Darmstadt, 14. Septbr. Der Chefredakteur des „Neuen Hess. Volksbl.", H. R. Fischer, hat von Graf Zeppelin dieser Tuge folgendes Schreiben erhallen: „Auf Ihre gefl. Zuschrift vom 3. d. M. beehre ich mich, Ihnen zu erwidern, daß ich Ihrem Wunsche, einen Teil meiner künftigen Luftschiffwerft an den Rhein zu verlegen, nicht entsprechen kann, da eine Teilung des Betriebes zur Zeit unmöglich ist. Auch bitte ich Sie, Ihre Befürchtungen aufzugeben, mein Unternehmen könne ein reines Geschäftsunternehmen werden, das meinem Einflüsse entzogen würde. Die Persönlichkeiten der von mir in Aussicht genommenen Teilhaber bürgen mir dafür, daß eine solche Gefahr nicht eintreten wird.
Berlin, 11. Septbr. Wie das „B. T." aus zuverlässiger Quelle erfährt, will die Militärverwaltung in Straßburg, Köln, Mainz und Griesheim bei Frankfurt Luftballonstationen errichten. Damit würde der Anfang der Errichtung von Luftflottenstützpunkten an der Westgrenze gemacht werden.
— Ein dem Zeppelinschen ebenbürtiges Luftschiff scheint der Militärleukballon zu sein, der soeben seine erste große Nachtfahrt zurückgelegt hat und 13 Stunden ohne jeden Zwischenfall in der Luft gewesen ist. - Ueber die 13stündige Fahrt des Militärluftschiffes teilte der Führer Major Groß dem Mitarbeiter des „Berliner Tgbl," mit: „Das Luftschiff ist völlig intakt; es hätte nur einer Nachfüllung von Benzin bedurft und wir hätten sofort zu einer neuen Dauerfahrt aufsteigen können. Die Fahrt ging zunächst die Lehrter Bahn entlang über Rathenow, Stendal und die Elbe entlang bis Magdeburg. Dort kehrten wir um und steuerten über Potsdam heimwärts. Der Wind war während der Nacht seht böig; er erreichte zuweilen die Stärke von über 10 Meter in der Sekunde, so daß das Schiff sehr zu kämpfen hatte. Wir kamen manchmal kaum vorwärts, zwangen aber schließlich doch den Wind. Wir erreichten bedeutende Höhen, stellenweise über 1200 Meter. Die Hauptleute von Jena und George folgten dem Flug unseres Luftkreuzers in Militärautomobilen." — Die Leistung des Majors Groß ist umso höher einzuschätzen, als er erst vormittags von den Kaisermanövern nach Berlin zurückgekehrt war und den ganzen Tag über gearbeitet hatte. Die vom Militärluftschiff zurückgelegte Strecke beträgt 300 Kilometer.
Reinickendorf, 15. Sept. Die heutige Fahrt des, Parseval-Ballons war eine Dauerfahrt für die Abnahme des Luftschiffes, der als Mitglied der Abnahmekommission Hauptmann Sorge beiwohnte. Das Luftschiff führte Haupt- mann v. Kehler. Der Ballon ist durchschnittlich in einer Höhe von 1100 Metern gefahren und hat 11^/, Stunden in der Luft zugebracht, also fast so lange, wie Graf Zeppelin bei seiner Schweizer Fahrt. Es ist nicht der geringste Defekt an irgend einem Teil des Luftschiffes eingetreten. Besonders bewährt hat sich die dynamische Steuerung. Das Luftschiff war ganz in der Hand des Führers, der es bei den stark aus- und absteigenden Lufströmungen, um diesen aus dem Wege zu gehen, rein dynamisch ohne irgendwelche Abgabe von Ballast in andere Höhenlagen steuern konnte, so daß es sich immer in der gewünschten Höhe befand. Da von vornherein eine Dauerfahrt vorgesehen war, so wurde die ganze Kraft des Daimler- Motors während der Fahrt, die sich im allgemeinen in Höhen zwischen 200 und 300 Meter, auf dem Rückwege einige Zeit bis zu 609 Meter Höhe hielt, zur Erzielung besserer Geschwindigkeiten nicht ausgenutzt. Als das Luftschiff nach 11'/4stündiger Fahrt unter den lauten Hurrarufen des Publikums tadelos landete und von Mannschaften in die Halle gebracht wurde, war der Benzinvorrat noch nicht ganz aufgebraucht. Die Fahrt kann iu jeder Beziehung als sehr wohl gelungen bezeichnet werden.
Berlin, 16. Septbr. Der in der Fahrt nach Döberitz begriffene Parsevalballon manöve- rierte heute von 9^/e Uhr über Hallensee; er wurde durch einen Windstoß erfaßt, geknickt und zum Sinken gebracht. Tr liegt auf dem Dache einer Villa in der Trabenerstraße. Der Militärballon, der um 10 Uhr über Potsdam
fuhr, konnte wegen des Sturmes nicht landen und fuhr nach Berlin zurück.
Zittau, 14. Sept. Gestern abend ereignete sich auf der Zittau-Görlitzer Chaussee ein schweres Automobilunglück. Ein Automobil überfuhr bei dem Versuche, auszuweichen, einen im Zickzack vor dem Fahrzeug herfahrenden betrunkenen Radfahrer, rannte dabei einen Chausseebaum an und Überschlag sich. In dem Automobil befanden sich außer dem Chauffeur der Prokurist der Görlitzer Maschinenbau-Anstalt Geissen mit seiner Frau und einem 10;ährigen Knaben, sowie der Maschinenfabrikant Reinhold Wiedemann und Frau aus Görlitz. Sämtliche Insassen wurden etwa 15 Meter weit ins Feld geschleudert. Die Herren Geissen und Wiedemann, sowie der Chauffeur sind mehr oder weniger schwer verletzt, während die Frauen und das Kind mit dem Schrecken davonkamen. Der Radfahrer, ein Gutsbesitzerssohn aus Seidendorf, war sofort tot. Das Automobil ist völlig zertrümmert.
— Ein Londoner namens Edwards, Inhaber einer großen Firma, hat durch sein Testament seine Söhne sehr enttäuscht. Er hinterließ ein Vermögen von 1 915 340 Mk., von dem er jedoch zunächst 1000 000 Mk. an die Armen vermachte. Dies ist jedoch nicht der einzige Kummer der Söhne. Der Vater legte das übrige Geld in Jahresrenten fest, so daß sie keine freie Verfügung darüber besitzen und bestimmte ferner, daß keiner der Söhne vor seinem 60. Lebensjahre in den Genuß der Jahresrente kommen solle, es sei denn, daß er durch Krank- heit verhindert sei, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Nun werden die betrübten Erben doch wohl etwas arbeiten müssen.
— In dem Dorfe Metschow ber Demmin starb dieser Tage der Gastwirt und Kaufmann Priepke, der sein ganzes Leben in den dürs- tigsten Verhältnissen zugebracht hatte. Als man ihn in seinem Schlafzimmer tot auffand, lag der ganze Raum voller Dokumente. Papiere Geld und Münzen aller Art. Offenbar hatte der Tod den alten Mann beim Zählen seiner Schätze überrascht. Die Dvrfbehörde fand in Hypotheken und sonstigen Wertpapieren insgesamt 80,000 Mk. Als man das Hartgeld bis 11,000 Mk. gezählt hatte, stellte man die Arbeit ein, fegte alles zusammen und steckte es in einen Sack, der das respektable Gewicht von 47 Pfund aufwies. Das Vorgefundene Barvermögen beträgt rund 130,000 Mk. Auf Anordnung des Amtsgerichts wurde das Geld auf die Sparkasse gebracht, die Dokumente gingen in Verwahrung des Justizrats Müller über. Der gesamte Nachlaß einschließlich drei wertvoller Wirtschaften im Dorf übersteigt 200,000 Mk. Ais Haupterbin dürste eine vor vielen Jahren nach Amerika ausgewanderte Schwester Priepkes in Betracht kommen. Es sollen auch noch entfernte Verwandte in Schönfeld wohnen. P. war vor etwa 30 Jahren mit 100 Talern, die er sich als Steinschläger erworben hatte, nach Metschow gekommen.
(Ein Restaurant mit unsichtbarer Bedienung.) Aus Newyork wird berichtet: Im Herzen des hiesigen Theaterbezirks wird jetzt ein kellner- und trinkgeldloses Restaurant errichtet werden. Der Gast findet auf seinem Tisch eine auf der Platte befestigte Schreibtafel, aus die er seine Bestellung schreibt. Diese wird auf elektrischem Wege nach der Küche übertragen. Nicht lange darauf versinkt die Mitte des Tisches im Fußboden, so daß nur der äußere Rand oben bleibt. Mit den bestellten Speisen und Getränken beladen, steigt die Tischplatte aus den unteren Regionen wieder empor. Zahlung wird geleistet an eine der aufsichtführenden Persönlichkeiten, die wie die Gründer des Restaurants erklären, nicht aus der „Trinkgelder-Klasse" hervorgegangen sind und sich daher mit ihrem Salär begnügen. Die neue Anlage ist auf die gleichzeitige Speisung von 5000 Personen berechnet. Ob aber so viele kommen werden, ist fraglich, denn die Preise sollen die gegenwärtigen „Hummern-Paläste", wie man hier die vornehmlich von der Lebewelt frequentierten Speise- hänser nennt, noch übertreffen.
— Die Spuren eines vergrabenen Schatzes hat auf seltsame Weise I. R. Ehard aus Greenwich in Connecticut gesunden. Er
weilte im Sommer in der Nähe von New- Smyrna in Florida; beim Fischen geriet ihm ein Krebs in die Hände, der krampfhaft ein Metallstück umklammert hielt. Die Untersuchung ergab, daß es sich um einen alten spanischen Dublonen vom Jahre 1608 handelte. Chard studierte nunmehr die Chroniken der Umgebung und hat festgestellt, daß in jener Zeit spanische Bukaniere in jener Küstengegend ihr Quartier aufgeschlagen hatten. Wahrscheinlich haben sie hier auch ihre Schätze vergraben. Die Nach- forschungen sind bereits eingeleitet.
Aus ZÄ md Umgebung.
Neuenbürg. (Aus der Bezirksratssitzung vom 14. September 1908.) Fr. Sch rafft zur „Waldluft" in Kälbermühle, Gemeinde Wildbad, erhält die Erlaubnis zum Weinausschank in der Zeit vom 15. April bis 15. Oktober alljährlich. Herm. Mutterer in Grünhütte Gde. Wildbad, erhält die Erlaubnis zum Ausschank von Wein, Bier,Most und Branntwein in seinem Gebäude. Die Wirtschaftskonzessionsgesuche, von Wilh. Fix z. Löwen in Birkenfeld, Alb. Bätzner z. Bären daselbst und Emil Proß z. Wilhelmskeller in Calmbach werden genehmigt. Die Dienstkündigung des Oberamtsbaumwarts Vinc. Weiß in Ottenhausen aus 1. April 1909 wird angenommen und demselben der Dank der Amtskorporation für die geleisteten guten Dienste ausgesprochen.
Neuenbürg, 15. Septbr. Die erledigte Stelle des Güterbeförderers bei der hiesigen Bahnstation ist ab 1. Oktober ds. Js. dem Kaufmann Karl Lutz hier (früher in Calmbach) übertragen worden. — Herr Lutz wird das Haus mit Stallungen an der Bahnhofstraße sowie das gesamte Betriebsinventar von dem bisherigen langjährigen Güterbeförderer, Hrn. W. Scholl, um die Summe von 30 000 Mark übernehmen.
HLrrLerHaLtenöes.
Erzählung von Franz Teller.
(Forts) (Nachdr. verboten.
Ihre alten, runzeligen Züge zeigten einen Anflug von Humor, als sie mit einem freundlichen Blick auf Heinrich, der ihren Worten begierig lauschte, sortfuhr:
„Da müssen Sie ein Opfer bringen, Herr Baron, mutig in die Bresche springen und Fräulein Elsa heiraten."
Er sprang empor, Helle Röte zeigte sich auf seinem männlichen Gesicht und er atmete schwer.
Unbeirrt fuhr Frau Lehma nu fort:
„Dann hat di? Zeitungsnotiz nur im Vornamen geirrt, ein leichtes verzeihliches Versehen, und die Klatschbasen haben nichts zu zerreißen!"
Die Röte auf Godsbergs Gesicht war tiefer Blässe gewichen, als er sagte:
„Gnädige Frau, wir sind Ihnen für Ihre unverdiente Teilnahme Dank schuldig, aber Sie mißbrauchen diese Stellung, wenn Sie meine tiefsten Gefühle zum Gegenstand des Scherzes machen."
„Gar nicht, es ist mein vollständiger Ernst, auch werden Sie, wie ich mich überzeugt habe, sich keinen Korb holen, wenn Sie um Elsa werben. Also bringen Sie als echter Ritter ein Opfer für die Dame."
„Fräulein Mehlburger," sagte er, und seine Stimme zitterte dabei, „gehört mein Herz mit jeder Faser, warum soll ich es nicht gestehen, nnd wäre ich reich, ja nur unabhängig, würde ich das Glück meines Lebens von ihrem Vater mir erbitten. Ich bin arm und freudlos und muß mit dem Leben ringen. Der Gedanke ist für mich ausgeschlossen, der reichen Erbin meine Hand zu bieten."
„Und weun Sie reich wären, würden Sie, ein Mann mit einer langen Ahnenreihe, um die Tochter des Bierbrauers werben?"
„Ja," sagte er innig, „sie trägt ein adlig Wappenschild in Herz und Seele."
Der alten Frau mochte bei dieser Aeußerung eine Erinnerung auftauchen; denn sie wiederholte leise:
„Ein adlig Wappenschild in Herz und Seele."