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Hie;u: Illustriertes Sonntagsblatt und während der Saison: Amtliche Fremdenlistq.

Nr. 108.

Donnerstag den 17- September 1908-

44. Jahrgang

Hlunöfctzau.

Stuttgart, 14. September. Die neueste Nummer des Simplizissimus ist beschlagnahmt worden wegen eines BildesAus dem Muster­lande Baden".

Calw, 13. Sept. Eine außerordentliche Erscheinung tritt gegenwärtig in unserem Be­zirk, hauptsächlich in hiesiger Stadt, in Lieben- zell und in Möttlingen zutage. In Calw und in Möttlingen sind es besonders zwei Männer, einfache Leute aus dem Volk, die sich mit der Seelsorge an Kranken befassen und hierbei das Krankenheilen durch Gebet (auch in Form von Teufelaustreibungen) ausüben. Der Zulauf zu den Gebetsversammlungen ist außerordentlich groß. Von überall her kommen Gesunde und Kranke, um an den Erbauungs- und Gebet­stunden teilzunehmen. Nach Aussage der Teil­nehmer sollen schon viele merkwürdige Kranken­heilungen vorgekommen sein und der Ruf der Leiter dieser Gebetsstunden dringt in immer weitere Kreise. Die Diözesanjynode hat sich in letzter Woche gegen das Gesundbeten aus­gesprochen und ausdrücklich auf die Gefahren hingewiesen, die für schwache Seelen daraus entstehen können. Welche Ausdehnung die neue Bewegung finden wird, ist noch nicht abzusehen; dagegen dürfte die Obrigkeit baldigst und ener­gisch Stellung gegen diese neueHeilmethode" nehmen.

Mühlacker, 12. Sept. Bei der auf der Kgl. Eisenbahu-Bauinspekton Mühlacker in An­wesenheit der Bewerber erfolgten Eröffnung der m großer Zahl und teilweise aus weiter Entfernung eingelaufenen Offerten aus die Arbeiten zur Erstellung zweier Dienstwohn­gebäude beim Staatsbahnhof Baihingen a. E. traten Submissionsblüten zu Tage, die ein be­zeichnendes Licht auf die heutigen Zustände im Gewerbeleben werfen. Die auf einzelne Arbeiten gemachten Abgebote betragen bis zu 32 pCt. des Voranschlags!! Den höchsten Rekord stellte ein Vaihinger Schlossermeister! Ein Schlosser­meister von Mühlacker bot 26 pCt. ab. Bei Malerarbeiten sind ebenfalls 30 pCt. abgeboten worden. Daß bei solchen Abgeboten entweder keine meisterwäßige Arbeit mehr geliefert werden kann, was aber bei staatlichen Bauten von vorneherein ausgeschlossen ist! oder der Meister früher oder später zu Grunde gehen muß wird jeder Handwerksmann, der noch rechnen kann, einsehen müssen. Darüber, daß die Werkmeister zu niedere Preise anse tzen brauchen sich unsere Bauhandwerker nicht mehr zu beklagen, wenn noch solche Abgebote möglich sein sollen.

Friedrichshasen, 14. Sepbr. Das gesamte, dem Grafen Zeppelin vom deutschen Volke zur Verfügung gestellte Geld wird zu einer Stiftung vereinigt, deren Vorstand Graf Zeppelin ist, nach de^en Tod Frhr. Max von Gemmingen-Guttenberg und Frhr. Konrad von Bassus die Leitung übernehmen. Die Stiftung bezweckt die Bestrebungen zur Förderung der Luftschiffahrt und ihrer Verwendung für die Wissenschaft zu unterstützen, sich an gewerblichen Unternehmungen zu beteiligen, die den Bau, Betrieb und Verkauf von Luftfahrzeugen zum Gegenstand haben, und endlich den Ersatz des

bei Echterdingen zerstörten Luftschiffs. Die Luftschiffbau-Zeppelin-Gesellschaft m. b. H. wird einstweilen mit einem Kapital von 3 Millionen Mark gegründet. Von dieser Summe sind 2 698000 Mk. der Stiftung entnommen. Einen Anteil von 300000 Mart übernimmt Graf Zeppelin aus persönlichen Mitteln und einen formellen Anteil von je 10 000 Mk. die Herren v. Gemmingen und v. Bassus. Geschäftsführer der Gesellschaft ist Direktor Colsmann. Die feste Halle in Manzell und das vom Grafen bisher zum Bau vou Luftschiffen verwendete Inventar und Material übernimmt die Gesell­schaft zum Preis von 210000 Mk. Es ist dies der Preis, der dem Grafen Zeppelin früher geboten wurde, als rheinische Industrielle eine Gründung seines Unternehmens versuchten. Er entspricht dem Taxwerte. Der Ertrag des auf die.Anteile der Stiftung entfallenden Kapitals fließt zu einem Teil bei Lebzeiten des Grafen und seiner Tochter diesen beiden zu, der andere Teil und später der ganze Ertrag fällt an die Stistüng. Wenn der Stiftungszweck aus irgend einem Grunde unmöglich und deshalb die Stiftung aufgelöst werten sollte, fällt das Stftungsvermögen der Stadt Friedrichshofen zu.

Schon in früher Jugend war Zeppelin ein kühner Schwimmer. Seine große Schwimm­tüchtigkeit hat er im Krieg 1866 bewährt, als er in der Schlacht bei Aschaffenburg schwimmend eine wichtige Nachricht über den Main brachte und dadurch das Schicksal der württ. Truppen entschied, wofür er durch Verleihung des Militär­verdienstordens belohnt wurde. Diese jchwim« merische Heldentat ist w.'niger bekannt doch zweifellos ebenso mutig wie sein Reiterstückchen von 1870. Auf eine Anfrage traf an Sport- schriftsteller Walther Mang in Heidelberg im Auftrag des Grafen folgendes Antwortschreiben von Freiherrn v. Gemmingen aus Friedrichs­hafen ein:Es handelte sich an dem fraglichen Tag» des Jahres 1866 darum, die Verbindung zwischen der württem belgischen und der auf dem linken Mainufer befindlichen hessischen Division herzustellen. Die Brücken bei Aschaffen­burg und Stockstadt waren vom Feinde besetzt. Graf Zeppelin hatte den Auftrag, die Verbindung herzustellen, übernommen. Nach anstrengendem Ritt in großer Hitze, der die Kräfte seines Pferdes völlig erschöpft hatte, mußte er ohne dieses in voller Uniform mit hohen, auf den halben Oberschenkel rächenden Stiefeln und schwerem Säbel den Strom durchschwimmen. Etwa auf halbem Wege »erließen ihn die Kräfte. Er mußte sich auf den Grund sinken lassen, von dem er sich aber wieder abstoßen konnte, um an der Oberfläche Luft eiuzuatmen. Nach mehrmaliger Wiederholuug dieses Manövers gelang es dem Grasen schließlich, dem Ufer so nahe zu kommen, daß er, noch im Wasser sitzend, sich erholen konnte. Das Zurückschwimmen nach erfülltem Auftrag, bot keine Schwierigkeiten mehr. Das Schwimm«n hat Gras Zeppelin im sechsten Lebensjahr erlernt, sodaß er bereits im Alter von 6*/- Jahren beim Einbrechen in das Eis sich durch Schwimmen das Leben retten konnte. Auch heute noch ist S. Exzellenz ein rüstiger Schwimmer, der erst, wenn die niedrige Wassertemperatnr dies gebietet, seine täglichen, mindestens '/sstündigenSchwlmmpartien aufgibt."

Die Bautätigkeit blieb im laufenden Jahr nicht nur hinter der Intensität im Jahre 1906, sondern auch hinter der des Vorjahres, die schon eine Abschwächung gegen 1906 gezeigt hatte, recht erheblich zurück. Unter 70 deutschen Städten, für die der Beschäftigungsgrad im Baugewerbe während dieses Jahres von der Arbeitsmarkl-Korrespondenz" erfragt wurde, waren noch nicht zehn, die über eine befrie­digende Bausaison berichten konnten. Aus allen Gegenden wurde über eine starke Ermattung oder auch über eine Stockung des BaugeschäftL geklagt. In den Städten und Jndustriebezirken wird die Lage durchschnittlich ungünstiger als auf dem platten Laude. Aber auch da war im laufenden Jahre die Bautätigkeit weniger leb­haft, als 1906 und 1907. Die Hoffnung, daß die Herbstmonate eine lebhafte Nachsaison bringen würden, scheint sich auch nicht mehr erfüllen zu wollen, vor allem deshalb nicht, weil die Erleichterung am Geldmarkt ihre Wir­kungen auf das Baugewerbe noch nicht zu äußern vermochte. Wie im Norden Deutschlands, ist auch in Baden, Württemberg, Bayern und Elsaß-Lothringen die Depression allgemein. In Mannheim z. B. folgt Konkurs auf Konkurs, in München werden die Aussichten zusehends ungünstiger und in Metz schwindet die Hoffnung aus eine Belebung im laufenden Jahre eben­falls immer mehr.

Vom bad. Schwarzwald, IS. Septbr. Ueber unsere Höhen hat sich gestern ein Wetter eingestellt, das dem Mvnat Februar alle Ehre gemacht hätte. Heute früh waren alle Höhen­züge vom Belchen bis zum Herzogenhorn bis tief in die Täler mit Schnee bedeckt. Die Gärten, Wiesen und Felder waren mit einer Schneedecke von etwa 20 Zentimeter Dicke über­zogen. Die Halmfrüchte, sowie Oehmd und Kartoffel lagen unterm Schnee. Das Vieh auf den Hochweiden muß in den Ställen ver­bleiben. Die Kurgäste nur wenige sind es noch halten sich um die geheizten Oefen in den Gasthöfen auf.

Nürtingen, 12. Sept. Wegen des großen Obstertrags in diesem Jahr sind hier 2 wöchent­liche Obstmärkte eingeführt worden, Donnerstags und Samstags. Am heutigen Obstmark wurden die Preise vom Donnerstag 2 Mk. 30 Pfg. bis 3 Mk. per Zentner behauptet, doch war der Absatz weniger flott.

Wie aus München gemeldet wird, wurden zwei Engländern auf der Reise nach Kissingen für 200 000 Mk. Juwelen aus dem Koffer gestohlen. Für die Wiedererlangung ist eine Belohnung von 2000 Mk. auSgesetzt.

Fürst Bülow hatte mit dem Vertreter desStandard" eine Unterredung. Er erklärte, daß niemand von einigem Verstand oder Ein­fluß in Deutschland daran denke, Händel mit England anzufangen und noch viel weniger einen so unsinnigen Gedanken hege, wie die Invasion in England. Deutschland hege keine feindliche Gesinnung gegen Frankreich und England, bei einem provozierten Angriff Eng­lands auf die deutsche Flotte könnte jedoch ein rachsüchtiger Groll auSbrechen, wie zur Zeit der Invasionen Napoleons. Bezüglich Marokkos erklärte Bülow, daß sich Deutschland eine na­tionale Demütigung nie gefallen lassen werde.