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Langholzfuhrwerk, befinde sich schon seit Jahren ebenfalls m einer schweren Notlage. Eine ganze Anzahl von Langholzfuhrieuten sei in den letzten Jahren wirtschaftlich zu Grunde gegangen, die meisten anderen hätten um ihre Existenz schwer zu ringen. Die harte Arbeit in unseren Bergen richte Mann und Pferde vorzeitig zu Grunde, der Verbrauch an Fuhr, und Wagen- material sei ein bedeutender und dem gegenüber stehen durch unvernünftiges Unter- bieten herabgedrückte, unzulängliche Fährlöhne. Auch hier sollte Wandlung ge- schaffen werden, am besten durch gütliche Bereinbarungzwischen Holzhändlern und Fuhrleuten über einen Mindestfuhr- lohn pro Wegstunde, Festmeter und nach Schwierigkeit der Beifuhr. Es liege sehr im Interesse der Holzhändler, daß sie einen Stamm tüchtiger Langholzsuhrleute lebensfähig erhalten, da ihnen sonst später nichts anderes übrig bleiben würde, als selbst Fuhrwerke zu halten, die ganze Last und Sorgen solcher auf ihre eigenen Schultern zu nehmen. - - Was die Badesaison 1904 mit ihrem wirtschaftlichen Ergebnis für die hiesige Geschäftswelt anbelange, so glaubt Redner, daß man dieselbe nur als eine „mittlere" bezeichnen könne. Begünstigt von anhaltend schöner Witterung habe sie doch nicht das erfüllt, was sie versprach. Nach der Kurliste seien zwar ca. 1000 Kurgäste mehr als im Vorjahr hier gewesen, aber es sei allgemein darüber geklagt worden, daß die Kurgäste ihren Kuraufenthalt mehr als sonst abkürzten, also nur kürzere Zeit hier blieben als sonst. Auch sei nicht zu verkennen, daß die Kurgäste immer mehr sparen wollen, worüber auch die hiesigen Ladeninhaber geklagt hätten. Im Jahr 1903 seien in den Monaten Juni bis Sept. 1333 901 Mk. bei der Bank einbezahlt worden, 1904 während der gleichen Zeit nur 1 146486 Mk. Wenn auch nicht alle hiesigen Geschäfte bei der Bank vereinigt seien, so geben diese Ziffern doch einige Anhaltspunkte über den Ausfall der je> welligen Saison. Den von ihm schon bei der letztjährigen Generalversammlung zum Ausdruck gebrachten Wunsche nach einer regeren und geschickteren Reclame wiederhole er heute aufs Dringendste, denn die Bank, die in Wildbad die hohe Summe von ca. l'/r Millionen ausstehen habe, habe dos höchste Interesse daran, daß sich die Frequenz Wildbads weiter hebe, daß die Liegenschaflswerte in Wildbad nicht zurückgehen und daß eine gesunde Bautätigkeit im Gange erhalten werde, die unserem Handwerkerstande lohnende Beschäftigung biete. Ein dringendes Bedürfnis für den hiesigen Kurort sei dann noch die Schaffung eines Mittelpunktes für unser Kurleben, die Erbauung eines Conversations» Hauses. Es gebe wohl kein Bad von der Bedeutung Wildbads in Deutschland, das noch eines solchen entbehre. Man müsse in dieser Hinsicht mit Petitionen an den Landtag herantreten. Wenn der hessische Staat, wie man kürzlich gelesen habe, mehrere Millionen in einem Posten für sein Nauheim verwilligen könne, dann sollte Württemberg kür sein Wildbad wenigstens 1 Conversationshaus fertig bringen können. Ein weiteres Bedürfnis sei die Errichtung einer Schwimmbadeanstalt mit Rücksicht auf unsere vielen die Thermen nicht gebrauchenden Luftkurgäste. Hierauf trug Redner den Rechenschaftsbericht vor. Nach dem-
38 902 im Vorjahre. Hievon wurde wieder eine Dividende von 6°/o verteilt und dem Reservefond 9570 Mk. zugewiesen, welcher nunmehr die Höhe von 155 000 Mk. er- reicht hat. Die Spareinlagen haben wieder um mehr als 120000 Mk. zugenommen und betragen jetzt 1 623101 Mk. Der Umsatz betrug 11 793127 Mk. auf einer Seite. Die Mitgliederzahl ist auf 672 gestiegen. Bei der hieraus vorgenommenen Neuwahl in den Vorstand und Aufsichts- rat wurden die seitherigen Mitglieder wieder gewählt, nämlich als Vorstandsmitglied Herr Kaufmann Fritz Treiber mit 91 Stimmen, als Auffichtsratsmitglieder Herr Ehr. Kempf, Hotelier mit 82 Stimmen, Herr Hermann Großmann, Flaschner- Meister mit 74 Stimmen und Herr Ehr. Schill, Bauunternehmer mit 53 Stimmen. Ueber den letzten Punkt der Tagesord- nung „Statutenänderung" konnte nicht giltig beschlossen werden, da das Statut hiezu die Anwesenheit von mindestens ein Drittel aller Mitglieder verlangt, es wurde deshalb beschlossen, auf Sonntag den 19. März ds. Js. eine weitere Generalver- sammlung in das Gasth. z. g. „Stern" anzuberaumen, wo dann ohne Rücksicht auf die Zahl der Erschienenen giltig beschlossen werden kann. —
Mrrtevhcrktendes.
Meine offizielle Frau.
Von
Col. Richard Henry Savage.
(Forts.) (Nachdruck verboten.)
„Und wieviel dagegen Sie," gab ich zurück.
Verlegen sah sie mich einen Augenblick an, dann sagte sie schmollend: „Sie sollten stolz auf mich sein, statt mich so grob an- zulassen. Die Palizin sind ganz verliebt in Ihre Frau."
Das wunderte mich nicht — ging mir's doch selbst nicht anders. Während wir unter den auf ihr ruhenden bewundernden Blicken des Landvolkes und der Kellner ans dem Bahnsteig weilten, erschien auch mein gastfreundlicher Reisegenosse, um wieder einzusteigen und warf der Dame an meinem Arm einen bewundernden Blick zu, indem er mit der Hand winkte und mich offenbar mit Neid betrachtete.
Als er verschwand, fragte Frau Dick mit gleichgültiger Stimme, wer ,r sei.
„Ich weiß eS eigentlich selbst nicht recht," erwiderte ich, „aber er hat mir das beste Frühstück vorgesetzt, das ich je gegessen habe und aus dem kriechenden Wesen der Bahnbeamten schließe ich, daß er der Präsident der Linie oder wenigstens ein bedeutender Aktionär ist."
„Wissen Sie denn nicht, Sie unwissender Sohn des Mars, daß sämtliche russische Bahnen Eigentum der Regierung sind?"
„Das stimmt! Also kann er kein Eisenbahnkönig sein;" sagte ich lachend, „abxr irgend welche Macht besitzt er doch — und Baron ist er auch — Baron Friedrich."
Bei diesem letzten Wort glitt Helenes Fuß auf dem Wagentritt aus und sie sank in meine für solch liebliche Bürde stets offenen Arme,
„Was ist Ihnen?" flüsterte ich.
„Nichts — ein bischen Schwindel — ein leichter Blufandrang gegen den Kopf." Das war merkwürdig, denn sie
_„, denn sie war
selben betrug der Reingewinn im verfl. Ge^totenbtaß; gleichwohl hob, ich sie wieder in schästsjahre incl. 13 781 Mark Gewinnvor-i den Wagen, und im nächsten Augenblick trag o. I. 1903 Mk. 39 097 gegen Mk.flüstrrte sie mir mit einem schwachen Ver-Mädchen.
lsuch zu lächeln zu: „Vermutlich sind Sie und — Baron Friedrich beim Frühstück ganz vertraut miteinander geworden?"
„Ganz vertraut," entgegnete ich.
„Ah!" Sie lehnte sich leicht an die Seite des Wagens. „Haben Sie ihm unser kleines Abenteuer erzählt?"
„Ich erzähle nie etwas, was eine Dame in Ungelegenheit bringen könnte."
„Danke schön." sagte sie und schien et- was aufzuatmen. „Danke, es ist mir jetzt wieder ganz wohl. Lasten Sie mich allein, dann will ich versuchen, wegen der Weletsky einen Ausweg zu finden."
Nun geleitete ich sie bis an die Thüre der Palitzinschen Wagenabteilung, und hier flüsterte sie plötzlich: „Seien Sie nicht all- zuherzlich gegen Ihren neuen Freund! Ich vermute, daß er Sie zum Frühstück einge- laden hat in der Hoffnung, den Fürstinnen Palitzin vorgestellt zu werden- Offenbar ist er ein Bourgeois und würde seinen Kopf drum geben, solch großen Damen die Hand küssen zu dürfen. Vergessen Sie nicht, daß er nicht unsres Standes ist, Arthur, und behandeln Sie ihn demgemäß."
Damit glitt sie in ihr Coupe, während ich mich wieder zu Baron Friedrich gesellte, der mir lächelnd eine herrliche Cigarre, die Gabe unsres Freundes, des Restaurateurs, anbot. Die Glocke ertönte, die Lokomotive pfiff und wieder war unser Zug unterwegs nach der Hauptstadt Rußlands.
Da der Baron nun damit beschäftigt war, eine Anzahl Dienstberichte oder ähnliche Papiere durchzusehen, vertiefte ich mich, so gut ich konnte, in ein Buch, obgleich sich meine Gedanken immer wieder der neuen Verwicklung zuwendeten, die ich vor mir sah-
Die, Fürstiurrer^ Patttzirr dl«
Weletsky nnd sie hatten mich mit meiner angeblichen Frau geseh.n. Wie konnte ich dies erklären? Endlich beschloß ich, im schlimmsten Fall mein Abenteuer mit Frau Dick Constantin Weletsky anzuvertrauen, von dem ich glaubte, er sei hinlänglich Mann von Welt, um meiner rechten Frau eine Enthüllung zu ersparen, die nur Schaden stiften und ihr möglicherweise Schmerz bereiten konnte.
Nutz diesen Gedanken wurde ich plötzlich durch Baron Friedrich aüfgeschreckt, der mich in scharfem Tone fragte: „Sind viele hübsche Damen von Berlin mit Ihnen hiehergereist?"
„Keine so hübsche wie meine Frau," erklärte ich feurig.
„Ein begeisterter Ehemann," sagte er und lachte dazu, „eine rar«, ayi, in uns- rer Welt. Die Stieftochter der gnädigen Frau war als» mit Bastle Weletsky verheiratet?"
„Die Tochter meiner Frau," sagte ich, ihn verbessernd.
„Ist Ihre, Frau denn alt genug, um Großmutter sein zu können?" fragte er, sichtlich überrascht.
„Oh," erwiderte ich nachlässig, „meine Frau sieht heute kaum älter aus als an dem Tage, wo ich sie geheiratet habe und häufig hält man sie und meine Tochter für Schwestern — Sie würden das wohl auch thun, wenn Sie beide nebeneinander sehen könnten."
„Haha," eutgegncte er leichthin. „Ihr Amerikaner seid ein großartiges Volk! In Ihnen finde ich einen Ehemann, der nach zwanzig Jahren noch in feine Frau verliebt ist und in der gnädigen Frau eine Großmutter, die aussieht wie ein junges Bei ihrer Schönheit und au-