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Samstag, den 2L. Juti 1905.

41. Jahrgang.

Rundschau.

Stuttgart, 19. Juli. Die Kammer der Abgeordneten setzte in ihrer heutigen Sitzung die Beratung des Hanptfinanzetats fort und nahm zunächsteincnAnlrag der Kom­mission an, woiin unter Bezugnahme auf­einen früheren Antrag des Abg. Gröber anerkannt wird, daß die Bestimmungen der Verfügung des Ministeriums der aus­wärtigen Angelegenheiten, Abt. f. d. Verk. Anstalten, betr. die Bezüge für Stell­vertretung und Dienstaushilsen keine Aus­gaben veranlaßten, welche das richtige Maß überschreiten und worin zugleich die Regierung ersucht wird, bei der bevorstehen­den Revision des Beawtengesetzes in eine Prüfung der Frage einzutreten, inwieweit regelmäß'ge Belohnung für Stellvertret­ung am Wohnort, falls solche den Betrag des den Beamten erwachsenden Aufwands übersteigen, zu gewähren sind. Sodann wurde noch eine Reihe von Etatskapitel, die nachträgliche Aenderuugen erfahren haben, erledigt. Hervvrzuheben ist, daß die Etatssätze für die Verzinsung der Staatsschuld betragen 18 905287 Mk. bezw. 19 337 220 Mk. Der Staatsbedarf für den ordentlichen Dienst ist für die Fi- nanzveriode 190Ä07 auf, 166 589485 Mk. festgesetzt worden. Zur Deckung dieses Aufwands sind bestimmt der Reinertrag des Kammerguts mit 72 716 159 Mk., direkte und indirekte Steuern 93863 192 Mk. insgesamt 166 579351 Mk.. so daß sich ein kleines Defizit von 10134 Mk. ergibt, das nach einer Bemerkung Lieschings zur Behauptung berechtigt, daß der Etat nunmehr balanziere. Ein Antrag der Kommission zu Art. 8 des Finanzgesetzcs, dahin gehend:Sofern die bis zum 31. März 1907 anfallenden Ueberkchüsse des Reservefonds der Staaseisenbahnen dieVer- willigung aus diesen Ueberschüssen für Eisenbahnzwecke in der Finanzperiode j 1905/06 und kür Deckung des Fehlbetrags ans dem Rechnungsjahr 1902 übersteigen,' sind die weiteren Ueberschüsse dieses Fonds zur Deckung des Bedarfs der .in Abs. 1 genannten Eisenbahnbauten zu verwenden. Wurde vom Haus angenommen. Hieran knüpften sich einige Bemerkungen über die Frage, ob die erste Kammer bezüglich der Ausgabe von Schotzanweisungen bezw. Aufnahme neuer Schulden gleichberechtigt ist mit der zweiten Kammer. Liesch'irg betonte, daß die Frage sich derzeit nicht entscheiden lasse, und legte namens der Kommission Verwahrung dagegen ein, daß, wenn heute die Konsequenz noch nicht ge­zogen werde, damit das Haus doch nicht den Standpunkt verlasse, daß die zweite Kammer in allen Finanzsragen ein Vor­recht vor der ersten habe. Abg. Gröber wies nach, daß auch schon in früheren

Jahren das Haus gegen die Auffassung tder ersten Kammer Verwahrung einge­legt habe, daß die Ausgabe von Schatz- anweisungen Sache der ordentlichen Ge­setzgebung sei und damit auch der Ent­scheidung der ersten Kammer unterliege. Fmanzminister von Zeher bezeichnet^ die Gleichberechtigung beider Häuser als den auch heute noch geltenden Standpunkt der Regierung.

Die Vereinigten Geldschrankfabriken A--G. haben in ihrem Verkaufslokal in S t u t t g a r t Canzleistraße 1 einen Kas­senschrank ausgestellt, welcher sowohl hinsichtlich seiner Dimension als auch wegen seiner außergewöhnlichen Malerial-Stärke allgemeine Bewunderung erregt. Der Schrank wurde aus der Weltausstellung in St. Louis 1904 mit demGrand Prix" ausgezeichnet und ist auf einige Zeit zur. freien Besichtigung ausgestellt.

Stuttgart, 19. Juli. Im Rems­tal sind bei Groß- und Kleinheppach große Reblausherdc entdeckt worden. Es müs- < sen bis jetzt etwa 60 Morgen, 20 Besitzern gehörig, hcrausgehauen werden. Die Un­tersuchung ist jedoch noch nicht abgeschlossen

Tübingen, 20. Juli. (Ferienstraf- kammer.) Perlmuttersabrikam Lang von Arnbach, O.-A. Neuenbüig, wurde heule vorgesührt wegen einfachen Baukeruits, Wechselfälschiitig und Betrugs. Im Ja­nuar geriet Laug in Konkurs; er hatte i wohl die kaufmännische Buchführung erlernt, trotzdem aber für sein Geschäsi mit jähr- lichem Umsatz von mindestens 60 000 Mk. bloß ein kleines Versandbuch geführt; sei­ne Einnahmen und seine Scbuiden schrieb er sich ins Gedächtnis. Semen Aktiven von 22700 Mk. stehen 110000 Mk. Passi­ven gegenüber. Inventar und Bilanz war ihm fremd. Von Haus aus mittellos, war er genötigt, mit fremden Geldern zu schaf fen. Wohl gingen ihm seine Anverwandten tatkräftig an die Hand, und er brachte sie größtenteils an den Bettelstab, allein auch die Ortsansässigen, die ihm aus Gefäl­ligkeil Wechsel unterschrieben, wurden von ihm in Mitleidenschaft gezogen. Diese Wechsel fälschte er in der Weise, daß er die Wech­selsumme erhöhte, wie 100 Mk. auf 900 Mk. 600 Mk. 650 Mk. 1000 Mk. Aber auch sonst bediente er sich allerlei Lügen und verstand es, die Bremer Firma Meyne und Ritter um 25500 Mk. zu betrügen. Allerdings hatte Lang in seinem Geschäft auch Verluste bis zu 10000 Mk. erlitten.

Ludwigsburg, 20. Juli. Gestern abend ertrank beim Baden in der Militär­schwimmschule von Neckarweihingen der Un­teroffizier Schlotterbeck von der 5. Komp, des Inf. Reg. Nr. 121. Ob der Unter­offizier, dessen Leiche gestern abend gelän- änldet wurde, von einem Herzschlag getrof.

fen wurde oder an eine tiefe Stelle geriet, wird die Untersuchung feststellen. Er wurde zu der Gefängnisstrafe von 3 Jahren und 6 Mou. verurteilt.

Pfvrzheim, 19. Juli. Vorgestern abend fiel das Töchterchen des Gipsers F. Licht vom 5. Stockwerk seines elterlichen Hauses in den Hof und war sofort tot.

Gut pariert, möchte man einen kleinen Vorfall überschreiben, der sich vor einigen Tagen im HotelRotes Haus" in Straßburg zutrug. Dort war ein russischer Oberst a. D. abgestiegen, der seine Mahlzeiten in einer Fensternische des nach dem Kleberplatz zu gelegenen schönen Empiresaales eiuzunehmen pflegte. Ebenda marschierte eine Abteilung unseres 105. Regiments, die wohl nicht gerade dem rechten Flügel desselben entnommen war, vorbei, in welchem Augenblick der Oberst mit lautem Lachen sich zur Frage verflieg: Sind das t ie unbesiegbaren, martialischen deutschen Soldaten, diese Piccoloswo­raus der Wirt ihm mit verbindlicher Ironie zurückgab:Macht nichis, Herr Oberst, die Japaner sind auch klein!" Das Eß­besteck entglitt den Händen des Obersten, er erhob sich mit der Elastizität eines Vor­turners;Oberkellner meine Rechnung!"

er zahlte und verschwand.

Berlin, 19. Juli. Tue Ehescheidungs­klage, die Prinz Philipp von Koburg ge­gen seine Gemahlin, Prinzessin Luise, bei dem herzoglichen Landgericht in Gotha auf Grund des Koburg-Gothaischen Haus- gesetzes durch Rechtsanwalt Dr. Kunreuher in Gotha eingebracht, enthält eine aus­führliche Geschichte der 1875 in Brüssel geschloffenen Zivilstandsehe des Prinzen­paares und der angeblich durch die Prin- zeisin verschuldeten Ehestörungen, die in der Klagschrift selbst als europäischer Skandal bezeichnet werden. Die Ursache der Ehe­störungen wird zuerst auf körperliche Lei­den Tyhpus im Winter 1876, Lähm- ungs rschemungen, gesteigerte Reizbarkeit

und auch auf seelische Erschütterung der P>inzeisin vurch den Tod des Erzher­zogs Rudolf zurückgeführt. Die Prinzes­sin halte die Zärtlichkeit des Prinzen im­mer energischer abgelehnt und jeder ehe­liche Verkehr habe seit 1890 aufgehört. In ausführlicher Weise stellt die Klag­schrift das Liebesverhältnis der Prinzessin mit Mattasich seit Mitte der neunziger Jahre dar. Damals habe die Prinzessin für ihre persönlichen Bedürfnisse jährlich 120000 Kronen bezogen, nachdem ihr das Heiratsgut von 250000 Franken zurück­erstattet und für persönliche Ausgaben, die sie gemacht hatte, eine Million neunzig­tausend Kronen bezahlt worden waren. Das Duell zwischen dem Prinzen und Mattasich vom Februar 1898 wird mit