Angeklagte hatte Fortifikationspläne der Festung Posen nach Rußland verkauft.
— Das Berliner H otelwesen verfeinert sich immer mehr. Vor einigen Tagen hat, wie mitgeteilt, Unter den Linden in Berlin das Prunkholei Adlon, mit einem Kostenaufwande von 17 Millionen Mk. errichtet, seine Pforten geöffnet. Jetzt folgt ihm das Hotel „Fürsien- hof" am Potsdamer Platz. Auch dieser Bau kostet 15 Millionen Mk. Auch hier ist die Einrichtung raffiniert zu nenne». Jedes Fremdenzimmer hat sein eigenes Wand- und T'schtele- fon, seinen eigenen Briefkasten, hat Waschtische mit kaltem und warmem Wasser, eine Leitung für Trinkwasser usw. Das Hotel hat auch ein großes Restaurant, für das 220 Köche tätig sind. Wie das gegenüberliegend? Weinhaus „Rheingold," so gehört der „Fürstenhvf" der Aschinger-Aktien-Gesellschaft, der Dutzende von „Bicrquelltn" in der Stadt gehören. Es ist r och gar nicht lange her, daß die Gebrüder Aschinger, geborene Bayern und die blauweißen Farben an ihren Brerquellen, nach Berlin kamen und ihre erste Stehbierhalle mit Brötchenverkauf errichteten. Bald folgten weitere Bier- quellen, und heute findet man sie in allen Stadtteilen vertreten. Mit der Zeit wurde eine Aktiengesellschaft daraus. Immer höher gings hinaus, von Banken unterstützt. »Rheingold" und „Fürstenhvf" bilden die Krönung aber es wird Mühe und Arbeit kosten, der Krone den Glanz zu erhalten.
London, 13. Nov. Mir dem großartigen Empfang der dem deutschen Kaiserpaar heute mittag von der Bevölkerung und den Sladt- behörden Londons bereitet wurde, erreicht sein Besuch auf englischem Boden gewissermaßen seinen Höhepunkt. Jeder etwa noch mögliche Zweifel an der außerordentlichen Herzlichkeit der Aufnahme, die dem Kaiserpaare am Hofe von Windsor zu teil geworden ist und die auch der Gesinnung des englischen Volkes entspiicht, wurde schon durch den beispiellosen Enthusiasmus hinfällig, mit dem die kaiserliche Kavalkade auf dem ganzen weiten Wege vom Padding- ton-Bahnhof nach dem City-Rathause von einer nach Zehntausenden zählenden Menschenmenge begrüßt wurde. Die fast eine deutsche Meile lange Via Triumphalis, die vom Hyde- Park in Westend Oxford Street entlang bis ins Herz der Altstadt führte, war für die in dieser Beziehung ziemlich anspruchslosen Londoner Verhältnisse unerhört reich mit Fahnen Guirlanden und Trophäen aller Art geschmückt, die einem furchtbaren Unwetter, das mit Sturm und Hagelschlag während der Nacht über die Stadt niedergegangen war wacker standgehalten hatten. Nur einige der ausgesuchtesten Dekorationen, wie die des Hauses Baring, das für den Blumenschmuck seines Hauses allein 20 000 Mark ausgegeben halte, bedurften einiger Auffrischung. Obwohl d>e Londoner sonst Langschläfer sind, begannen zur selben Zeit auch schon die Schaulustigen sich einzufiiiden. Als der eigentliche Zug mittags m Padding- ton eintraf, standen die Menschenmassen zu beiden Seiten der Straße hinter den Rotröcken der fpalierbildende» Gardetruppen Kopf an Kopf und von den zahlreichen Fenstern mit dem Blick gegen die Feststraße war kein einziges leer. Während dann die vierspännige offene Karaffe mit dem Kaiierpaar. gefolgt von 5 Staatskutschen mit dem kaiserlichen Gefolge, unter den brausenden Zurusen aus tausend und abertausend Keblen langsam der City zufahr und der Kaiser beim Oxford»Zirkus die Huldigung des Bürgermeisters von Westminster entgegennahm, versammelte sich im Bibliolhek- saal deS Rathauses der sogenannten Gulldhall eine glänzende Gesellschaft, um das deutsche Herrscherpaar dort willkommen zu heißen; der Lordmajor mit dem großen Beamtenstabe der Oberbürgermeisterei in ihren altfränkischen, goldgestickten und pelzverbrämten Gewändern, die Minister und hervorragende Mitglieder des Oberhauses, Hofchargen, Richter, Generale, viele mit ihren Damen, vereinigten sich zu einer über 800 Köpfe zählenden Versammlung, die den Glanz der englischen Gegenwari eindrucksvoll repräsentierte. Die Szene in der Gmldhall war eine-der glänzendsten, welche das historische Gebäude je gesehen hat. Unter
den Geladenen befanden sich neben der Elite Englands die hervorragendsten Mitglieder der deutschen Kolonie. Das Kaiserpaar wurde mit außerordentlicher Begeisterung begrüßt. Kaiser Wilhelm, der deutsche Husarenuniform trug, sah vorzüglich aus und erwiderte die Ovation lebhaft. Der Monarch war sichtlich bewegt über die Wärme des Empfanges seitens der englischen Hauptstadt.
Lokales.
Sitzung der bürgerlichen Kollegien
vom 9. November 1907.
Gemäß Art. 27 der Bezirksordnung wird heute unter Leitung des Stadtvorstands von dem vereinigten Gemeinderat und Bürgerausschuß die Wahl der Abgeordneten zur Amtsversammlung und deren Stellvertreter, deren Zahl von den bürgerlichen Kollegien für Wild- bad auf 3 festgesetzt wird, mittels geheimer Abstimmung auf die Dauer vvn 3 Kalender, jahren vorgenommen. Es wurden gewählt: als Abgeordnete: Stadtschultheiß Bätzner,, Stadtpflcger Gutbub, Ludwig Kavpelmann Kaufmann, Fritz Kufch sr., Zimmermeister, Friedr. Brachhold, Schreinermeister, Bürger- ausschußobmaun Wilhelm Pfeiffer und Ehrt stof Treiber, Gastwirt. Als Stellvertreter Karl Güthler, Gasverwalter, Karl Aberle, Kaufmann und Gustav Riexing er, Buchbin dermeister. Die Gewählten erklären die Wahl anzunehmen.
Nach dem Beitrag der hiesigen Stadt zu dem Bedarf der AmtSkörperschast sind die hie> sigen 7 Abgeordneten nicht in jeder Amtsversammlung alle stimmberechtigt, iondern nur in jeder 2. Amtsversammlung. Die bürgerlichen Kollegien erklären sich mit dem Vorschlag des Kgl. Oberamts einverstanden, daß von den hiesigen Abgeordneten in der I., III., V., VII, IX und XI. nach den Bestimmungen der Be- ziiksordnung stattsindenden Amtsversammlung je 7 und in den übrigen je 6 mit Stimmrecht teilnehmen.
Um die Anfangs nächste» Jahres zur Erledigung gelangende, mit Rücksicht auf den bedeutenden Geschäftsanfall im Siadtbauamt aber schon auf I. Dezember ds. Is. neu zu besetzende Stadtbaumeisterstelle haben sich 20 Bewerber gemeldet. Aus der Zahl der Bewerber werden von der hiezu bestellten Ävmmission folgende Herren dem Gemeinderat zur engeren Wahl vorgeschlagen: Robert Hammer, Bauwerkmeister hier, Christian Munk, Bauwerkmeister in Stuttgart, Otto Hagemeyer, Kgl. Straßenmeister und Bauwerkmcister in Horb a. N., Stadtbaumeister Weik in Crailsheim, Oris- baumeister Allmendinger in Vaihingen a. F. und Bouwerkmeister Zweigle in Stuttgart. Es wird beschlossen, die Anstellung des neuen Stadibaumeisters auf 1. Dezember d. Is. unter den durch Beschluß der bürgerlichen Kollegien vom 23. August d. Is. festgesetzten Gehalts- und Ansteüungsverhältnisscn (3500 Mk. Gehalt und 6 monatliche Kündigung) und unter Zugrundlegung der am gleichen Tage aufgestellten Dienstanweisung mit Dienstvertrag erfolge» zu lassen. Vom Gemeinderat wird nun mit 7 von abgegebenen 9 Stimmen gewählt: Christian Munk, Bauwerkmeister in Stuttgart, welcher auch sofort die Wahl anzunchmen erklärt.
Der Nikolauspflege, Blindenbildungsanstalt für blinde Kinder in Stuttgart, wird zum N erbau ihrer Blindenanstalt in Stuttgart auf der Höhe gegen Bvthnang am Kräherwald ein einmaliger Beitrag von 50 Mk. verwilligt.
Gemeinderat Karl Eitel stellt den Antrag, die techniiche Bewirtschaftung der Stadtwaldungen durch die Staatsforstverwaltung auf 1 Juni 1908 zu kündigen, da es ein allgemeiner Wunsch der hiesigen Bürgerschaft sei, daß die Stadt für die Bewirtschaftung ihrer Waldungen wieder einen Stadtförster anstelle. Wie er erfahren habe, laufe die lOjährige Wirtschaftsperiode durch die Staatsforstverwaltung auf 1. Juni 1908 ab und müsse die Kündigung 6 Monate vorher, also vor dem 1. Dezember 1907 erfolgen, andernfalls die Stactts- beförsterung weitere 10 Jahre daure. Nachdem der Antrag des Eitel aus der Mitte der bürgerlichen Kollegien lebhaft unterstützt wird, er-
- klärt der Vorsitzende, daß er es bei der außer* ordentlichen Wichtigkeit des Gegenstandes für verfehlt halten würde, eine Entscheidung sofort in heutiger Sitzung zu treffen. Es wird hie« nach beschlossen, in einer demnächst anznberau- menden öffentlichen Sitzung über den Antrag !des Eitel zu beraten.
Die Bürger von Sprollenhaus stellen die Bitte, es möge in ihrer Parzelle neben dem z Schulläuren wieder das allabendliche Betglocken- läuten mittels der Schuluhrglocke eingeführt werden und hat sich Schullehrer Böttinger bereit erklärt, das Läuten gegen eine angemessene Belohnung zu besorgen. Es wird beschlossen, dem Wunsche der Einwohner von Sprollenhaus zu entsprechen und dem Schullehrer Böttinger für die Besorgung des Schul- und Betglockenläutens vom 15. November d. Is. an eine jährliche Belohnung von 20 Mark aus der Stadtkasse auszusetzen.
Es folgen Decretureu, Bausachen und verschiedene kleinere Gegenstände.
Unterhaltendes.
„Frau Lore".
Erzählung von I. Jobst.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Die hohen Wipfel der Waldesmaffen wogen aus und ab wie ein brausendes Meer, die Luft ist lebendig geworden. Wie mit tausenden von Stimmen stöhnt und heult es draußen, die Blitze fahren in den Grund, die Donner krachen. Kaltes Grausen packt die junge Frau und doch verliert sie nicht ihre Kaltblütigkeit. Mit leiser Hand streichelt sie die zitternde Greisenhand. Immer von neuem flüstert sie ihm beruhigende Worte zu, er fühlt es mehr, als daß er versteht. Schon glaubt sie, die Schrecknisse überwunden zu haben, da züngelt es in glühendem Zickzack herab, das Haus erbebt bis auf den Grund, ein Krachen, als ob die Erde bersten wollte — und in lodernden Flammen, gleich einer Feuersäule, brennt die hohe Tanne vor dem Hause lichterloh zum Himmel empor. Sie sinken beide in halbe Betäubung, Lore und der Vater, und als sie das Bewußtsein wieder gewinnen, sehen sie die Riesenfackel gierig das Mark des Baumriesen verzehren. Schaurigschön ist der Anblick, auf den sich die weitgeöffneten Augen mit stierem Ausdruck richten.
Lore sieht das Verhängnis nahen, sie kann ihm nicht wehren, in wildem Drängen entzieht sich der Vater ihrer haltenden Hand. Er springt auf mit gellendem Schrei, und die geballte Faust trifft das Fenster, daß das Glas in Scherben hinausfliegt.
„Die Flammen, die Flammen!" stößt die keuchend arbeitende Brust hervor, „da sind sie wieder, nnd der Rauch, der dicke Rauch!"
„Vater!" flehte Lores weiche Stimme, „komm setze Dich her."
Aber der Irre hört sie nicht, er rast immer im Kreise im Zimmer umher und tobt weiter. „Ich will seinen Kopf sehen, seinen Kopf. — Er hat das Geld genommen — das Geld genommen."— Einen Augenblick steht Nordmann vor dem altmodischen Schreibsekretär, still, der die eine Wand des Zimmers einnimmt, und stiert auf denselben hin, wie in tiefen Gedanken.
„Da lag es — das viele Geld," stöhnt er von neuem, und er sucht, wie um Hilfe flehend, das Auge seiner Tochter, die ihm gefolgt ist und ihren Arm zärtlich um ihn schlingt. Sie sehen es beide nicht, daß da draußen das wilde Flammenspiel zu Ende ist, denn der Himmel öffnet endlich seinen Schoß, um strömenden Regen hinabzusenden.
Das Toben der Lüfte erstirbtjin sanftem Wehen, nur das Rauschen der niederstürzenden Wasser klingt durch das zertrümmerte Fenster in das Murmeln des Kranken, der vor den Augen der atemlos lauschenden Lore den Vorhang lüftet, welcher das grauenhafte Gespenst der Vergangenheit verhüllt. Es ist nur ein schmaler Spalt, der sich vor ihr auftut, aber er genügt, um in ihrem rastlos arbeitenden Hirn den Boden zu erschüttern, auf dem die Schuldfrage