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Donnerstag den 5. November 1908-

Nr. 129

HlurröscHau.

Stuttgart, 2. Nov. Zur Förderung des Tiergartenprojekts am Hasenberg hat sich jetzt ein Verein konstituiert, in dessen Leitung bekannte Namen aus der Stuttgarter Bürgerschaft figu­rieren. Der Verein will durch Ausgabe von Aktien ein Kapital von 1,000,000 Mark auf­bringen und das Hasenbergprojekt zunächst durch Ausarbeitung von Plänen usw. nachdrücklich fördern.

Birkenfeld, 2. Nov. Am gestrigen Sonn­tag ging dem hiesigen Briefträger R. bei seinem Bestellgang durch den Ort ein Couvert mit einem Hundertmarkschein verloren. Bis R. seinen Verlust entdeckte, war das Geld von 2 Durchreisenden bereits aufgehoben worden. Heute nachmittag wurde der Schein vom Vater des ehrlichen Finders, einem älteren Mann aus Pforzheim, auf dem Rathaus hier abgege­ben gegen einen guten Finderlohn.

Calw, 2. Nov. Der Hirschwirt Wohlgemuth von Röthenbach ist im hiesigen Krankenhaus an der Bauchverletzung, die ihm der Maurer Hahn zufügte, gestorben.

Nagold, 31. Okt. Für die in bedrängter Lage befindliche Familie des am 1. Oktober bei einem Brandfall ums Leben gekommenen Metzger Lohrer von Gündringen wurde eine öffentliche Sammlung veranstaltet, die 890 Mk. ergab. König Wilhelm hat in hochherziger Weise den Hinterbliebenen 100 Mk. zugewendet.

DerGrenzer" in Freudenstadt ent­hält folgendes Eingesandt: Mit Neid las wohl mancher Wintersportsfreund imGrenzer", daß da und dort jetzt schon Vorbereitungen getroffen werden zu Rodel- und Schlittschuhbahnen. Unter anderem wurde von Wildbad berichtet, daß dort 9000 Mk. zu einer Rodelbahn ver­wendet werden. Wie steht es ^nun in dieser Hinsicht in Freudenstadt? Jetzt wäre es Zeit, vor allem einmal die Eisbahn an der Turn­hallestraße recht in Stand zu setzen, und nicht wie in den letzten Jahren, wenn der Boden schon gefroren und Kälte und Schnee eingesetzt haben. Dann die Rodelbahn! Die Turn­hallestraße wird ja wohl sreigegeben, aber damit hat man noch lange nicht eine richtige Rodelbahn. Dieselbe muß notwendigerweise entsprechend gebahnt und unterhalten werden. Man sollte es nicht für möglich halten, daß Freudenstadt in Sachen des Wintersports gegen andere Städte, Städtchen, ja Dörfer so weit zurück ist. Und dabei liest man beim Heran­nahen des Winters und der Weihnachtsferien großartige Einladungen zu dem Winterkurork Freudenstadtmit Gelegenheit zum Wintersport! aller Arten!" Für den Sommerluftkurort wurde; wahrlich schon Großartiges geleistet, jetzt sollte man endlich auch mehr für das Stiefkinds denWinterlustkurort" undWintersportsplatz"; Freudenstadt sorgen! !

Ludwigsburg. Nach einem Beschluß der bürgerlichen Kollegien soll jetzt bei der Stadt- kaffe in ausgedehnterem Maße als seither defi Scheck- und Ueberweisungsverkehr Anwendung finden und zwar sollen sowohl Zahlungspflich-! tige ihre Zahlungen bei der Stadtkasse durch! Scheck erledigen können, als seitens letzteres Zahlungen in größeren Beträgen besonders an

Personen mit einem Bankkonto im Scheck- und Ueberweisungsverkehr geleistet werden. Man hofft dadurch das Publikum mehr an diese so überaus zweckmäßige Art der Zahlungsregulie­rung zu gewöhnen. Die Bankverbindnngen der Stadt wurden u. a. mit Rücksicht auf die er­wähnte Neuerung weiter ausgestaltet und auch auf die Notenbank in Stuttgart ausgedehnt.

Friedrichshafen, 2. Nov. Aus zuver­lässiger Quelle verlautet, daß der Kaiser ge­legentlich seiner Anwesenheit in Donaueschingen auch dem Grafen Zeppelin einen Besuch ab­statte. Zeppelin werde dem Kaiser mit seinem Luftschiff 2 1 entgegenfahren. Der Kaiser werde an einem Aufstieg teilnehmen.

Eberstadt OA. Weinsberg, 31. Okt. Im hiesigen Orte herrscht seit einigen Tagen große Aufregung, da wie schon berichtet, der Rechner des Darlehenskassenvereins, der seit 30 Jahren hier angestellte Lehrer Stäbler, seit 14 Tagen fehlt und zu dem nach der Herbstvakanz wieder beginnenden Schulunterricht nicht zurückgekehrt ist. Da man in der Kassenführung Unregel­mäßigkeiten vermutete, so wurde die Kasse auf­gebrochen. Leider wurde diese Vermutung vollauf bestätigt; zahlreiche Urkundenfälschungen fanden sich vor und es konnte bis jetzt ein Fehlbetrag von zirka 10 000 Mk. festgestellt werden. Wohin St. gekommen ist, ist noch nicht festgestellt. Unglückliche Spekulationen sollen diesen Mann, der das größte Vertrauen genoß, ganz um sein beträchtliches Vermögen gebracht haben.

Pforzheim, 3. Nov. Die interessante Berechnung, wie viel eine silberne oder goldene Zeppelinstatue wert sei, ist dem Volksbl. an­scheinend von einem Spaßvogel eingesandt worden. Wenn Zeppelin 92,5 Kg. wiegt und ein lebensgroßes Modell in Silber ca. zehnmal mehr wiegt (was zugegeben sei), so käme die Silberstatue nur auf ca. 68000 Mk. (nicht auf 388500 Mk.); denn das Kilo Feinsilber kostet lt. Kurszettel zur Zeit nicht ganz 70 Mk. (nach dem Volksblatt angeblich 400 Mk.). Auch der Goldpreis des Volksbl. stimmt nicht ganz. Gold ist nicht fünfzehnmal, sondern ca. vierzig­mal teurer als Silber (ein Kilo kostet 2800 Mark), da Gold schwerer ist als Silber (spezif. Gewicht 19,30) würde eine goldene Zeppelin­statue ca. 20-j-90 Klg. --- 1800 Klg. (ü 2800 Mark) wiegen und ca. 4840000 Mark kosten. Von der Zeppelinspende blieb also nach Fertigung der Goldstatue noch fast ein Milliönchen übrig.

Pforzheim, 3. Okt. Hier war gestern Stadtratswahl und Wahl des Stadtverordneten- Vorstands. Sie fiel im Sinne der schärferen bürgerlichen Sparrichtung aus. Der langjährige Stadtverordnete Obmann Kommerzienrat Gesell wurde nicht wiedergewählt, dafür der Privatier Hepp. Dieser will jedoch die Dornenkrone nicht annehmen.

Aus Baden, 2. Nov. In der Pforzheimer Schmuckwarenindustrie (Bijouteriebranche) ist eine merkliche Besserung eingetreten, weshalb die Zahl der Arbeitslosen sich bedeutend ver­ringert hat. Es konnten 414 männliche und 332 weibliche Arbeitskräfte, zusammen 736 Personen (im September 540) eingestellt wor­den.

Mannheim, 31. Okt. In den badischen Städten macht sich eine lebhafte Bewegung be­

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merkbar gegen die geplante Gas- und Elektri­zitätssteuer. Die Mannheimer Stadtkasse würde dadurch mit 117 000 Mark, die Karlsruher mit 96000 Mk. belastet werden. Die beiden Städte haben beschlossen, demnächst Abwehrschritte zu unternehmen. Die badische Städtevertreter- Konferenz wird sich mit der Angelegenheit be­schäftigen.

Solingen, 31. Okt. Im Belgischen Lande hat sich eine alte Sitte erhalten, die, ähnlich dem bayerischen Haberfeldtreiben, eine Art Volksjustiz bezweckt und die mit Vorliebe dann angewandt wird, wenn ein Ehemann oder eine Ehefrau Verstöße gegen die eheliche Treue be­gangen hat. Sie heißtDas Rappeln" und besteht darin, daß die Nachbarn in der Dunkel­heit vor das Haus des Sünders ziehen und durch Aufeinanderschlagen von Blechstücken, Blasen in Gießkannen, Abschießen von Revolvern einen Höllenlärm verüben. Kürzlich wurde auf diese Weise dem jungverheirateten Kommis einer hiesigen Waffenfabrik gerappelt, weil er noch ein zartes Verhältnis nebenbei unterhielt. Der junge Mann nahm sich das aber so zu Herzen, daß er sich mit Lysol vergiftete.

Karlsbad, 3. Nov. Seit 1 Uhr nach­mittags wurden in Karlsbad und Umgebung Erdstöße verspürt, von denen insbesondere einer um 6 Uhr 20 Min. abends fast in jedem Hause bemerkt wurde.

Berlin, 4. Nov. Die vom Reichstagsabgeord­neten Bassermann im Reichstag eingebrachte Interpellation lautet:Ist der Herr Reichs­kanzler bereit, für die Veröffentlichung einer Reihe von Gesprächen Sr. Majestät des Kaisers imDaily Telegraph" und die in demselben mitgeteilten Tatsachen die verfassungsmäßige Verantwortung zu übernehmen?" Die Inter­pellation Bassermanns wird am Donnerstag vom Reichskanzler beantwortet werden. In der Besprechung der Fraktionsführer hat sich nach der Täglichen Rundschan eine erfreuliche Uebereinstimmung in der Beurteilung der Sach­lage gezeigt, so daß eine würdige, einheitliche Kundgebung der bürgerlichen Parteien zu er­warten ist.

Berlin, 3. Nov. In Magdeburg stieg gestern nachmittag der Ingenieur Grade mit seinem Flugapparat zum ersten Mal auf. Der Apparat hob sich anfangs Iffs Meter und flog 50 Meter. Beim dritten Versuch stieg er nach 100 Meter Anlauf bis zu 8 Meter Höhe und durchflog 60 bis 70 Meter. Durch eine Schwenkung kam der Apparat zu allzu schneller Landung, wobei die Schraube und die rechte Flügelspitze brachen. In Erfurt sind in der Königlichen Gewehrfabrik umfangreiche Diebstähle an Gewehrteilen aufgedeckt worden. Bis jetzt wurden zwei Depotvizefeldwebel, ein Arbeiter und ein auswärtiger Agent verhaftet. Weitere Verhaftungen stehen bevor. In Liegnitz hat sich die 39 Jahre alte Gattin des Frauenarztes Dr. Schultz mit Petroleum be­gossen und angezündet. Sie ist nach qualvollen Leiden gestorben.

Berlin, 3. jNov. Wie aus Reichskreisen verlautet, wird auch von nationalliberaler Seite eine Interpellation wegen der Veröffentlichung des Kaiser-Interviews eingebracht und vom Abgeordneten Baffermann begründet werden.