gesunden, wenn sich der deutsche Handwerker seines Wertes selbst bewußt wird und durch sein unerschütterliches und unerschrockenes Selbstbewußtsein beweist, daß meistermäßige Dauerarbeit höher zu schätzen ist als äugen- blickliche Ersparnisse. Mit dem Grundsatz: „Gleiches Recht für alle" muß freilich auch der Staat ernst machen, zunächst durch gebührende Achtung vor dem Stand, der eine seiner besten Stützen ist. Es ist erfreulich, daß Reichs tag und Buudesrat jetzt angcfangen haben, der Rechtlosigkeit des deutschen Rauhandwerkers ein E de zu machen. Die Verfolgung dieses Grundsatzes muß aber auch dahin führen, daß der Staat seine Lieferungsaufträge nicht Handelsfirmen, sondern den Produzenten im eigenen Land direkt erteilt und die Großbeiriede heranzieht, zur Bestreitung der Kosten für die Prüfung der Gesellen, die ihnen die Handwerker liefern. Wir wünschen weiter dringend, daß auch die Amtekorporationen durch Aus« setzung von Prämien für leistungsfähige Gesellen brkunten, daß die Tüchtigkeit de» Handwerkerstands ein öffentliches Interesse ist, ebenso wie die Tüchtigkeit des Beamten. Mittelstandspolitik ist auch die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs der Warenhäuser auf gesetzlichem und privatem Wege. Das Wirkungsvollste dabei tun wieder die Handwerker selbst, indem sie die Unlauterkeit energisch an den Pranger stellen. Das Versicherungswesen rechnet man vieliach zu Schutzmitteln, die der Staat gewähren soll. Aber auch hier ist Selbsthilfe das Beste und sie ist heute schon möglich durch den Eintritt in die freiwillig: Invalidenversicherung. Die Benützung aller diesi-i Mittel wird das Wort: „ES Hot jo doch koin Wert!" bald in Verruf bringen. Der deutsche Handwerker wird zu sich selbst kommen, seiner und des Staate» froh werden. — Die Versammlung unter rhr auch Herr Oberamtmann Hornung, folgte mit gespannter Aufmerksamkeit diesem lehrreichen Vortrag. Schon die Zutagförderung solcher fruchtbaren Gedanken beweist, welch' wichtigen Dienst die Gewerbevcreine und in ihnen besonders ihre eifrigen Leiter tun. Es ist natürlich, daß ihre Bemühungen unseren ganzen Beifall haben. Wir werden selbst, voran unser Vorstand, Herr Flaschner- meister Güthler, auch in Zukunft den regsten Anteil daran nehmen, haben doch schon einige unserer Mitglieder, Herr Metzgermeisler Wandpflug und Herr Güthler jun. durch Ablegung der Meisterprüfung ihr tätige» Interesse an der Gewerbevcreinssach» dargetan.
Unterhaltendes.
Späte Rache.
Von Conan Doyle Autorisiert. Nachdruck verboten.
(Fortsetzung.)
„Meinen Sie, Lestrabe?" rief Gregson triumphierend, „das habe ich mir wohl gedacht. Ist es Ihnen denn gelungen, den Aufenthalt des Sekretär» Josef Stangerson zu entdecken?"
„Ten Sekretär Stangerson," erwiderte Lestrade mit tiefem Ernst, „hat man in Hel- liday» Privathotel heute früh gegen acht Uhr in seinem Schlafzimmer ermordet gefunden."
Siebentes Kapitel.
E» kommt Licht in da» Dunkel.
Lestrade» furchtbare Mitteilung kam uns so unerwartet, daß wir einige Zeit brauchten, um uns von dem ersten Schrecken zu erholen. Gregson war von seinem Sitz in die Höhe geschneit, und ich starrte schweigend auf Ghcr- lock Holmes, der mit düster zufammengezogenen Brauen und fest geschloffenen Lippen dasaß.
„Stangerson gleichsaUS," murmelte er endlich — „der Fall wird verwickelter."
„Und war schon verwickelt genug," sagte Lestrade nud nahm mißmutig am Tische Platz. „Hier wurde wohl KriegSrat gehalten?"
„Ist denn — was Sie jagen — aber auch ganz gewiß wahr?" stammelte Gregfon.
„Eben komme ich vom Schauplatz der Tat," lautete seiner Kollegen Antwort. „Ich war der Erste, welcher entdeckte, was sich zuge« trage» hatte."
Holme» sah ihn erwartungsvoll an. „Wir haben soeben Gregsons Ansicht über den Fall
gehört," äußerte er, „vielleicht wären Sie geneigt, uns nun auch Ihre Erlebnisse und Taten zu berichten?"
„Warum nicht?" versetzte Lestrade; „ich gestehe offen, daß ich der Meinung war, Slan- gerson müsse bei Drebber» Ermordung die Hand im Spiele gehabt haben — ein Irrtum von dem ich durch das jüngste Ereignis gründ- lich zurückgekommen bin. Vor allem wollte ich ermitteln, was au» dem Sekretär geworden sei. Man hatte die beiden noch abends um halb neun zusammen auf dem Eustoner Bahnhof gesehen. Um zwei Uhr morgens war Drebbers Leiche in der Brixton-Straße auf- gefunden worden. Wo hatte sich Stangerson in der Zeit zwischen 8 Uhr 30 und der Stunde des Verbrechens aufgehallen?" — da» war die Frage. Ich telegraphierte eine Personalbeschreibung de» Mannes nach Liverpool, da- mit er sich nicht heimlich auf einem amerikanischen Dampfer einschiffen könne. Dann erkundigte ich mich nach ihm in allen Hotels und Privatpensionen in der Nähe des Bahnhof». ES schien mir wahrscheinlich, daß wenn die Reisegefährten sich au» irgend einem Grunde getrennt Härten, Stangerson zur Nacht im nächsten Hotel einkehren und am andern Morgen Drebber sicherlich wieder am Bahnhof erwarten würde."
„Sie werden wohl vorher verabredet haben, an welchem Ort» sie sich treffen wollten," warf Holmes ein.
„Wohl möglich," meinte Lestrade. „Nun also, den ganzen gestrigen Abend brachte ich mit fruchtlosen Erkundigungen zu. Heute früh setzte ich meine Nachforschungen beizeiten fort und kam gegen acht Uhr nach Halliöay» Privathotel in der kleinen Georgstraße. Auf mein» Frage, ob ein Herr Stangerson dort abgestiegen s»i, erhielt ich sofort eine bejahende Antwort. „Vermutlich sind Sie der Herr, aus den er schon seit zwei Tagen wartet," meinte der Portier.
„Wo ist er jetzt?" fragte ich.
„Oben in seinem Schlafzimmer; er wollte um neun Uhr geweckt sein."
„Ich möchte ihn sofort aufsuchen."
„Mit der Absicht, ihn ganz unvermutet zu überraschen, ließ ich mir von dem Hausknecht das Zimmer zeigen. 8» lag im zweiten Stock am Ende eines engen Korridor». Nun stellen Sie sich aber mein Entsetzen vor, als ich bei der Tür «»gekommen, bemerkte, daß ein dünner, roter Strom übrr die Schwelle rieselte und auf der andern Seite des Gange» ein» Blutlache gebildet hatte. Der Hausknecht, der schon an der Treppe war, kam auf meinen Scdreckensruf zurückgestürzt, er wäre bei dem Anblick fast umgesunken. Die Tür war von innen verschlossen, doch gelang es unfern ver> »inten Kräften, sie auszusprengen. Drinnen stand ein Fenster offen und Licht daneben lag zusammcngesunkcn ein Mann im Nachtgewandte. Er mußt« schon seit mehreren Stunden tot sein, denn seine Glieder waren steif nnd kalt. Ein Dolchstich war ihm mitten durchs Herz gedrungen. Nun hören Sie aber noch das Seltsamste von der ganzen Begebenheit.- An der Wand neben der Leiche stand geschrieben — wa» glauben Sie wohl?" —
„Dar Wort,, Rache" in Blutbuchstaben," sagte Sherlock Holme», ohne sich zu besinnen. Mir erstarrte da» Blut in den Adern vor Entsetzen.
„Das war e»," flüsterte Lestrade, und seine Stimme bebte. Eine Weile sprach keiner von uns ein Wort. Die methodische, und doch völlig unbegreifliche Weise, auf die der unbekannte Mörder bei seinen Missetaten verfuhr, erhöbt» noch ihren schauerlichen Eindruck. Unter der Greueln des Schlachtfeldes war ich kaltblüsig geblieben, jetzt zuckte mir jeder Nerv vor Erregung.
„Der Verbrecher ist nicht unbemerkt entkommen," fuhr Lestrade fort. „Ein Milchjunge, der vom Knhstall nach der Hoielküche ging sah, daß an einem offenen Fenster des zweiten Stocks eine Leiter lehnte. Als er sich verwundert noch einmal umblickte, kam gerade ein Mann die Leiter herabgestiegeu und zwar so ruhig und ohne jede verdächtige Hast, daß der Junge glaubte, es müsse ein Arbeiter sein, der im Hoiel etwa» auSzubessern habe. Nach
seiner Beschreibung war der Mann groß, rot im Gesicht und mit einem langen Rock vou bräunlicher Farbe bekleidet. Er hat da» Zimmer nicht unmittelbar nach der Tat verlassen, sondern sich erst noch im Becken da» Blut von den Händen gewaschen und sein Dolchmesser sorgfältig an den Betttüchern ab- gcwischt."
Das Aeußere de» Mannes war genau fo, wie Holme» es früher beschrieben hatte, doch war keine Spur von Triumph oder Genugtuung in den Zügen meine« Gefährten zu entdecken. „Haben Sie in dem Zimmer nicht- gesunden, was auf die Spur des Verbrechers leiten könnte?" fragte ich begierig,
„Nicht daS Geringste. Stangerson trug Drebbers Börse in der Tasche doch war das nicht auffällig, da er die Reiscaußgabcii zu bezahlen pflegte. Sie enthielt etwa achtzig Pfund, die unberührt geblieben waren. Auf ein» Beraubung hatte man cs offenbar nicht abgesehen. In den Taschen de» Ermordeten fanden sich weder Papiere noch Norizcn, nur ein Telegramm, da» vor etwa einem Monat in Clcveland aufgegeben worden war und lautete „I. H. ist in Europa." Der Name deS Absenders stand nicht dabei,"
„Und da» war alles?"
„Alles wichtige. Ein Roman, mit dem sich der Mann in den Schlaf gelesen, lag auf dem Bett und seine Tabakspfeife daneben auf dem Stuhl. Auf dem Tisch stand ein Gla» Wasser auf dem Fensterbrett »in hölzernes Salbenschächtelchen, da» mehrere Pillen enthielt."
Mit einem Ausruf des Entzückens sprang Sherlock Holme» in die Höhe.
„Da« fehlende Glied," rief er. „Nun ist der letzte Zweifel gelöst."
Die beiden Polizisten sahen einander sprach- lo» vor Erstaunen an.
„Ich halte nunmehr alle scheinbar noch so verwirrten Fäden in meinen Hände»," sagte mein Gefährte zuversichtlich. Einzelheiten sind natürlich noch unerledigt, aber über die Hauptsache bin ich völlig im Klaren. Von der Zeit an, als Drebber sich von Stangerson trennte, bi» zum Augenblick, da de« letzteren Leiche entdeckt wurde, weiß ich alles, al» hätte ich e» mit eigenen Augen gesehen. Sie sollen sogleich einen Bewei» davon haben. Könnten Sie wohl die fraglichen Pillen herbeischaffen?"
„Ich habe sic hier," versetzte Lestrade, ein Schächtelchen bervorzichend, „ich nahm sie an mich, zugleich mit der Börse und dem Telegramm, um sie der Polizei zu übergeben. Daß ich die Pillen nicht stehen ließ, war der reinste Zufall, denn ich muß sagen, ich legte ihnen keine Wichtigkeit bei."
„Wissen Sie, Doktor," wandte sich Holmes zu mir, „ob das gewöhnliche P>llen sind?"
Sie waren von perlgrauer Farbe, klein, rund und fast durchsichtig, wenn man sie gegen das Licht hielt. „Nach ihrer Beschaffenheit sollte ich meinen, vaß sie sich in Wasser auflößen würden," bemerkte ich.
„Das glaube ich auch," sagte Holmes er- freut. „Bitte," fuhr er fort, „schaffen Sie doch einmal den kranken Dachshund herbei, der schon lange in einem so traurigen Zustand ist, daß bi» Wirtin Sie noch gestern bat, ihn von seinen Qualen zu erlösen." (Fons, folgt.)
Werrnifchtes.
— Eine sonderbare „Tode-anzeige" enthält die letzte Nummer der seit dem 1. April 1907 in Gotha ersch'inenden „ Thüriuger Freien Presse." In schwarz umrandeter und mit Kranz und Palmwedel geschmückter Anzeige heißt es: „Freunden und Bekannten die schmerzliche Nachricht, daß mit dieser Nummer die „Thüringer Freie Presse" ihr Dasein beendet hat; tiefbetrauert von einem leeren Geldbeutel und sonstigem wertlosen Inventar, verlassen von allen denjenigen, welche seinerzeit die Dahingegangene mit großer Begeisterung.ins Leben riefen. — Alle ehemaligen Gründer sind zur Gedenkfeier, welche an einem unbekannten Tage stattfinden wird, hierdurch höflichst ein- gelade». „Kurz war die Freude — lang ist der Schmerz!" Es bewahrt ihr ein unvergeßliches Andenken. Die Redaktion sel. Angedenkens. Kranzspenden verbeten."