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Nr. 197.
X.
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
94. Jahrgang.
Erscheinungsweise: 6 mal wöchentl. Anzeigenpreis: Diek!einspa!1ige Zeile20Pfg., Sieklamen öO Pfg. — Schluß der Anzeigenannahme S llhr vormittags. — Fernsprecher S.
Dienstag den LS. August ISIS.
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Nach 1870 wurde von deutscher Seite mit allen Mitteln versucht, die Franzosen zu versöhnen und womöglich ein gutnachbarliches Verhältnis anzuknüpsen. Bismarck hat zu nnserm Nachteil die Erwerbung französischer Kolonien begünstigt, weil er glaubte, dadurch den Blick der Franzosen von dem Elsaß abzulenken und Kaiser Wilhelm II. gab sich alle Mühe, gute Beziehungen mit den Franzosen zu erlangen. Aber alles Liebesmühen war umsonst. „Nie davon sprechen, immer daran denken" — nämlich an das verlorene Elsaß-Lothringen— das war die französische Parole, solange man sich noch nicht stark genug fühlte, um auch offen den Haß gegen alles Deutschs zu predigen. Wenn man aber in den ersten Jahrzehnten auch noch nicht öffentlich den Krieg gegen Deutschland zu propagieren wagte, in der Stille wurde er mit allen Mitteln vorbereitet. Die Jugend wurde in der Schule durch entsprechende deutschfeindliche Gestaltung von Lesestücken schon verhetzt, und wie nachhaltig eine tendenziöse Erziehung der jungen Menschenseelen ist, das kann man in der Familie wie in der Gesellschaft tagtäglich und an den verschiedensten Bestricken merken. Wieviel mehr veraiftend wirkt eine gehässige Erziehung auf den Bolkscharakter, da ein gegenseitiges Sichkennenlernen erschwert und eine, einseitige Beeinflussung der öffentlichen Meinung eine Verständigung von Anfang an ausschließt. Wie unter der jüngsten Jugend der Keim des Hasses gepflanzt.wurde, davon nur zwei typische Beispiele. Seit der Trennung von Staat und Kirche gibt es ln Frankreich nur noch den sog. Moralunterricht, der in der Begründung der Notwendigkeit der sittlichen und rechtlichen Gesetze besteht. Nun heißt es in dem Lehrbuch, das die Grundsätze der Moral kennzeichnet, man müsse alle Menschen achten und schätzen, und ihnen weder etwas Böses tun noch wünschen. Das gelte auch für die Nichtfranzosen, aber das könne man von einem Franzosen nicht verlangen, daß er einen Deutschen achte oder liebe, da dieses Volk seinem Vaterland schwerstes Unrecht zugefügt habe. Als „llnterbaltungslektüre" für die jüngste Schuljugend, ver in Deutschland zur Uebung ihrer Lesekunst „Frau Holle" oder „Schneewittchen" gegeben werden, wurde eine widerlich rührselige Geschichte eines Elsäßers konstruiert, der auf seinem Totenbette seinen zwei noch minderjährigen Kindern das feierliche Versprechen abnimmt, sie möchten zur „Mutter" Frankreich zurückkehren. Natürlich sind der Elsässer und seine Familie von den Deutschen hundsmiserabel behandelt worden. Und nun wird die Geschichte der beiden Waisen erzählt, wie sie über die Grenze fliehen und durch ganz Frankreich ziehen, überall von den „Brüdern" aufs beste ausgenommen. Zugleich wird nicht verfehlt, den Kindern die Größe, Schönheit und Bedeutung Frankreichs durch Schilderung der Städte und Landschaften, die bis Waisen durchziehen, vor Augen zu führen. Das Bestreben dieses üblen nationalistischen Machwerks, das nur eins von den vielen gleichwertigen ist. Haß und Feindschaft gegen Deutschland in die Kinderseele zu säen, tritt natürlich auf jeder Seite mehr oder weniger verhüllt zu Tage. Die politischen Fragen wurden vor dem Kriege meistens nur unter dem Gesichtspunkte der Revanche behandelt, sowohl in der inneren wie in der äußeren Politik. In Deutschland Efde diesem dauernden Spiel mit dem Nevanchekriege schließlich gar kein Wert beioelegt, während England Lurch Ankauf einflussreicher französischer Zeitungen den französischen Natwnalhaß noch besonders für seine Zwecke auszu- bauen und ausznnutzen wußte. Als Frankreich 1913 die orenah'nge Dienstzeit einführte, da wußte jeder Franzose, daß mese Beeinträchtigung der individuellen Freiheit nicht langer Dauer sein konnte, daß also der Krieg vor
stand. Die deutsche Negierung aber zeigte sich em drohenden Verhängnis nicht gewachsen. Sie war zu reiner großzügigen Aenderung der traditionellen Bolitik GMg. wie etwa Entstand, das die Türkei in dem Äugen- A^gab, als es den Hauptoegner vernichten wollte. - ne Annäherung an Rußland und gleichzeitig an Japan yatte unbedingt den Krieg verhütet. Diese Elastizität aber -^7. unser dvnaftisch-feudalistisch beengtes System der aus- vartinen Politik nicht.
w"^n auch viele Stimmen in Frankreich, die um Aiag-Lothnngen keinen Krieg mehr wollten. Aber die Erziehung und die öffentliche Meinung tat das ihre. Und wir noch eins beachten. Frankreich hat seit oem 30jährigen Krieg in Europa die erste Rolle gespielt, -ne», physiologisch-geographisch und rassenpsychologisch ußte von jeher das französische Interesse nach Osten gehen, -ä« dem Grade aber, in dem die Bevölkerung Frankrei^i
stagnierte, in dem Grade zeigte sich instinktiv das Bestreben des völkischen Selbsterhaltungstriebs, durch äußere Blutzufuhr das eigene Wachstum wieder zu fördern. Wenn deshalb heute deutsche Idealisten an eine Verständigungsmöglichkeit glauben, so mögen sie sich die systematischen Französisierungsbestrebungen in den Rheinlanden vor Augen führen, und namentlich in Elsaß-Lothringen, wo der Kampf gegen die deutsche Sprache mit einer Rücksichtslosigkeit geführt wird, die nicht mehr zu überbieten ist. Die Franzosen können aus eigener Kraft den Niedergang ihres Volkstums nicht mehr aufhalten, deshalb soll er — wenigstens soviel wie möglich — durch gewaltsame Nationalisierung fremder Volksteile aufgehalten werden. Auch darin liegt eine Erklärung des französischen Nationalhasses gegen Deutschland. O. 8.
*
Der Kamp? der Franzose«
gegen die elsStzische Heimatsprache.
Mehr Achtung für unsere Heimatsprache.
Unter dieser Ueberschrift verwahrt sich der Kolmarer „Kurier" gegen die andauernden Belästigungen der Elsässer und Lothringer wegen des Gebrauchs ihrer Muttersprache. Die Zeitung erinnert daran, daß Frankreichs Generäle dem Elsaß die Respektierung seiner Eigenart versprochen haben und fährt dann fort: „Wie aber reimen sich die Beteuerungen mit dem, was wirklich geschieht? In Lothringen entwickelt sich ein Kampf gegen die Heimatsprache, In Stratzburg muß die Polizei eine Dame protokolliere,», weil sie zwei junge ^Elsässer, die sich in ihrer Heimatsprache unterhalten, als „Boches" bezeichnet. Neulich erklärte ein aus dem Innern Frankreichs zu uns gekommener Schulinspektor einem Maire einer Landgemeinde: „Bis in 5 Jahren werden in den Städten und größeren Gemeinden auf dem Lande alle Leute nur mehr französisch sprechen, bis in zehn Jahren in allen andern Gemeinden"
— worauf ihm aber die prompte Antwort wurde: er solle dies ja nicht glauben. Man werde mit Knecht und Magd oder mit dem Rapp und dem Blässel nicht französisch reden, die liebe Muttersprache überhaupt nie lassen.
In ein Abteil der 2. Klasse stieg dieser Tage ein Ehepaar ein, das offenbar hier im Elsaß Verwandte besucht hatte. „Wie froh bin ich," rief die Frau aus, „wieder hier los zu kommen. Diese abscheuliche Sprache gellt mir noch immer in den Ohren. Sie ist noch schlimmer, als die Sprache der Boches." Die Aufzählung derartiger unliebsamer Vorkommnisse könnte leicht fortgesetzt werden. Aber sie wird genügen, um zu zeigen, daß die Wirklichkeit in vieler Hinsicht in direktem Widerspruch mit den Versprechungen steht und wir nicht umsonst die Forderung stellen: Mehr Achtung für unsere Heimatsprache! —
Zu diesem Kapitel bringt auch die „Straßb. Neue Zeitung" einen Beitrag. Mehrere Elsässer unterhielten sich im Eisenbahnzug in ihrer Muttersprache. Eine mitfahrende Dame sprang wie von der Tarantel gestochen auf und schrie: suk
Larisienne, je ns psux pas entenäre cette langue docke, cm clirait qu'on est en Kockie . . ." (Ich bin Pariserin, ich kann diese Bochesprache nicht hören; man meint, man sei in Bochien.) Die Pariserin rauschte in das benachbarte Abteil und die Elsässer — duckten sich. Die Zeitung bemerkt hierzu: „Wem es bei uns nicht patzt, kann die Vogesen von der andern Seite bewundern. Man fragt sich bei dieser Gelegenheit: „Wohin soll dies alles' noch führen? Haben die Elsässer überhaupt noch Rechte? Müssen wir uns denn dies alles gefallen lassen?"
— (Nach alledem muß es eine wahre Wonne sein, im Elsaß zu leben.)
Französische TruppenverstLrkunge« im besetzten Gebiet.
Berlin, 26. Aug. Nach dem „Berliner Tageblatt" finden seit einigen Tagen neue französische Truppenverstär- kungen in der Pfalz in bedeutendem Umfange statt. Die meisten bisherigen Garnisonen wurden erheblich verstärkt. Ueberdies wurde in 16 Ortschaften des Bezirks Speyer, in denen bisher keine Truppen lagen, Militär untergebracht. --- Die Verstärkung der militärischen Besatzung geschieht im Interesse der Abtrennung der Pfalz von Deutschland.
Ei« neue« Akt französischer Willkür.
* Mannheim, 26. Aug. Nach der „N. Bad. Landesztg." er eignete sich in Speyer ein neuer Akt französischer Willkür. Der zur Sicherung der dortigen Regierungsgebäude bestellte Kriminalbeamte Manz wurde auf die französische Kommandantur befohlen: aber nach belanglosen Fragen wieder entlassen. Auf dem Heimwege wurde Manz von einem franzö
sischen Unteroffizier tätlich beleidigt, der ihn dann seinerseits auf der Wache der tätlichen Beleidigung beschuldgte, um eine Verhaftung zu konstruieren. Daraufhin wurde Manz, der vorher noch seine Vorgesetzten von dem wahren Sachverhalt verständigen konnte, von den Franzosen ins Gefängnis geworfen.
Zur Schere» Lage.
Ein Protest der deutsche« Bischöfe gegen die Zurückhaltung der Kriegsgefangenen.
Berlin, 2b. August. Nach der „Germania" haben '3 auf der Fuldaer Bischofskonferenz anwesende deutsche Bischöfe einen Protest gegen die Zurückhaltung der deutsch n Kriegsgefangenen unterschrieben, in welchem es u. a. heißt: Noch immer weigern sich die Ententemächte, besonders Frankreich, trotz der Beendigung des Krieges und entgegen allen Grundsätzen der Zivilisation, den unsagbaren Leiden von 800 000 kriegsgefangenen Deutschen ein Ende zu bereiten. Wir spreck^n offen unsere Entrüstuna aus üb-r dieses himmelschreiende Unrecht. Die Angehörigen der Kriegsgefangenen mimen überzeugt sein, daß von uns jeder nur möoliche Weg beschritten wird, um zu erreichen daß die Fortsetzung der unmenschlichen und widerckristlich-'n Handlungen der Ententeregierungen geaen die armen Opfer der Gefangenschaft endlich eingestellt werden.
Die bevorstehende Rückführung der deutschen Kriegsgefangenen aus England.
(WTB.) Homburg v. d. H„ 26. Aug. Vom Stab der Trupes Rhein wird über die Rückführung der in England bellnd. lichen deutschen Kriegsgefangenen gemeldet: Nach Milteilui g des englischen Armeeoberkommandos an den deutschen Eencral- stabsofstzier des Brückenkopfs Köln wird die Rückführung der deutschen in englischer Hand befindlichen Kriegsg-Eange'en voraussichtlich um den 3V. August beginnen. Bei der AbnaM'-e- kommission Köln-D.eutz dürfte etwa alle zwei Tage ein Bahntransport von 2600 Kriegsgefangenen eintresfen. Es ist - s- absichtigt, die Züge abwechselnd den Durchgangslagern Gießen und Mesckede zuzuleiten.
Die Ursache« des Ausstandes in Oberschlesien.
(WTB.) Breslau, 25. Aug. Der Pressedienst des L i er, Präsidenten der Provinz Schlesien teilt mit: Im Breslauer Landeshaus fand am Montag mittag eine informatorische Besprechung der zum Reichs- und Staatskommissar Heising entsandten Ententemilitärmisiion mit den Vorständen der schlesischen provinziellen Behörden statt, zu der Vertreter der oberscblesischen Behörden und der Industrie, sowie die Führer sämtlicher oberschlesischer Gewerkschaften geladen waren. Ober» Präsident Philipp begrüßte die unter Führung des englischen Oberstleutnants Tidbury stehende Kommission. Er sprach die Hoffnung aus, daß ihre Informationsreise durch ^a» Auf standsgebiet dazu führen werde, die Entente von der Haltlosigkeit der von polnischer Seite gegen die deutsche Regierung und das deutsche Militär erhobenen Anschuldigungen m überzeugen und die wahren Triebkräfte der bedauerlichen Vorgänge in OLerschlesien festzustellen. Er bedauerte, daß tr-tz seiner Aufforderung an Korfanty ihm die Adressen polnischer Vertrauensleute zwecks Teilnahme an dieser Sitzung ni "t gegeben worden seien. Sodann entwarf Reichs- und Stasis, kommissar Hörsing in längerer Rede ein Bild von den politischen Verhältnissen in Oberschlcsien und ihrer Entwicklung se-t den ersten Monaten des laufenden Jahres. Er wies an Hans» amtlichen Materials den inneren Zusammenhang der spnma- kistischsn und nationoGslnischen Bewegung n-'" ' ' orte r-s
Zusammenarbeiten beider Organisationen und Bestreben, die oberschlesische Arbeiterschaft durch maßlose Verhetzung ihren politischen Zwecken dienstbar zu macken. Generalstabschef Major Hesterberg erörterte die militärische Lage und beton:s die Mitwirkung regulärer polnischer Truppen an der As» staudsbewcgung. Der Kommissar der Mi'itssr"os'?>.ü, Horrig, s eilte Material zur Verfügung, aus dem die geheim« Arbeit der groß-polnische« Propaganda und die umfassende Vorbe-ec» tung des Ausstandes durch die Polen klar hcrvorgeht. Dis Ausführungen der behördlichen Stellen wurden durch alle weiteren Redner der oberschlesiscken Arbeitgeber- und Arbeit, nehmerfckaft im einzelnen vollinhaltlich bestätigt- Obersts'" t» nant Tidburv dm'<e namens der Kommission für die ^n. formationen, erbat sich weiteres Material und sicherte völlig objektive Prüfung des deutschen Standpunktes und des deutschen Materials zu. Die Kommission begibt sich am Dienstag früh zunächst nach Gleiwitz.