hat unbehelligt als Mann unter den Farmern des Westens gelebt. Sie hat sich eine größere Summe gespart und damit eine Europareise unternommen. Es ergab sich die vollkommene Richtigkeit ihrer Angaben, und da sich Charakter und Gesinnung der schnurrbärtigen Dame als durchaus einwandfrei erwiesen, gab der Einwanderungskommissar seine Einwilligung, daß Miß Mary Johnson die Hosenrolle am Land weitersprelte.
HlrrterHal'tendes.
Ein dunkies Geheimnis.
von Ewald August König.
(Forts.) Nachdr. verboten.)
„Freilich, Sie waren gestern abend so freundlich, Ihre Ansicht über den Charakter der Komtesse von Strahlen zu äußern."
„Und ich behauptete bei dieser Gelegenheit daß die Gräfin ihren Verlobten schon längst vergessen habe."
„Aber inwiefern steht das im Zusammenhänge mit Ihrer heutigen — „
„Mein Herr, Sie haben gestern abend gesagt, hier sei nicht der Ort, über die Ehre einer Dame zu richten."
„Allerdings, das aber hindert Sie nicht, mir zu erklären, welche triftige Gründe mich bewegen müssen, mich um jeden Vorfall im Schlosse zu bekümmern!" fuhr der Verwalter gereizt auf. „Behauptungrn kann jeder aufstellen, aber der Ehrenmann liefert jederzeit auch dre Beweise dazu."
„Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß ich mich nicht verpflichtet fühle. Ihnen über diese