Kampfesart schwere Mängel, namentlich in Bezug auf die Wahl seiner Mittel. So habe er den alten Rechtsgrundsatz, daß beide Teile zu hören seien, nicht beobachtet, sondern sich lediglich auf die Aussage einer Frau nnd noch dazu einer Kranken gestützt. Der Oberstaatsanwalt gibt dann eine Charakterisierung der Frau v. Elbe und ihrer Mutter und sagt, das ganze auf deren Schilderungen aufgefühlte Gebäude sei eingestürzl. Graf Moitke dürfe hocherhobenen Hauptes mit blankem Waffenschild den Saal verlassen. Ebenso sei der aus dem Fürsten Eulenburg ruhende Verdacht zerstreut. Der Redner weist dann die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. WaS schließlich den Zweck HardenS betreffe, so glaube er ihm die Absicht, dem Vaterlande einen guten Dienst zu leisten, tatsächlich aber habe er dem Vater- lande einen sehr schlechten Dienst geleistet. Harden habe da» Vaterland vor dem Auslande diskreditiert, auch der Schutz des § 193 könne ihm nicht zugebilligt werden, da er auch in der Form zu weit gegangen sei. Nach langer Ueberlegvng habe er (der Oberstaatsanwalt) sich schlüssig gemacht, nicht eine Geldstrafe son- der» eine Gefängnisstrafe zu beantragen und zwar von 4 Monaten. Außerdem soll der Nebenkläger berechtigt sein, den entscheidenden Teil des Urteil» in einer Reihe von Zeitungen auf Kosten des Angeklagten zu veröffentlichen, selbstverständlich auch an leitender Stelle in der „Zukunft." Platten und Formen sind zu vernichten und Harden die gesamten Kosten de» Verfahrens aufzuerlegen. Zum Schluß teilte der Oberstaatsanwalt mit, daß ihm ein Drohbrief zugegangen sei. Es würde ihn jemand au» dem Hinterhalt erschießen, wenn Harden verurteilt werde. Er könne nur mit Bismark sagen: Da lach ick öwer. Nach dem Plaidoyer de» Oberstaatsanwalts äußert sich Justizrat Dr. Sello, und entwirft ein Charakterbild vom Grafen Moltke, er habe die Uniform ausgezogen, weil er sie nicht mit Schmutz habe bewerfen lassen wollen. Gr betont, daß es in der Umgebung des Kaiser» kein „Grüppchen" und keine „Kamarilla" gebe. ES gebe nur eine Tafelrunde, und zwar die der kaiserlichen Familie, zu der dieser oder jener befohlen werde, und die daS Volk liebe und verehre. Daran werde sich nicht rütteln lassen. ^Lebhafter Beifall.)
Berlin, 31. Dez. Dem Berliner Tageblatt wird au» New-Aork telegraphiert: Weil sic von ihrem Manne verlassen worden war, hat eine Frau Molly Dreßler vor 13 Monaten 150 Nadeln verschluckt. Durch Anwendung eine» Magnet» gelang es, aus dem Leib, den Backen, der Nase, den Händen und den Füßen der Unglücklichen im Laufe der Zeit 134 Nadeln zu entfernen, so daß „nur" noch 16 Nadeln in ihrem Körper verblieben. Von diesen ist jetzt eine in das Herz eingedrungen, und an dieser Verletzung ist die arme Frau heute gestorben.
Allenstein, 31. Dez. Die Allß. Ztg. meldet: Angesichts de» vom Kriegsgericht der 37. Division gesammelten BeweiSwaterials hat der unter dem Verdacht der Erschießung des Majors v. Schönebeck verhaftete Hauplmann v. Göben heute ein umfassendes Geständnis abgelegt.
All enstein, 31. Dez. Gestern abend wurde Frau v. Schönebeck »on 3 bis 6 Uhr kriegsgerichtlich vernommen. Sie gab an, daß Offiziere, die in ihrem Hause verkehrten, immer nur die Flurtür benützten. Sie machte dann noch weitere Angaben, die mir dem heute abgelegten Geständnis des HauptmannS v. Göben in Verbindung zu bringen sind. Um 12 Uhr mittags begann nun die Vernehmung des Hauptmanns v. Göden, die bis 3 Uhr dauerte, und die mit seinem umfassenden Geständnis endete. ES verlautet, der Hauptman» habe zugegeben, die Nacht im Haufe des Majors zu wiederholten Malen verbracht zu haben. Sicherheits- halber habe er für alle Fälle stets einen Revolver bei sich getragen. In dieser Nacht nun verursachte daS versuchte Oeffnen der Flurtür ein Geräusch. Der Major erwachte und über- raicbte den Hauptmann, der dann sei» Opfer niederstrtckre. Dieses Geständnis entspricht vollkommen dem Standpunkt, den die militärische
Untersuchungsbehörde von vornherein sich gestellt hatte. Die Akten sind geschloffen und der Staatsanwaltschaft überwiesen. (St. Morgenp.)
— Die Wünschelrute des Herrn v. USlar hat in Deutsch-Südwestafrika einen neuen großen Erfolg aufzuweisen. Auf der Farm Klaratal des Herrn Schmerenbeck hatte Herr v. USlar an drei verschiedenen Stellen Wasser gemutet, an zweien in einer Tiefe von 20 Meter und an einer von 35 Meter. Die Bohrungen haben an allen drei Stellen in den angegebenen Tiefen reichliche Quellen erschlossen, und zwar steht in den beiden ersten Brunnen daS Wasser 11 Meter hoch, im dritten 32 Meter. Die Ergiebigkeit der einzelneu Quellen beträgt durchschnittlich 2*/s Kubikmeter in der Stunde.
HlriterHcrltendes.
Späte Rache.
Von Conan Dohle Autorisiert. Nachdruck verboten.
Fortsetzung.
Wie kamen die beiden Männer — wenn es ihrer zwei waren — in daS leere Haus? Was ist aus dem Kutscher geworden, der sie gefahren hat? Wie konnte der eine den aud.;rn zwingen, Gift zu nehmen? Woher stammen die Blutspuren? Was bewog den Mörder zu seiner Tat, da er keinen Raub beabsichtigte? Welcher Frau hat der Trauring gehört? Warum schrieb der Missetäter das Wo.t Rache an die Wand, bevor er die Flucht ergriff? — Daß jemand imstande sein sollte, alle die Tatsachen in Einklang zu bringen geht wahrhaftig weit, über mein Verständnis."
Mein Gefährte lächelte beifällig.
„Sie haben sämtliche Schwierigkeiten unserer Lage kurz und bündig zusammengefaßt," sagte er. „lieber die Hauptsache bin ich zwar im reinen, aber manches ist noch unaufgeklärt Die Schrift, auf deren Entdeckung Lestrade so stolz war, ist meiner Meinung nach nur eine Kriegslist, um die Polizei auf falsche Fährte zu locken, als sei die Tat im Auftrag einer geheimen Gesellschaft von irgend einem Sozialisten ausgeführt worden. — So — nun wissen Sie aber genug über den Fall, Watson, ich werde mich hüten, Ihnen noch mehr zu verraten. Mit dem Ansehen eines Taschenspielers ist es aus, sobald er sein Kunststück einmal erklärt hat, und wenn ich Ihnen mein Verfahren allzu genau beschreibe, werden Sie mich in kürzester Frist für einen höchst alltäglichen Menschen halten."
„Bewahre," rief ich, „das wird nie ge. fchehen. Sie hoben die polizeiliche Forschung auf die Höhe der Wissenschaft erhoben und bis zu einer Vollko.umenheit gebracht, wie sie bisher unerreicht war."
Mein Gefährte wurde rot vor Freude über mein Urteil, das ich im Tone aufrichtigster Ueberzeugung ausspruch. Schon früher hatte ich bemerkt, daß er für jedes Lob, welches man seiner Kunst zollte, empfänglich war, wie ein» jugendliche Schönheit, deren Reize man bewundert.
„Etwas will ich Ihnen doch noch sagen." rief er; „die feinen Lederstiesel kamen mit dem groben Schuhwerk i» 'derselben Droschke ange- fahren und schritten zusammen höchst freundschaftlich den Gartenweg hinunter, wahrscheinlich sogar Arm in Arm. Im Hause gingen sie i Zimmer hin und her, oder richtiger gesagt: die feinen Lederstiefel standen still und das grobe Schuhwerk ging auf und ab nnd geriet dabei mehr und mehr in Leidenschaft. Das war in dem Staub, der auf der Diele lag, an den immer länger werdenden Schritten deutlich zu erkennen. Dabei sprach der Mann unaufhörlich, sein Zorn steigerte sich zur Wut und dann beging er die Untat. Mehr weiß ich jetzt selbst noch nichi; das Uebrige beruht größtenteils auf bloßer Veimutung; doch ist immerhin ein guter Grund gelegt, aut dem sich l sicher weiter l'-ren läßt. — Ich darf mich s übrigens jetzt nicht lange aufhalten, denn ich
will hente nachmittag in Halles Konzert gehen, um die Neruda spielen zu hören."
Die Droschke war während unseres Gesprächs durch zahllose, düstere Gäßchen und enge Straßen gefahren; in der allerschmutzigsten und trübseltgsten Stadtgegend hielt der Kutscher plötzlich still. „Da drüben ist Andley Court," sagte er, auf eine Reihe räucheriger Backsteinhäuser deutend. „Ich will hier warten, bis Sie wieder heraus kommen."
Andley Court bot wenig Anziehendes. Eine schmale Gaffe führte auf einen großen, gepflasterten Hof, der rings Von ärmlichen Wohnhäusern umgeben war. Nach No. 46 suchend, gingen wir an Scharen schmutziger Kinder vorbei und krochen unter aufgehängter, mißfarbener Wäsche durch, bis wir auf einem kleinen Messingschild den Namen ,Rance' bemerkten.
Der Schutzmann hatte sich nach dem Nachtdienst zu Bette gelegt und wir wurden gebeten, in dem kleinen Wohnzimmer ein wenig zu warten. Bald darauf kam Rance zum Vorschein, mißmutig, daß man ihn im Schlaf ge- stört hatte. „Ich habe doch schon auf dem Bureau Bericht erstattet," brummte er ver- drießlich.
Holmes zog ein Goldstück aus der Tasche und drehte es nachlässig zwischen den Fingern.
„Wir wünschten den Sachverhalt aus Ihrem eigenen Munde zu hören, wenn Sie nichts dagegen haben," sagte er verbindlich.
Der goldene Talisman verfehlte seine Wirkung nicht. „Ich werde Ihnen mit Vergnügen sagen, was ich weiß." beeilte sich Rance zu erwidern.
„Gut, dann erzählen Sie mir bitte, wie sich alles zugetragen hat."
Der Schutzmann nahm aus dem alten Roßhaarsofa Platz und legte die Stirn in be. dächtige Falten. „Ich will beim Anfang beginnen," sagte er. „Meine Dienstzeit ist von zehn Uhr abends bis sechs Uhr morgen». Um elf Uhr war eine Schlägerei im Meißen Hirsch', aber soust fiel zuerst nichts Besonderes vor während meiner Runde. Gegen ein Uhr fing es an zu regnen, und etwas nach zwei Uhr kam ich die Brixtonstraße hinunter, um zu sehen, ob dort alles ruhig wäre. Kein« Seele traf ich unterwegs, die Gegend war wie auS- gestorben, nur ein paar Droschken kamen an mir vorbeigerass.lt. Eben dachte ich daran, daß ein Schluck heißer Grog zur Magenstärkung wohl angebracht wäre - da sah ich einen Lichtschimmer in dem gewissen Hause. Nun wußte ich genau, daß da niemand wohnt, denn der Besitzer läßt die AbzugSröhren nicht Nachsehen und der letzte Mieter ist am Typhus ge- storben. Na, wie ich das Licht sehe, denke ich gleich, daß etwas nicht geheuer sein muß. Als ich an die Thüre kam-"
„Sie siud stehen geblieben und nach dem Gartenthor zurückgegangen — aus welchem Grunde?" fragte Holmes.
Rance fuhr zusammen und riß die Augen w it auf.
„Woher wissen Sie denn da»?" stammelte er. „Freilich tat ich eS, denn, sehen Sie, als ich an die Haustüre kam und alles so still und unheimlich war, fiel mir ein, daß wir doch eigentlich unser zwei sein sollten, und so ging ich zuiück, um zu sehen, ob nicht vielleicht ein Kamerad mit seiner Laterne des Weges käme. Furcht kenne ich wahrhaftig nicht, aber wenn es etwa der verstorbene Mieter war, der dort umging, so hätte ich gern Gesellschaft gehabt.
„War denn gar niemand auf der Straße ?"
„Kein Mensch, Herr; nicht einmal ein verlaufener ^und. Ich »ahm mich znsammen, ging wieder an die Tür und stieß sie auf. Drinneu war alles still; ich trat in das Zimmer, aus dem der Lichtschein gekommen war. Auf dem KaminfimS stand ein rote- Wachslicht — es flammte hell auf und da sah ich — —"
»Ich wnß schon, wuS Sie gesehen haben. Sie sind mehrmals rings um da» Zimmer gegangen, dann bei dem Leichnam hingekmet, haben versucht, die Küchentür zu öffnen und dann-"
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