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dem Beifügen erwähnt, daß es am 40. Geburtstag der Prinzessin staltfand, wes­halb sie Mattasich telegraphierteDieser Geburtstag sei der schönste ihres Lebens." Die Scheidungsklage hebt ferner den fort­gesetzten sinnlosen Aufwand der Prinzessin hervor, die mit Mattasich nach Nizza ging, von dort mit ihm verschwand und alle ihre Effekten, ihre Dienerschaft und eine große Schuldenlast in Nizza znrückließ. Die Klage betont ferner die Wechselaffäre, in welche die damalige Kronprinzessin Stefanie durch Fälschung ihres Namens verwickelt wurde. Den Konsequenzen dieser Handlungs­weise habe sich die Prinzessin mit Matta­sich durch die Flucht auf das koreanische Schloß Lobor, des Adoptivvaters Matta- sichs Keglevics, entzogen. Die Klage kon­statiert ferner, daß die Prinzessin damals aus Oesterreich ausgewiesen war, in eine Untersuchung wegen Wechselfälschung .ein­bezogen wurde, und daß gegen sie Wech­selsorderungen von mehr als drei Millio­nen siebenhunderttausend Kronen Vorlagen, Den Schluß der Klage bildet der Bericht über die ärztlichen Untersuchungen und die Behandlung des Geisteszustandes der Prin­zessin in Döhling, Purkersdorf und Kos- wig, ihre Flucht aus Elster nach Paris * und den weiteren Prozeß vor dem Wiener Hofmarschallamt, der mit Aufhebung der Wiener Kuratel endet. Hievon sieht aber die Klage ab und verlangt Ehescheidung wegen Verweigerung ehelicher Pflichten böswilliger Verlassung und Ehebruchs.

Mainz, 20. Juli. Ueber eine Schreck­ensfahrt von Bingen nach Mainz, die das BootElberfeld" machte, berichtet die Frankfurter Zeitung": Nach 7 Uhr, als Geisenheim passiert wurde, erhob sich ein furchtbares Gewitter. Der Sturm fegte alles vom Deck weg, was nicht festgchal- ten wurde. Die Hüte flogen nur so in den Rhein hinein. Das alles konnte den Hu­mor der Passagiere zunächst nicht stören. Plötzlich erfolgte aber ein heftiger Ruck. Das Schiff wurde an den Landungsbock in Freiweinyeim geworfen, so daß die Lan­dungsbrücke in die Höhe gehoben und schwer beschädigt wurde. Auch dieElberfeld" erlitt Beschädigungen. Eine halbe Stunde mußte manöveriel werden, bis das Boot von dem Bocke flott gemacht werden konnte. Inzwischen wurde der Sturm immer är­ger. Auf dem Zwischendeck im Salon ver­suchten die Leute mit ihren Kindern die Kajüte zu erreichen, diese war aber bis zum Treppenaufgang Kopf an Kopf gefüllt. Nun stürzte auch das große Zeltdach mit seinen eisernen Stangen auf dem Salon- Platz ein, das elektrische Licht erlosch und eine wahe Panik entstaud. Alles flüchtete auf das Vorderdeck. Ein Frankfurter Herr wurde von einer eisernen Stange getroffen und erheblich ersetzt. Endlich kam das Schiff nach Eltville. Dort verließen die meisten das Schiff und zogen vor, mit der Eisenbahn weiter zu fahren.

Hamburg. Der Prokurist einer hie­sigen Großkaufmannsfirma ist nach Unter­schlagung von 120000 Mark flüchtig ge­worden.

Auf den Oberpcokurator des heili­gen Synods Pobjedonoszeff ist am letzten Mittwoch in St. Petersburg ein Mordanschlag versucht worden. Wie der Rußkoje Slowo meldet, trat beim Einlreffcn des Oberprökurators, der aus Zarskoje- Selo auf dem St. Petersburger Bahnhof ankam ein junger Mann auf ihn zu und ver­suchte emenRevolverschuß aus ihn abzufeuern. Ein mit Pobjedonoszeff eingetroffener Rei­

sender vermochte dies jedoch zu verhindern und übergab den Mann der Polizei, die ihm den geladenen Revolver abnahm. Nur die Geistesgegenwart dieses Reisenden, des­sen Namen unbekannt blieb, rettete den Oberprokurator. Dieser fuhr nach dem Anschlag zum Gebäude des Synods und kehrte später ohne jede Begleituug nach Zarskojc Selo zurück. Der Verhaftete zählt 28 Jahre.

Mim« dn lmgerliitzkil Kollkgim

am IS. Juli 19VS.

Das Gesuch der städt. Holzhauer, ihnen für das im Stadtwald angefallene Wind- wnrfholz einen Macher- und Anrückerlohn von je 1 Mk. 30 Psg. zus. also 2 Mk. 60 Pfg. statt seitheriger 2 Mk. 20 und für Brennholz von 2 Mk. statt 1 Mk. 90 Pfg. zu bewilligen, wird insoweit ge­nehmigt, daß ein Macherlohn von 1 Mk. 30 und ein Anrückerlohn von 1 Mk. 20 zus. 2 Mk. 50 und für Brennholz 2 Mk. bewilligt werden, Die Schwierig­keiten, die mit dem Machen und Anrücken des meist schwachen Windwurfholzes. ver­bunden sind, sprachen für eine Erhöhung der Löhne, andererseits wurde aber betont, daß derartige hohe Löhne wohl sonst nir­gends bezahlt werden und wurde an die Bewilligung die ausdrückliche Bedingung geknüpft, daß die erhöhten Löhne nur kür den diesmaligen Windwurfanfaü bezahlt werden, und daß die Holzhauer daraus ein Recht, bei späteren Anlässen ähnliche Lohnforderungen zu machen, nicht herleiten dürfen. j, , . / .

Kfm. Philipp Bosch hier bittet um die Erlaubnis, am Enzbett bei seinem Hause in der Hauptstraße eine Ufermauer auf seine Kosten anbringen und dieselbe in gleicher Weise mit einem Geländer verse­hen zu dürfen, wie die gegenüberliegende beim Gasthaus zum wild. Mann. Gegen das Gesuch wird geltend gemacht, daß durch Errichten einer Ufermauer den Pferdebe­sitzern die Gelegenheit genommen werde, ihre Pferde an dieser Stelle zur Schwemme zu brmgen und daß auch sonst für manche Fälle noch ein Bedürfnis bestehe, bequem zum Enzbett innerhalb der Stadt kommen zu können. Liber in Erwägung, daß durch Beseitigung des meist in unsauberem Zu­stand befindlichen Euzzugangs und durch Erbauung einer Ufermauer der Anblick der Hauptstraße an dieser Stelle bedeutend gewinne und daß die Ufermauer einen Schutz gegen Hochwasser für die anliegen­den Häuser und die Straße bilde/ wird vom Gemeinderat mit 5 gegen 4 Stimmen beschlossen, dem Gesuch des Bosch zu ent­sprechen vorbehälilich flußpolizeilicher Ge­nehmigung. <

Der Polizsimannschaft und den Amts­dienern werden die Mittel zur Beschaffung leichter Sommeruniformröcke (sog. Litewka) bewilligt.

Es folgen Dekreturen, Schätzungen, Ar­mensachen und Erledigung kleinerer Ge­suche^

WnterHaktenöes.

Noras Roman.

von

Emil P e s ch k a u.

15) (Nachdruck verboien).

So scharf ich auch beobachtete weder Norbert noch Gerhardt hatte sein Betra­gen gegen mich geändert, keiner schien

etwas von den Vorgängen auf der Ter­rasse zu wissen oder auch nur zu ahnen, und so sagte ich mir immer sicherer und entschiedener: Keiner von ihnen hat jenes Wort gerufen, und es wurde überhaupt nicht gerufen es war deine erhitzte Phantasie, dein erregtes Gemüt, es war nichts anderes als eine Sinnestäuschung. Und wenn ich mich nun ganz wieder in jene fürchterlichen Minute» versenkte, wenn ich mir das Brausen des Flusses und den gellenden, kaum der Erde angehörenden Ton vergegenwärtigte, der dieses Brausen plötzlich durchschallt, da mußte es mir end­lich zur Gewißheit werden, daß es nur das eigene Gewissen war, das mir das WortMörderin" entgegenschleudert'e das Gewissen in einem Augenblick des peinlichsten Zweifels, ob nicht doch Groll und Haß meine Hand gelenkt hatten. Aber sie taten es nicht, das sagte ich mir jetzt ganz zuversichtlich. An meinem Handge­lenke war noch die kleine Narbe sichtbar, die der Biß des Knaben hinterlassen hatte, und ich erinnerte mich genau des heftigen Schmerzes) den ich dabei empfunden. Es hätte eine übermenschliche Geistesgegenwart verlangt, unter dem Eindruck dieses Schmer­zes nicht nachzugeben, und dann wcn ich ja in einer Aufregung, in der ich unmög­lich überlegen konnte, daß der Knabe, der eben noch so sicher auf der breiten Brust­wehr stand, durch mein Zurückweichen nach der entgegengesetzten Richtung stürzen mußte. Und endlich wer trug die Schuld an seinem Tode als er selber? Hatte ich ihn nicht gebeten und gewarnt, hatte ich ihm nicht endlich gedroht? War er nicht einzig und allein in dem Wunsche gekommen, mir böses zuzufügen, war es nicht ein Gottesgericht, dem er zum Opfer fiel? Und war es für dieses verzogene, schlechtgeartete Kind nicht das beste, daß es so frühzeitig in das Reich des Friedens eingehen durfte? Was für Leiden hätte dieses Geschöpf über sich selber und über seine Eltern gebracht! Nein, nein, es war gar nicht so schlimm, wie es gekommen war, und jedenfalls traf mich dabei nicht die geringste Schuld.

So genas ich nicht blos körperlich, auch mein Geest wurde wieder freier und mein Gemüt fröhlicher. Alles, woran ich In­teresse genommen hatte, ward mir nun noch lieber und wurde noch eifriger ge­pflegt. Mit welcher Freude nahm ich meine Bücher zur Hand, und mit welcher Lust erging ich mich in dem spätsommer­lichen, schon von leisem herbstlichen Golde überglänzten Park! Ja ich empfand so­gar mehr Sehnsucht nach dem geselligen Verkehr als früher und ich erkannte, daß auch gleichgültige Gespräche mit gleichgül­tigen Personen mitunter wohltätig wirken können und daß der jo lächerlich erschei­nende Klatsch über die albernsten Dinge, wie er in unfern Gesellschaften gepflegt wird, doch vielleicht vom hygienischen Standpunkt aus zu verteidigen sein dürfte. Ich fühlte wich wenigstens während solcher totgeschlagenen Stunden" wohler als je, und weder die Natur noch die Bücher konnten mir finstere Gedanken so fern Hai- ten wie die Menschen. Und solche Ge- danken kamen ja bisweilen doch wieder leise mahnend zu mir, namentlich dann, wenn ich das Trauerkleid und die schwarze Soutane erblickte. Am schlimmsten aber spielten sie mir mit, wenn ich in der Nacht plötzlich erwachte und nicht im stände war, gleich wieder den Schlaf zu finden. Dann zogen alle Ereignisse rasch wie ein Traum