Wader Chronik
Amtsblatt
für öie Stadt Witöbad-
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Nr- 6
Donnerstag, den 16. Januar 1908,
44- Jahrgang
Ilun-schcru.
Stuttgart, 14. Jan. Die Zentralstelle läßt durch die Beratungsstelle für das Baugewerbe einen Kurs für Eisenbetonbau abhalten, der den Technikern, die iu der Praxis stehen, Gelegenheil bieten soll, sich Kenntnisse auf dem neuen Gebiet der Baukunst zu erwerben. Die Vorträge werden von Baurut Schund gehalten werden, der sich dem Eisenbetonbu» eingehend gewidmet hat und der die Boikenntnisse, die bei früheren Baugewerbschülcrn vorausgesetzt werden können, genau kennt.
Stuttgart, 14. Jan. Die von der Lan- desversammlung der deutschen Partei beschlossene Aenderung der Satzungen kann insofern ein allgemeineres Interesse beanspruchen, als damit offiziell auch »ine Aenderung des Namen» der Partei beschlossen worden ist, der von jetzt an lautet: „Natwnaüiberale Partei — Deutsche Partei — in Württemberg." Daß diese Aenderung mit Einstimmigkeit beschlossen wurde, ist umso bemerkenswerter, weil in zahlreichen früheren Versammlungen der lokalen Organisationen Meinungsverschiedenheiten darüber zutage traten, ob der seitherige Name beibehalten oder ob, wie namentlich aus jungliberalen Kreisen gewünscht wurde, nicht einfach der Name „Nationalltberale Partei» angenommen werden soll. Die oberste Instanz der Partei in Württemberg ist nach dem neuen Statut die Vertreterversammlung, die besteht au» den Mitgliedern der Reichs- und Landtagsfraktion, den Vorsitzenden der Organisationen der Reichstagswahlkreise, den von den Bezirk»- und örtlichen Organisationen gewählten Der- tretern (1 Vertreter auf je 50 Mitglieder,) so» wie den vom geschäftsführenden Ausschuß benannten Vertretern nicht organisierter Reichs- tagswahlkreise und Bezirke, sowie Vertretern von den nationalliberale Grundsätze verfolgenden sonstigen Vereinigungen. Der Landesausschuß wird künftighin aus 30 Von der Bertrrterver- sammlung auf 1 Jahr gewählten Aurschußmit-, gliedern bestehen, wozu noch die Mitglieder der Reichstags- und Landtagsfraktionen, sowie weitere vom Landesausfchuß gewählte Mitglieder kommen. Zur Erledigung der laufenden Geschäfte, sowie eiliger Angelegenheiten wählt der Landesausfchuß einen au» 8 Mitgliedern bestehenden geschästSführenden Ausschuß.
Neuevbürg. 13. Jan. Gestern abend nach 7 Uhr wurde die Ehefrau des Sensen- schmied» Wilhelm Seeger, der zugleich Kassier de» Turnvereins ist, in ihrer Wohnung von einem Strolch angefallen, welcher ihr einen Schlag auf die Brust versetzte, daß sie rücklings zu Boden fiel. Der Einbrecher schloß die Frau ir ein Hinterstübchen ein, eignet» sich den Kassenbetrag des Turnvereins mit ca. 75 Mark an und war schon wieder verschwunden, als die Frau, die inzwischen zum Fenster hinausgestiegrn war, Hilfe brachte. Zweifellos handelt es sich hier um einen mit den Verhältnissen völlig vertrauten Menschen.
Neuenbürg, 13. Jan. Gestern fan» hier eine aus dem ganzen Oberamtsbezirk gut besuchte Versammlung der Sattler- und Tapezier. Meister statt, in der Handwerkskammersekretär
Freytag-Neutlingen über die Notwendigkeit der fachlichen Organisation sprach. Die Versammlung beschloß einstimmig, Antrag auf Errichlu a einer Zwangsinnung zu stellen und dem ueu- gegründeten Landesverband der Sattler» und Taveziermeister Württembergs beizutreten.
Bad Teinach, 13. Jan. Noch nie ist unser Teinachtal im Winter von so vielen Fremden besucht gewesen, wie am gestrigen Sonntag, ,wo der Stuttgarter Schwarzwald- bezirksverein hier seine Weihnachtsfeier abhielt, zu welcher auch viele Mitglieder der umliegenden Bezirksvereine erschienen waren. Ter Stuttgarter Verein war mit annährend 100 Personen vertreten, die zunächst eifrig dem Rodelsport huldigten. Nach Einbruch der Dunkelheit wurde in dem über 300 Personen fassenden Speisesaal de» Badhotels die Weihnachtsfeier, welche mit einem gemeinsamen Essen begann, abgchalten. Nach einer Begrüßungsansprache des Vorstandes des Trinacher Vereins, Schultheiß Schneider, nahm der gemütliche Teil seinen Anfang. Nach einem flott vorgetragenen Quartett seitens der Stuttgarter Herren hielt Professor Dr. Endriß, der Vorstand des Stuttgarter Bezirksvereins, die Festrede. Musik und komische Vorträge, worunter auch manche in schwäbischer Mundart sowie Gesangsvorträge des Teinacher Mäuner- gesangvereinS wechselten nun rasch miteinander
ab, bis die Abschiedsstunde schlug.
Calw, 11. Jan. Der Beitritt von Gemeinden zu dem Gemeindeverband „Elektrizitätswerk für den Bezirk Calw» macht erfreuliche Fortschritte. Bis jetzt ist der Anschluß von 32 Gemeinden gesichert und zwar von Agen- bach, Aichhalden, Altbulach, Althengstctt, Vergölte, Breitenberg, Embcrg, Ernstmnhl, Gechrn- gen, Hofstett, Holzbronn, Hornberg, Liebeisberg, Martinsmoos, Monakam, Neubulach, Neuwei- lcr, Oberhaugstett, Oberkollwangen, Oberweiler, Ostelsheim, Ottenbronn, Schmich, Sommen- hardt, Teilgemeinde Speßhardt, Stammheim, Unterhaugstctt, Zavelstein, Zwerenberg, ferner von Dätzingen O.-A. Böblingen, Gaugenwald O.-A. Nagold und Malmsheim O.-A. Leonberg. Gestern hat durch die Herren Bauinfpektor Schaal, Ingenieur Wahlström und Reg.-Rat Voelter auf dem Rathau» in Weilderstadt eine eingehende Besprechung über da» Elektrizitätswerk stettgefunden, welcher nicht nur der Hr. Stadtvorstand und die Gemeindekollegien, sondern auch der Hr. Bezirksvorstand von Leonberg und mehrere Ortsvorsteher bergewohnt haben. In Folge hievon ist die Gemeinde MalmSheim beigetreten; weitere Beitrittserklärungen sind sicher zu erwarten. Auch von den Oberämtern Nagold und Neuenbürg steht der Beitritt mehrerer Gemeinden bevor.
Alten steig, 12. Jan. Unsere aufblühende seit 1867 gegründtte Handwerkerbank, e. G.
m. u. H., hat sich ein eigene» Heim erworben. E» wurde von ihr gestern das Privatier Maier- schc Wohnhaus in der Rosenstraße neben Kaufmann Wucherer gekauft um 22000 Mk. ebenso wurde das Straßenwart Theurersche Haus um 4800 Mk. zum Abbruch erstanden, um erster»» Gebäude auf der Südseite mehr freizulegcn. Es sind nun alle fünf Ge
bäude aus de.n Maierschen Nachlaß verkauft.
Ebhausen, 10. Jan. Die hiesige Milchverkaufsgenossenschaft weist in ihrem Rechnungsabschluß pro 1907 einen Reingewinn von ca. 7000 Mk. auf, der unter die Mitglieder zur Verteilung gelangte. Im ganzen wurden von der 100 Mitglieder zählenden Genossenschaft ca. 250 000 Liter Milch nach Pforzheim versandt. Zunächst wurden den Mitgliedern 11 Pfg. pro Liter ausbezahlt, wozu noch aus dem Reingewinn 2,8 Pfg. pro Liter kommen.
Oberndorf a. N., 14. Jan. Der jüngste Sohn des verstorbenen Gewehr-Fabrikanten W. Mauser hat sich gest-rn nachmittag durch einen Schuß iu den Kopf das Leben genommen. Er war seit längerer Zeit leidend.
E ßli n gen, 13. Jan. Das „Südd. Korrcsp.» Bureau» schreibt: Am Freitag abend entfernte sich au» der Wildermuth'fchen Nervenheilanstalt eine den besseren Kreisen angchörende junge Dame auS Eßlingen. Seither fehlt jede Spur von ihr.
Pforzheim, 14. Jan. Gestern Nacht 1 Uhr brach in dem eine Stunde von hier entfernten Dorf Gisingen Großfcuer auS, das bis früh 7 Uhr dauerte und 5 Wohnhäuser nebst 8 Scheunen und Oekonömiegebäuden mit einer Menge Mobiliar, Futter und Frucht vernichtete. Der Schaden beträgt mindestens 80000 Mark. Acht Familien sind obdachlos. Die Branvursache ist unbekannt. Bei der herrschenden großen Kälte froren teilweise die Feuerspritzen ein.
Müllheim, 10. Jan. Die „Schw. Zig." berichtete vor einigen Tagen, daß ein hiesigearmes Mädchen, die Tochter eines verstorbenen Briefträgers, noch vor Weihnachten den so viele Millionen wie Jahre besitzenden 69jährigen ehemaligen Reichstagsabgeordneten Schlum- derger in Mülhausen geheiratet habe, trotzdem die damit nicht einverstandenen Söhne dem Mädchen 300,000 Mk. Abfindungssumme an- geboten hatten. Nach eingezogenen Erkundigungen unseres Mitarbeiters, die auch im heutigen „ Oberrh. Anz." bestätigt werden, ist diese Meldung, die in alle Blätter überging, unrichtig. Das Mädchen hat die nette Summe von 300,000 Mk. der Heirat vorgezogen, was ihr wohl niemand verdenken wird. (Schw. B.)
— Der Mörder de» Kaufmanns Henschel, ZirknSdirektor Niederhoicr, der vom Schwurgericht München zum Tode verurteilt worden war, wurde vom Prinzregenten zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt.
Berlin, 13. Jan. Die nördliche Bauge- werksberufsgenossenschaft hat festgestellt, daß der Verlust, den die Albeiter durch den Lohnausfall bei dem vorjährigen Kampfe im Baugewerbe erlitten haben, die Höhe von fast 20000000 Mk. erreicht. Der Kampf hat 17 OOOPerionen umArbeit und Verdienst gebracht.
— Im Lazaruskrankenhaus in Berlin verstarb in der Nacht zum Donnerstag nach längerem schwerem Leiden Fräulein Osiander, die Stieflochttr deS württembergischen Liederdichter» Knapp. Sie ist 72^2 Jahre alt ge- worden. AIS unbesoldete BerusSarbeiterin der Berliner Stadtmission hat sie in unermüdlicher Treue die Gefangenen geistlich gestärkt und ist