den verlorenen Schwestern nachgegangen. Auch bis in die Reihen der sozialdemokratischen Führerinnen wird ihr Tod Anteil erwecken. „Tante Ost" in ihrer unermüdlichen Liebesar- beit ist für Tausende eiu Segen gewesen.
— In Zürich wurde eine gemeinnützige Ballgesellschaft, speziell für den Bau von Zwei- und Dreizimmer-Wohnungen mit WohnungS- küche, gegründet, da der Mangel an kleinen Wohnungen unerträglich ist und die Mieten über Neujahr wieder gesteigert wurden.
Paris, 13. Jan. Henri Farman gelang es heute, den Deulsch-Archdeakon-PreiS zu gewinnen, indem er mit seinem Aeroplan die ge» forderte Tausendmeierrunde in einer Minute 28 Sekunden zurücklegte. — Wie die „St. M. P." meldet, brachte Farman seinen Apparat, einen Zellendrachen, mit einem 50 ?8 8 Zylin- > dermolor, der eine zweiflügelige Schraube an- trcibt, aus dem Schuppen und rüstete zum Aufstieg, der um 10 Uhr 48 Min. erfolgte. Ein kurzer Anlauf auf dem h«rtgefrorenen Boden und der gewaltige Vogel erhob sich leicht bis zu 6 Meter Höhe in die Luft, flog im be» ginnenden Bogen dem Wendeposten zu, von den Automobilen der Messer verfolgt, wonach der Apparat ansteigend mit großer Schnelligkeit in einer Kurve von 200 Meter, kaum etwa» sinkend, in einer prachtvollen Wendung fuhr. Der Anblick des fliegenden Drachens war märchenhaft. Nach vollendeter Kurve steuerte er sicher dem Ziele zu und kreuzte endlich zwischen den Pfählen. Dir Landung erfolgte ganz leicht und sanft. Farm«» wurde im Triumph davongetragen und führte die Umkreisung nach kurzer Pause noch einmal aus, um mit dem Aeroplan zum Schuppen zurückzukchren. Er legte ungefähr 1300 Meter zurück und flog somit noch 300 Meter über die zur, Gewinnung der Deutsch-Archdeacon-PreiseS genügende Strecke von 1000 Meter hinaus.
— Die 82jährige Exkaiserin Eugenie ist noch sehr unternehmungslustig. Pariser Blätter melden : Die Exkaiserin Eugenie hat sich einige Tage in Paris aufgehalten, um Einkäufe für eine weite Reise zu machen. Gestern fuhr sie nach Marseille, wo sie sich morgen auf einem Judienfahrer einschifft, um sich vorerst nach Ceylon zu begeben. Sie wird die Inseln mit ihren interessanten Denkmäler« im Automobil kreuz und quer durchstreifen und die Reise dann sortsetzcn. Der Aufenthalt in Indien wird einen Monat dauern. Die Ex-Kaiserin wird bald nach ihrer Rückkehr, am 5. Mai, rhren 82. Geburtstag feiern.
London, 14. Jan. AuS Boyertown in Pennsylvania wird gemeldet: 75 Menschen, meist Frauen und Kinder, haben in Rhoader Opern Hause bei der Explosion eines Kmema- tographen ihr Leben verloren, indem sie ver» brannten oder bei der unbeschreiblichen Panik niedergetretcn wurden. Uebcr hundert erlitten Verletzungen, viele so schwer, daß sie nicht mit dem Leben davonkommen dürften. Das Theatergebäude war von Mitgliedern der St. JohuS luth rischen Sonntagslchule dicht besetzt. Der Explosion folgte die Panik aus dem Fuße. Viele aus dem Publikum stürzten auf die Buhn» hinauf und rissen dabei die Rampenlampen nm dadurch geriet die Szenerie sofort in Brand. Bald war der ganze Raum in ein Meer von Flammen und Qualm eingehüllt, bis hoch zum Dach hinauf schossen die Feuergarben, nach wenigen Minuten war das Haus wie ein prasselnder Hochofen. In ihrer Verzweiflung wurde die Menge sinnlos und rasend. Man stieß sich gegenseitig in die Flammen, um einen Ausweg zu gewinnen. Die Stärkeren bahnten sich über di» am Boden Liegenden den Weg. Etwa 40 konnten sich dadurch retten, daß einer auf die Schulter de» andern stieg und so eine Fensteröffnung erreichken. Aber an anderen Stellen zerbrach die Leiter unter der Last der Andrängenden oder die Leute wurden müde und schwach und sanken ins Feuer zurück mit zerbrochenen Gliedern. Schrecklich war der Augenblick, wo auf d»m Treppenaufgang der Gallerie die Menge wie ein aufgetricbener Keil nicht vorwärts und rückwärts konnte und sich von den Flammen auf allen Seiten be. droht zu Tode drückten. Viele stürzten von, dem oberen Stockwerk über das Treppengeläu-l
der in die Tiefe. Polizei uud Feuerwehr arbeiteten mit beispielloser Aufopferung, und ihrer heroischen Tätigkeit haben viele ihre Rettung zu verdanken. Aus dem lichterloh brennenden Gebäude trugen sie dir Unglücklichen mit »igener Lebensgefahr heraus. — Nach neuester Meldung heißt eS: Etwa 100 Tote, 150 Schwerverletzte. 700 Personen waren im Theater anwesend. Die meisten Opfer sind unter 15 Jahrcu. Viele verzweifelte Eltern mußten mit Gewalt zurückgehalten werden, sich in die Flammen zu stürzen. Eine Anzahl Leichen liegt noch unter den rauchenden Trüm- mern. Dt» ganz» Stadt ist in Trauer gehüllt. Ganze Familien sind umgekommen. Fast jede« Hau» ist in ein Lazarett umgewandelt. Die Mehrzahl der bei der Katastrophe Umgekom- s menen trägt deutsche Namen.
— Einer der Vorwände, die England zum Kriege gegen die Buren veranlaßten, war die angebliche schlechte Behandlung der Ausländer in Transvaal, namentlich der Indier. Transvaal ist jetzt englisch, den Indiern geht eS aber schlechter als je, denn ein» der ersten Gesetze, das das Parlament der neuesten englischen Kolonie beschloß, richtete sich gegen die Asiaten. Alle Asiaten, darunter natürlich auch die Indier, die in Transvaal leben, müssen sich nach dem sonst nur zur Erkennung der Verbrecher dienenden Fingerabdrucksystem re- gistrien lassen. Wer sich dieser Demütigung nicht unterwerfen will, soll über die Grenz» gebracht werden. Einige 5000 Indier haben das Transvaal seit der Verabschiedung deS Gesetze» verlassen; weilere 7000 verweigern die Registrierung, und die Transsaalregierung dr»ht sie abzuschieben. Der englischen Regierung ist das peinlich, sie kann aber nichts tun, denn die Orange-River-Koloni», wie Transvaal jetzt heißt, ist selbständig.
— Der Zentralkörper der organisierten Arbeiterschaft in Newyork schätzt die Zahl der Arbeitslosen in Newyork gegenwärtig auf IVO 000.
— Aus Newyork werden folgende Einzelheiten über die furchtbaren Leiden von sieben schiffbrüchigen Mitgliedern des uutergegangenen norwegischen Segelschiffes „Germaine,, telegraphiert: Die „Germaine" segelte am 23, Nov. mit 16 Mann Besatzung au» Weymouth in Nova Scotia nach Fleetwood in England ab. Nach einer Woche traf sie ein eisiger Orkan, der ihr» Luken wegriß und da» Steuerruder durch Eisbildung unbrauchbar machte. Nach verzweifelten Kämpfen der Mannschaft ging da» Schiff am 9. Dezember unter, wobei der Kapitän ertrank. Zwei Boote mit dem Rest der Besatzung wurden flott gemacht, doch nur eines wurde von dem britischen Petroleumdampfer „Newton" gerettet, der die sieben darin befindlichen Ueberlebenden nach Newyork brachte. Eie hatten entsetzliche Strapazen erlitten und waren zurzeit ihrer Rettung fast 16 Tage lang ohne Speise und Trank gewesen. Fast allen waren die Gliedmaßen erfroren. In der dritten, fünften und sechsten Nacht fuhren mehrere große Schiffe dicht an ihnen vorüber, ohne die verzweifelten Signale zu bemerken. Als sie am 17. Dezember die „Newton" sahen, hatte keiner mehr die K>ast, sich zu rühren, doch al» der Dampfer in der Dunkelheit zu verschwinden drohte, gab die Verzweiflung die nötige Kraft, um ein Licht anzuzünden, das die Retter sofort bemerkten. Von dcm zweiten Boot fehlt jede Spur.
Lokcrl.es.
Wildbad, 12. Jan. Ueber die Äauver- sammlunq der Gewerbevereine de» nördlichen Schwarzwaldgaue» echalieu wir noch folgenden Bericht: Der Gcwerbeverein von hier hat am letzten Sonntag eine sehr lohnende Besuchtfahrt gemacht. Der Verband der Gewerbevereine de» nördlichen Schwarzwalds hielt in Neuenbürg seine Jahresversammlung. Im »Bären" wurde das stattliche Wildbader Kontingent von den Vereinrdelegierten der Oderamtsstadt, und der Städte Calw, Herrenberg, Nagold Haiter- bach, Altensterg und Freudenstadl höflich willkommen geheißen. Die verbundenen Vereine verzeichnen durch ihren Kassier Mahler Neuenbürg eine JahreSeinnahme von 452 Mk. und
eine jährliche Ausgabe von 285,60 Mk., die großenteils verwertet wird zur Verbreitung von Kenntnissen im Gewerbe- und Genossenschaftswesen, Nach der Erstattung des Kassenbericht» wird beraten über eine Umfrage, die weitere Ausdehnung der Sonntagsruhe in den kaufmännischen Gewerbebetrieben betreffend, welche die Zentralstelle für Gewerbe und Handel in den letzten Wochen an die Vereine des ganzen Lande» gelichtet hat. Die Delegierten teilen al» Ergebnisse der Vorberatungen in den einzelnen Vereinen mit, daß die Inhaber offener Verkaufsstellen, abgesehen von den Verkäufern unentbehrlicher Lebensmittel, im Interesse ihrer Angestellten mit einer Kürzung der sonntäglichen Arbeitszeit auf 4 Geschäftsstunden einverstanden, daß «ber je nach den örtlichen Verhältnissen Bewegungsfreiheit und Ausnahmen zn gestatten seien. Eine Kürzung auf 2 Sonntagsgeichäftsstunden aber würde eine beträchtliche Schädigung der auf Landkundschast angewiesenen Betriebe zur Folge haben. Für die Wahl in die Handelskammer Calw werden neben den seitherige» Mitgliedern Koch in Rohrdorf und Münster in Freudenstadt 2 neue Herren vorgeschlagen : Fabrikant Arthur Schmid in Neuenbürg und Kaufmann Rüdinger in Herrcnberg. Herr Handwerkskammersekcctär Freytag stellt hierauf zur Debatte die für das gesunde Gedeihen unserer Industrie sehr brennende Frage, ob der Eigentumsvorbehalt der Maschiuenlieseranten zur Erleichterung de» Maschinenverkaufs nach dcm Vorgang deS Reichsgerichts al» strafbar zu erklären oder beizubehalten sei. Die Versammlung erklärt, daß der ReichSgerichtenlscheid zu billigen und für die Zukunft maßgebend sein sollte. Abgabe teurer Maschinen unter Eigentumsvorbehalt sei al» leichtsinnige Kreditgewährung anzusehen; dem aufstrebende» kleinen Geschäftsmann werde durch Genossenschaften besser gedient als durch Firmen, die nur Absatzjägerei treiben. Al» letzter Punkt steht auf der Tagesordnung: „die Mittelstandspolitik." Darüber gibt Herr Sekretär Frcytag ei» ausgezeichnetes, eingehende» Referat. AIS Mann aus dcm Mittelstand bezeichnet er einen Handwerker, der ohne die Hilfe von Aufsichtsbeamten, auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung einen Betrieb lecket und die Ausbildung der Lehrlinge in der Regel selbst besorgt. Der Mittelständisch» steht also zwischen dem Großindustriellen und dem Proletarier. Während der Großindustrielle versucht ist, einen Staat über dcm Staate zu bilden, und der Proletarier eine Neigung hat, den großen Kladderadatsch herbeizuwünschen, ist e» ein LebcnSinteresse des «ach unten und oben al» Puffer wirkenden Mittelstands, daß das Staatsleben sich in ruhigen Bahnen entwickle, daß also die extremen Kräfte einander da» Gleichgewicht hatten. Deswegen .ist da» Wohl des Mittelstands selbst auch LebenSin- teresse des Staat». Diese Erkenntnis dringt jetzt unter den führenden Geistern allmählich durch. Mancher Akademiker erwirbt sich durch Behandlung einer Handwerkcrsrage den Doktor- Hut. Mittelstandsfragen sind also darum nicht mehr an ein Parteiprogramm gebunden; -und der Mittelstand ist da» unumgängliche Durchganzsstadium der Köpfe, die sich durch geniale Kraft aus dem Proletariat in die Sphäre der großen Geschäftsleute hinaufichwingen. Ein Stand, der sich selbst und andere erhalte» soll und von dessen Prosperität da» Gedeihen de» Staates abhängt, muß die Kräfte vor allem in sich selbst suchen und dabei die Politik der kleinen Mittel verfolgen. Große, aber verfehlt« Mittel, dcm Handwerkerstand augenblicklich aufzuhelfrn, wären die Verbote der Konsumvereine und ihrer Divideudenverttjl- ung; ein kleines, über viel fruchtbareres ist'» aus dem Bestand der Konsumvereine die Konsequenzen - zu ziehen I Zusammenschluß der Meister, gemeinsamer Bezug der Bedarfsartikel, zuversichtliche Einsetzung der eigenen Grütze, die den Vorteil der Massenproduktion in den Konsumvereinen reichlich aufwägcn kann. Ein Beispiel für die Leistungsfähigkeit der Genossenschaft ist das Mannheimer Hafensyndikat, da» die süddeutschen Bäckerinnungen mit einem Aufwand von 500 000 Mk. geschaffen haben. Das Submissionswesen kann bloß