düng des Reiches. In diesem heißen Kampfe der Geister rechnen wir aus die Jungmann­schaften Erfahrung im Wahlstreit und un­gestümer Jugsndmut müssen zusammenwirken, um den Gegner niederzuwerfen. Die Regie­rungen haben den Druck des Zentrums als unerträglich befunden und, da es galt, die nationale Ehre zu wahren, blieben sie fest. Nun gilt es für uns zu zeigen, daß wir die Kraft besitzen, das deutsche Volk zu besseren Tagen zu führen. Niemand hat bilterer das Joch des Zentrums, den Druck der Sozial­demokratie beklagt, als die Nationalliberale Partei, und in ihr ist niemand stärker gegen den täglich sich mehrenden Einfluß des Zen­trums zu Felde gezogen, als unsere Jugend. Nun ist die Bahn frei! Die Fäden, welche jahrelang gemeinsame Arbeit auf manchem Ge­biete der wirtschaftlichen und sozialen Entwick­lung zwischen den übrigen bürgerlichen Par­teien und dem Zentrum geknüpft hatte», sind durch die Politik derer um Erzberger zerrissen und der Kampf gegen ultramontane Herrsch­sucht ist heute durch keinerlei taktische Draht­zäune eingeengt. Dem Liberalismus ist noch­mals der Weg zu den Höhen, von denen er seine Weltanschauung betätigen kann, freige­macht; ein historischer Augenblick ist gekommen. Versagen wir im Kampfe, kehrt der Ültramon- tanismus ungeschwächt zurück, dann ist er jeder­zeit in der Lage, im Bunde mit der Sozial­demokratie die nationale Entwicklung des Reichs zu schädigen und er wird, weil den Regierungen im Kampf gegen die stärker gewordene Sozial- demokratie noch unentbehrlicher geworden als bisher, noch mehr im Besitze der Macht und Willens sein, die freiheitliche Entwicklung unseres Vaterlandes zu hindern. Wenn dies das Er­gebnis der Neuwahlen sein sollte, dann geht unser Volk noch trüberen Tagen entgegen, als sie ihm schon heute beschicken sind. Bei der Schwere des Kampfes und der Höhe des Einsatzes tut es not, sich des Ernstes der Lage und der Not­wendigkeit des Sieges voll bewußt zu sein. Und nun auf zum Kampf! Nützt die Wochen des Aufmarsches zu rastloser Wühlarbeit, füllt die Schlachtreihen mit begeisterten Mannen und wenn am 25. Januar die Hörner rufen, werft mit jugendstarkem Mute die Gegner zu Boden. Ich rufe unsere nationalliberale Jugend in ernster Stunde: Auf die Schanzen, zum Kampfe für Deutschlands Ehre, für Deutschlands Zu­kunft!

Teheran, 9. Januar. Der Tod des Schahs trat um 5 Uhr nachmittags ein. Der Thronfolger weilte mit den Ministern am Sterbe­lager. Die Vertreter der Mächte wurden -im Laufe des Abends vom Tode des Schahs be­nachrichtigt.

Zum Thronfolger ist bestimmt, der äl­teste von 6 Söhnen, Muhammed Ali Mirza, der am 21. Juni 1872 geboren ist. Er wurde im Anfang der Krankheit des Vaters aus seiner Provinz im Süden als Verweser der Regie­rung nach Teheran berufen.

Aus Amerika. sDie japanische Konkur­renz in den Vereinigten Staaten.s DerTimes"- Korrespondent in Kalifornien erklärt, es sei durchaus nutzlos, sich der Tatsache verschließen zu wollen, daß in Kalifornien die japan-feind­liche Stimmung allgemein sei. Der Grund da­für sei in der Geschicklichkeit und in dem Fleiße der Japaner zn erblicken. Diese arbeiteten auf jedem Gebiete und würden schnell reich. Da­bei lebten sie einfacher als die Weißen und wüßten mit kleinerem Profit zufrieden zu sein und dem Boden bessere Fruchternten abzu­locken. Fast der ganze Bahnbau des Staates befinde sich in japanischen Händen. Ueberall öffneten sich japanische Läden, Restaurants und Schneidergeschäfte. Der Amerikaner sehe sich durch seine eigenen Geschäftsmethoden geschlagen. Gegen den Chinesen habe der Kalifornier we­niger einzuwenden, denn dieser begnügt sich damit, die Arbeit zu finden, die der Weiße nicht tun möge und ihm zuweise, während der Japaner aus jedem Gebiete konkurriere. In Kalifornien herrsche fast durchweg die Ueber- zeugung, daß die Japaner, wenn sie ihre Fi­nanzen erst wieder in Ordnung gebracht hätten, den Krieg erklären würden. Gegen diese Ueber- zeugung helfe kein vernünftiges Zureden.

Lokales.

Wildbad, 10. Jan. Bei der gestrigen Wahl der 8 Abgeordneten im zweiten Landes­wahlkreis erhielten hier die:

Deutsche Partei 1117 St. Volkspartei 2670

Sozialdem. Partei 1066

Konserv. Partei u.

Bund der Landw. 142

Centrum 195

Bei der Deutschen Partei erhielt die höchste Stimmenzahl vr. Ke hm mit 447 St., bei der Volkspartei W. Fischer, Stationskassier mit 441 St., E. Meise! erhielt 327 St., bei der Sozialdem. H. Mattutat mit 400 St.

HlnterHattenöes.

Das Testament.

Erzählung von Georg Hartwig. sForts.) Nachdruck verboten.)

Und noch eins aber diese Mitteilung ist durchaus privater Nalnr. Man spricht, wie ich hörte, von einer Vorgefundenen Summe Gel­des. Die Herzensgüte meiner Braut ist bekannt. Sie pflegt Beleidigungen mit Wohltaten zu vergelten. In diesem Falle tat sie es nicht. Meine diesbezügliche Annahme war falsch. Frau von Karstenbrock hat ihren heruntergekommenen Jugendbeksnnten mit keinem Markstück unter­stützt.

Höckner, dem diese edle Veranlagung Elfrie- dens unbekannt geblieben war und der neben­bei stark ungläubig erschien, konnte sich eines flüchtigen Lächelns nicht erwehren.

Keine Sorge! Dieser Punkt könnte nur dann zur Sprache kommen, wenn Jordan sich mit der Herzensgüte der Frau von Karstenbrock zu rechtfertigen suchte."

Jst's wahr? Jordan ist erkrankt?"

Ja. In derselben Nacht schon, als man ihn zur Haft brachte, wurde er von einem hitzi­gen Fieber befallen, so daß seine Anwesenheit bei der Leichenschau ausgeschlossen bleiben mußte. Die Ermordete ist bereits beerdigt."

Und er hat sich noch zu keiner Art Ge­ständnis bequemt?"

Morgen wird er, wie ich höre, soweit her­gestellt sein, um ein Verhör mit sich vornehmen zu lassen. Ich glaube gern," fügte er teil­nehmend hinzu,daß Ihnen die ganze Ge­schichte fatal ist."

Abscheulich ist sie für mich!" rief Balder mit gepreßter Stimme.Wenn es nach dem Missetäter ginge und seinem vertrauensseligen Verteidiger, würde man mir zur Ableitung eine Anklage wegen Erbschleicherei an den Hals werfen. Leider gibt es keinen Zeugen mehr für mich, seit die Hirzel tot ist."

Das ist in der Tat ein spezielles Pech für Sie."

Diese alberne Person muß doch um Gottes willen nehmen Sie nicht ein Glas Wein? in das verseuchte Hamburg gehen, um da ver­scharrt zu werden wie ein Mops. Ihr letzter Brief war übrigens nicht vom 1. Januar, wie ich anfänglich glaubte, sondern vom Mai des Cholerajahrs. Sie schrieb mir darin, wie ich mich jetzt genau erinnere, daß sie sich vor An­steckung fürchte, trotzdem aber Kranke pflege. Sie war immer dieselbe bigotte Person, für welche der alte Wittig viel Achtung und Dank­barkeit, aber nie Sympathie fand."

Doktor Witmann, Jordans Verteidiger, scheint wirklich die ganze Erbschaftsgeschichte noch einmal aufrühren zu wollen. Er ist nach Genf gereist. Seltsam ist der Umstand in der Tat, daß die Wellner irgend welche Beziehungen zu Wittig durchschimmern ließ, als sie von dem Testament desselben schrieb."

Balder lachte.

Und an eine Abenteurerin, die auf den Busch schlägt an eine frühere Geliebte Jordans, an alle die tausend Möglichkeiten, die da auf der Hand liegen, denkt man nicht? Da muß erst der arme Wittig wieder ans Licht gebracht werden."

Das macht ihm nun weiter keine Schmer­zen. Für die Verhandlung bleibt es natürlich

von höchstem Interesse, zunächst das Dunkel um die Person der Ermordeten zu erhellen. Lassen Sie das ruhen," scherzte Höckner, Bal­ders Arm nehmend, um ihn zur Gesellschaft zurückznführen,die Gegenwart, Ihre Gegen- wart ist so schön, daß Sie ruhig ein paar fa- tale Momente mit in den Kauf nehmen können."

Elsriede kam herbei. Ihre Augen strahlten. Sie hatte rasch hintereinander einige Gläser Wein getrunken, um das zum Schweigen zu bringen, was sich an Scham und Scheu in ihr zu regen begann.

Jetzt gehörst Du mir," sagte sie heiter, und ich gönne Dir keine Minute weiter die Gesellschaft dieses räuberischen Herrn. Dort ist Ihr Reich, Herr Polizeirat, unter den jun­gen Damen! Da rauben sie nach Herzenslust."

Er verbeugte sich lachend und ging zu der bezeichneten Gruppe, die ihn hier willkommen hieß.

Während hie, die Wogen des Genusses höher stiegen, durchmaß Wllsred Jordan mit noch un­sicheren Schritten den Raum, welchen man ihm in der Abteilung für erkrankte Untersuchungs­gefangene zum vorläufigen Aufenthaltsort an­gewiesen.

Der Fieberzustand, in welchen eine Reihe heftiger Gemütserschütterungen ihn versetzt und in welchem er Tage und Nächte lang seine Kräfte aufgerieben, hatte einer tiefen Niederge­schlagenheit Platz gemacht. Zeitweise fürchtete er für seinen Beistand und mußte es als Wohl­tat empfinden, wenn ein bitteres Hohnlachen ihn dieser quälenden Furcht wieder entriß.

Er wußte, daß er morgen den Besuch des Untersuchungsrichters zu gewärtigen habe. Diese Erwartung reizte seine empfindlichen Nerven und beschäftigte seinen Geist unablässig. Auf und nieder schreitend in Gedanken, Fragen und Antworten ersinnend und verbessernd, sprach er laut und leise m,t sich selber, die Arme über der Brust verschlungen.

Ueber alles vermochte und wollte er rück­haltlos Aufklärung geben. Nur nicht über den Umstand, welcher ihm die zweihundert Mark in die Hände gelegt. Diese Angelegenheit war nicht sein Geheimnis.

In diesem Zwiespalt rieb sich sein Pflicht­gefühl wund. Unzählige Male hatte er Martha Schnitzers unerbetene Teilnahme verwünscht und im Anschluß daran sein vorschnelles Verbrennen ihres ihn entlastenden Schreibens. Hätte er da­mit gezaudert, wie, leider,.er mit der Rückgabe des Geldes allzulange gezaudert, so wäre der entehrendste Verdacht ihm fern geblieben. Einen Moment bereute er, dem Polizeirat nicht gleich unter dem Siegel der Verschwiegenheit die Wahrheit anvertraut zu haben. Aber Anklage auf Mord und Verschwiegenheit.

Er warf sich auf sein Bett. Der Schlaf kam nicht. Durch die Gitterfenster kamen ein­zelne Mondstrohlen. Elfriedens Bild wob sich daraus zusammen. Aber seine Gedanken gehör­ten dem jungen, törichten Mädchen, das ihn in diese Verwirrung hineingestürzt.

Und plötzlich erkannte er den Beweggrund ihres unwillkommenen Tuns. Aber indem er ihn erkannte, fühlte er seiner Zunge doppelte, dreifache Fesseln dadurch angelegt.

Jetzt verstand er Martha Schnitzers zögern­des Verhalten in seiner Dachstube, ihre Bitte ihre Tränen. Somit wußte er auch, daß fix unter dem Drucke eines erzwungenen Veriöb. nisses schwer litt und daß, wenn nur die leisest^ Kunde ihrer Herzensneigung zu ihm zu den Ohren der Mutter und des Bräutigams drang, sie die kränkendsten Mutmaßungen über sich er­gehen lassen mußte. Mehr noch, daß diese leise Kunde sich zu einer öffentlichen Profanation und Bloßstellung ausdehnen würde, die ihre Sittsamkeit angriff.

Niemals! Ihre Ehre war mit seinem Schweigen unlösbar verschmolzen, mochte er sich unter dem Joch dieser Erkenntnis bäumen und winden, so heftig der Selbsterhaltungstrieb ihn dazu anstachelte.

Am nächsten Morgen betrat der Untersuch­ungsrichter seine Zelle. Einen rasch prüfenden Blick über die Gestalt des jungen Mannes glei­ten lassend, dem dieser schweigend Stand hielt, sagte er ohne weitere Einleitunng:Sie sind des Raubmordes, an der Person der Gabriele