— In parlamentarischen Kreisen verlautet auf das^bestimmteste, daß Fürst Bülorv morgen mit den Führern der Fraktionen beraten werde. Es soll^sich um die Vorbereitung einer gemeinsamen Interpellation in Sachen der bekannten Kaiserunterredung und ihrer Folgen handeln. FürsOBülow habe selbst das lebhafteste Interesse dafür geäußert, die Angelegenheit vor dem Reichstag zur Sprache zu bringen.
Berlin, 2. Nov. Die „Tägl. Rundschau" schreibt: Es liegen Anzeichen dafür vor, daß die Krisis noch nicht beendet ist; insbesondere fällt es 'aus, daß der Reichskanzler sich in seinen Empfängen Beschränkungen auferlegt. Als Kandidat des Kaisers im Falle des Rücktritts Bülows gilt in erster Linie General von Mackensen; auch werden Fürst Hatzfeld und der Statthalter v. Wedell genannt. Man spricht auch von Jntriguen gegen den Fürsten Bülow die bereits vor den Veröffentlichungen im „Daily Telegraph" im Gang gewesen sein sollen.
— Interessante Neuerungen, die sich auf den Kampf in den Lüften beziehen, wurden am Samstag vorm, durch das Berliner Luftschifferbataillon auf dem Tegeler Schießplatz erprobt. Es wurde dort aus der Gondel des Drachenballons mit Handgranaten, die zwar ungeladen, aber mit automatischer Zündung versehen waren, herabgeschossen. Der Drachenballon war um 10 Uhr nach dem Schießplatz geführt und dort mit einem Offizier in der Gondel zunächst in eine Höhe von 100 Meter aufgelassen worden. Aus dieser Höhe warf der Offizier, nachdem der Platz in großem Umkreise abgesperrt worden war, nacheinander zwei Granaren, die mit Fähnchen versehen waren, nach einem bestimmten Ziel herab, wo die Zündungen mit leichtem Knall explodierten. Nachdem das Ergebnis festgestellt worden war und der Ballon, der inzwischen gelandet war, abermals in gleiche Höhe aufgestiegen war, wurden zunächst zu einer unbekannten Probe eine Art Fallschirm und dann abermals zwei Handgranaten geworfen. Dann stieg der Drachenballon bis zur Höhe von 250 Meter, aus der dann wiederum zwei Granaten geworfen wurden. Bei diesen Versuchen wurde die Flugbahn photographisch festgehalten. Diese Versuche sollen, nach der Voss. Ztg. demnächst auch aus lenkbaren Luftschiffen fortgesetzt werden. Später werden Uebungen mit geladenen Granaten stattfinden.
— Ein Polizeihund vollbrachte dieser Tage eine hervorragende Leistung in Fischbek bei Lübeck. In der Nacht vom 18. auf 19. Okt. war in Fischbek der Händler Walter ermordet worden. Neben der Leiche fand man einen Stein, der blutbefleckt war. Mit diesem hatte der Mörder sein Opfer getötet. Vom Mörder hatte man sonst keine Spur. Es wurde nun ein Polizeihund herbeigeholt, dem man den Stein als Witterung vorlegte. Obgleich schon einige Tage seit dem Morde vergangen waren, nahm der Hund in dem ihm unbekannten Gelände die Spur auf und folgte ihr etwa I V- Stunden lang. Zu allgemeinem Erstaunen endete die Spur in dem Hause des Arbeiters Hütscher in Vorburg bei Tramsbüttel, der vorher schon als verdächtig verhaftet, aber wieder sreigelassen worder war. Der Hund übersprang oie verschlossene Gartentür und bellte an der Haustür. Als geöffnet worden war, verfolgte der Hund die Spur bis ins Zimmer des Hütscher. Als dieser dann vom Hofe aus das Haus betrat, stürzte sich der Hund laut bellend auf ihn. Der Mann wurde leichenblaß und ist verhaftet worden. Man nimmt mit aller Bestimmtheit an, daß Hütscher der Mörder ist.
— Die St. Galler Naturwissenschaftliche Gesellschaft hat mit den Besitzern der Alp Ober- kamor ein Abkommen getroffen betreffs Erstellung eines Alpengartens. Ausersehen ist hierzu das südöstlich vom Hohen Kasten (Alpsteingebiet) gelegene, zur Alp Oberkamor gehörende Felsplateau, das in einer Höhe von etwa 1700 m mit prächtigen Legföhren und Alpenerlen bestanden ist. Der Alpengarten soll ein Bild des gesamten Pflanzenlebens der Alpen bieten, auch sollen von ihm aus Berge mit Pflanzen, die am Aussterben sind, neu besiedelt werden, sodann sollen fremde Alpenpflanzen in ihm eine
Heimstätke finden. Ferner werden anch Alpenblumen zur Besamung in der Niederung abgegeben werden. Das Areal ist sehr günstig und gegen das Rheintal hin gelegen.
— Ein unerwartetes Glück hat ein Dienstmädchen in Nizza getroffen. Hr. Casbiglione, der Direktor eines dortigen Bankgeschäfts, hatte seiner Köchin Marie Pellegrin zum Namenstage ein Panamalos geschenkt. Dieses wurde jetzt mit einer Viertelmillion Franken gezogen. Der ihm so plötzlich zugefallene Segen hat aber das Mädchen nicht vermocht, ihrem Berufe untreu zu werden. Marie bleibt im Hause und hat nur den Wunsch ausgesprochen, daß für die grobe Arbeit eine Aushilfsperson genommen werde.
London, 2. Nov. In der heutigen Sitzung des Unterhauses fragte Redmond den Kriegsminister, ob ein Feldzugsplan zur Beendigung des Burenkriges, welchen Roberts tatsächlich beendet habe, seitens des deutschen Kaisers eingegangen sei, und wenn dies der Fall sei, ob Haldane dieses Schriftstück veröffentlichen wolle. Der Kriegsminister erwiderte, daß die Archive des Kriegsministeriums kein derartiges Schriftstück enthielten. Auch sei es nicht in den Besitz irgend einer anderen mit dem Kriegsministerium zusammenhängendenStelle gekommen' Ich bin daher nicht in der Lage, schloß der Minister, den Wunsch nach Veröffentlichung des bezüglichen Schriftstückes zu erfüllen. (Gelächter.) Redmond fragte weiter, ob mit Rücksicht auf das große Jnteresfe, das die Angelegenheit gewonnen habe, Kriegsminister Haldane nachforschen wolle, ob ein solches Schriftstück überhaupt im Lande in irgend einem anderen Amt vorhanden sei. Haldane antwortete: Ich habe genug mit der Verantwortlichkeit für das Kriegsministerinm und es kann wohl nicht verlangt werden, daß ich über mein Fach hinausgehe.
Newyork, 4. Nov. Taft wurde mit gro- ßer Mehrheit zum Präsidenten gewählt..
MrrterHakienöes.
Ein dunkles Geheimnis.
von Ewald August König.
(Forts.) Nachdr, verboten.)
„Ah, Sie weichen aus," unterbrach ihn der Freiherr.
„Ich weiche aus, weil ich es für überflüssig halte, die Gräfin an diesem Orte und in diesem Kreise zu verteidigen, an einem anderen Orte dagegen stehe ich gerne zu Diensten," fuhr der Verwalter mit scharfer Betonung fort. „Die Ehre einer Dame ist zu zart, als daß man im Wirtshause sie abwägen dürfte; ich sehe sie lieber auf der Degenspitze."
Diese Worte verfehlten den beabsichtigten Eindruck nicht. Der Verwalter hatte absichtlich so offen mit einer Herausforderung gedroht, um der Gesellschaft zu beweisen, daß der Freiherr in der Tat eine feige Memme war. Dieser Beweis gelang ihm vollständig. Der Edelmann begnügte sich damit, die Drohung durch einen wilden Blick des Hasses zu erwidern.
„Ich denke, wir streiten uns um des Kaisers Bart", nahm der Arzt wieder das Wort. „Stoßen wir an auf das Wohl der Gräfin von Strahlen, die wir all« lieben und ehren."
„Da haben Sie recht," sagte der Bürgermeister, „und in diesem Punkte wird die ganze Stadt mit Ihnen übereinstimmen."
„Lieben? Die ganze Stadt?" warf der Freiherr ein. „Bah, es lohnt sich nicht der Mühe, daß man wegen einer solchen Bagatelle sich erhitzt, aber die Stunde kommt, in der man sagen wird, ich habe recht gehabt."
„Ich glaubte. Sie seien schon gestern abgereist?" wandte der Verwalter sich zn dem Edelmann, der nach jener Bemerkung sein Glas hastig geleert hatte. „Für den Fall Sie in den nächsten Tagen zur Residenz zurückkehren, möchte ich Sie bitten —"
„Ich reise ab, wenn es mir gefällt," fiel der Freiherr ihm barsch ins Wort; „vorläufig gedenke ich noch einige Wochen hier zu bleiben."
„Dann werden Sie mir wohl die Ehre erzeigen, meine Einladung auf morgen abend anzunehmen, sagte der Arzt; „ich feiere morgen mein Geburtsfest und gedenke den Abend dieses hochwichtigen Tages im Kreise meiner Freunde festlich zn begehen; auch Sie, meine Herren, sind freundlichst dazu eingeladen."
„Sie feiern morgen Ihren Geburtstag?" fragte der Wirt erstaunt.
„Ja, und zwar in Ihrem Hause, wenn Sie die Bewirtung übernehmen und mir für diesen Abend ein Zimmer einräumen wollen."
„Apropos; wie steht es mit Nummer 17?" fragte der Verwalter.
„Nicht besser, als früher," erwiderte der Wir) seufzend.
„Ich darfs keinem Gast anbieten, ohne ihm vorher den traurigen Fall mitzuteilen und nach diesen Mitteilungen will niemand dort schlafen."
So wollen wir in diesem Zimmer morgen abend speisen und die Nacht in demselben verbringen," sagte der Arzt ruhig, „ich Höffe den Herren wirds recht sein."
„Der einzige unter uns, der dagegen vielleicht etwas einzuwenden findet, ist der Herr Baron," erwiderte der Verwalter mit einem schnellen Seitenblick auf den Freiherrn, der gleichgiltig die Achseln zuckte und mit demselben Gleichmuts den Rauchwölkchen seiner Zigarre nachschaute.
„Nicht im geringsten," antwortete der Freiherr, „obschon ich nicht leugnen will, daß ein anderes Zimmer mir lieber wäre."
„So bleibts dabei," sagte der Arzt, wir feiern unser kleines Fest in Nummer 17."
Der Freiherr erhob sich und verließ den Saal; ein» kleine halbe Stunde später trennte die Gesellschaft sich.
Es schlug zehn Uhr, als der Verwalter seinen Heimweg antrat. Die Nacht war ziemlich stürmisch und finster, kein Stern leuchtete. Der junge Mann mußte ein kleines, aber ziemlich dichtes Gebüsch passieren, ahnungslos verfolgte er seinen Weg, als plötzlich in nächster Nähe ein Schuß fiel. Wem dieser Schuß galt, war nicht schwer zu begreifen. Die Kugel streifte den Hut des Verwalters.
Im nächsten Augenblick hatte Stern den Hahn seines Revolvers gespannt, er feuerte aufs Geratewohl in das Gebüsch hinein, aber auch seine Kugel schien das Ziel verfehlt zu haben, das Rascheln des dürren Laubes verriet dem jungen Manne, daß der Meuchelmörder sich eiligst entfernte.
Daß ein Meuchelmord beabsichtigt war, konnte der Verwalter nicht bezweifeln, und er glaubte auch über die Person des Mörders, wie über die Beweggründe desselben keinen Zweifel hegen zu dürfen. Nur einer haßte ihn und diesen einen hatte er kurz vorher seine Uebermacht fühlen lassen. — Vielleicht auch ahnte jener Mann, welche Pläne sein Gegner verfolgte. Vielleicht hatte er die Maske durchschaut, die jener trug.-
Der Wirt „Zur Sonne" erntete ungeteiltes Lob. Die Speisen waren vortrefflich, die Getränke ließen nichts zu wünschen übrig und auch die Ausschmückung des Zimmers verdiente alle Anerkennung.
Der Verwalter hatte den Förster mitgebracht und der Festgeber fand gegen den ungeladenen Gast nichts einzuwenden, als er erfuhr, daß derselbe ebenfalls ein Verbündeter gegen den Freiherrn war.
Die Unterhaltung bewegte sich in der ersten Stunde auf dem Felde der alltäglichen Konversation über das Wetter und die Stadtneuigkeiten; nachdem man aber zu verschiedenen Malen auf das Wohl des Festgebers angestoßen und auch die Verdienste des Gastwirtes gebührend anerkannt hatte, nahm sie einen ernsten Charakter an.
Der Richter berührte das zunächst liegende Thema, den Vorfall, der vor mehreren Monaten in diesem Zimmer stattgefunden hatte und so unangenehm auch dieses Thema dem Freiherrn zu sein schien, ging er doch auf dasselbe ein.
Wie damals, waren auch heute wieder die Ansichten geteilt, der Verwalter und der Doktor Sand beharrten dabei, daß ein Kriminalverbrechen vorliegen könne. Der Freiherr