Großfürst Sergius, ein Oheim des Zaren (geb. am 29. April 1857), hatte sich als Generalgouverneur von Moskau durch seine strengen Maßnahmen vielleicht in der ganzenGroßfürsten-Partei" am unbelieb­testen gemacht. Seinen Beeinflussungen wurde in erster Reihe die Schuld daran beigemessen, daß der Zar und seine Re­gierung den Reformbestrebungen so hart­näckig Widerstand leisteten.

Tokio, 14. Febr. Reuter berichtet aus Liaojang, daß die ganze russische Streitmacht zwischen dem Schahs und Charbin 450000 Mann betrage, von de­nen 280000 in der Gefechrslinie stehen. Die russischen Verluste bei Heikutai wer­den auf 25000 Mann geschätzt.

Tokio, 15. Febr. Die Russen haben die Kavallerie-Opcrationen in großem Maß- stabe wieder ausgenommen. Es wird ge­meldet, daß gestern abend 9000 Reiter mit Geschützen etwa 30 Meilen westlich von Liaujang waren. Zweck dieser Bewegung scheint Umgehung des japanischen linken Flügels zu sein.

New-Aork. 16. Febr. Der Schrift­steller Lewis Wallace ist gestorben.

Lokales.

Wildbad, 17. Febr. Für den Som- merdieust 1905 sind von der Generaldi- rektion der Staatseiscnbahnen u. a. folgende Fahrplanändcrungen beantragt worden:

Wildbad-Pforzheim.

Der Personenzug 659 soll unmittelba- ren Anschluß an den badischen Personen­zug 1209 von Karlsruhe erhalten und dementsprechend vorgerückt werden.

Wie im vorigen Sommer soll ein Per- sonenzug eingelegt werden, der in Pforz- heim an den badischen Zug 1216 nach Karlsruhe und den Schnellzug 115/15 nach Stuttgart anschlicßt.

Im Anschluß an den bad. Zug 1216 von Mühlacker und den später gelegten bad. Schnellzug 115 von Karlsruhe soll wie im vorigen Sommer ein weiterer Per­sonenzug ausgeführt werden.

Zur Verbesserung der Verbindung zwi­schen Frankfurt, Mannheim und Wild, bad sollen in der Zeit vom 1. Juli bis 30. Sept. Saiso n schnellzüg e eingelegt werden. Diese Züge sollen zwischen Pforz­heim und Wildbad ohne Halt auf den Zwischenstationen durchgeführt werden.

Zum Anschluß an den Schnellzug 118 nach Straßburg, Paris und den bad. Per- sonenzug 1217 nach Mühlacker soll ein Personenzug eingelegt werden.

Als Gegenzug soll im Anschluß an den Zug 1225 von Karlsruhe und 1228 von Mühlacker ein Personenzug ausgesührt werden.

Der Schnellzug 33 nach Berlin soll in Bietigheim zur Aufnahme des Anschlus. ses von dem neu einzulegenden Schnellzug 15 anhalten, wodurch sich eine wesentlich» Verbesserung der Verbindung von Wildbad und Pforzheim nach Berlin ergibt: Wildbad bish : ab 7.42Vm. künft.: 9.00 Bm. Pforzheim, 8.54 9.57

Berlin . an 10.30 Nm. 10.30 Nm.

Zur Verbesserung der Verbindungen zwischen Frankfurt, Straßburg und dem württemb. Schwarzwald sollen in der Zeit vom I.Juli bis 30. Sept. Saisonschnell, züge eingelegt werden, der eine über Karlsruhe-Offenburg Hausachnach Freuden- stadt und der andere über Pforzheim nach Wildbad, sowie nach Calw und Freu­denstadt und umgekehrt.

WntevHcrttenöes.

Meine offizielle Frau.

Von

Col. Richard Henry Savage.

(Forts.) (Nachdruck verboten.)

Das Benehmen meiner sogenannten Frau war geradezu vollkommen. Mit ganz selbstverständlicher Zärtlichkeit fragte sie: Nun, lieber Arthur, was für eine dumme Eisenbahnangelegenheit hat dich denn mir und deinem Essen entzogen?"

Das Gepäck und die Sorge, eine eigene Wagenabiellung zu bekommen, liebes Herz," erwiderte ich, indem ich eine Zärt- lichkeit zur Schau zu tragen suchte, die ich durchaus nicht fühlte, denn durcv ihre ein­schmeichelnden Reize hatte sie mich sowohl meiner Frau in Paris als auch der russi­schen Polizei gegenüber in eine sehr pein- liche Lage gebracht.

Der ritterliche Offizier an Helene- Seite beugte sich nun mit der den gebilde­ten Russen eignen höflichen Gewandtheit vor und sagte, ich möchte mir doch über unsre Bequemlichkeit im Zug keine Sorge machen. Er werde das Glück haben, auf einer Inspektionsreise noch ein Stück des Weges mitzufahreen. und nehme es auf sich, mir und meiner Gattin das beste Coups zu verschaffen; ein Wort von ihm sichere uns iede denkbare Rücksichtnahme.

Dann neckie er uns mit der sichtlichen Angst der gnädigen Frau um mich und berichtete, sie habe ihm von dem Au- genblick an, wo ich vom Tisch aufgestanden sei, nur noch mit halbem Ohr zugehört und sei mehr als einmal auf dem Punkt gewesen, mir nachzulaufen. Dann fragte er noch, während er der gnädigen Frau zutrank, lachend:Vermutlich befinden sich die Herrschaften auf der Hochzeitsreise?"

Errötend lächelte sie mich an und rief ihm mir kindlicher Unschuld in vorwurfs­vollem Tone zu:O, Herr Oberst, wir sind ja schon eine ganze Ewigkeit verhei- ratet!"

Meinen Glückwunsch Ihrem Herrn Gemahl," erwiderte der Russe,bei ihm hat der Ehemann den Liebhaber noch nicht verdrängt." Dazu seufzte der schwarzbraune Riese; allem Anschein nach beneidete er mich um den Besitz dieses reizenden Wesens, das seine Gedanken erriet und dadurch so in Verlegenheit gebracht wurde, daß er ausrief:Sie machen sich über mich lustig; ein solches Erröten sieht man nur auf dem Gesicht einer Neuvermählten! Vermutlich," fuhr er zu meiner größten Verlegenheit fort,begeben Sie sich zur Saison nach St. Petersburg, und ich hoffe. Sie diesen Winter dort zu treffen."

Wein Schützling antwortete darauf nur mit Blicken, und ich stöhnte innerlich.

Großer Gott! Wenn nun der Oberst ,m Zug blieb! Ein kalter Schauer überlief Irnich bei dem bloßen Gedanken daran, denn dann konnte ich die Dame in Wilna nicht verlassen!

Jetzt wurde das erste Zeichen gegeben, und unser neuer Freund entfernte sich mit höflicher Verbeugung. Offenbar hatte die gesellschaftliche Eleganz meiner Frau Ein­druck auf ihn gemacht; übrigens hatte auch ich für dies kurze svtrss in der russischen Hofgesellschaft mein Möglichstes getan.

Nun wendete ich mich streng zu ihr und flüsterte:Meine liebe, junge Dame, !Sie vermehren die Schwierigkeiten unsrer Lage! Sie haben diesen Mann auf den

Glauben gebracht, wir gingen nach St. Petersburg."

Ich habe ihm nur nicht nndersprochen," entgegnete sie vorwurfsvoll,weil ich wußte, daß er Ihre Fahrkarte nach der Hauptstadt gesehen halte. Hätte ich denn diesem Oberst, der mich für Ihre Frau hält, sagen können, ich gehe nach Wilna? Meine Angst wah­rend der Zeit, wo Sie ferne von mir waren, hat ihn ohnehin auf den Glauben gebracht, ich hänge noch mit romantischer Liebe an Ihnen."

Ihre Angst, während ich fern von Ihnen war?" wiederholte ich in seltsamer Erregung, halb von ungestümer Freude, halb von törichtem Kummer bewegt, denn ihre traurigen, vorwurfsvollen Augen wa- ren so schön wie die einer aus den Fluten auftauchenden Najade.

Ja," unterbrach sie mich,denn ich wußte, daß Sie versuchen würden, über die Grenze zurückzukommcn, nnd wagte doch nicht, Ihnen zu folgen, um Sie umzu- stimmen, weil dies den Verdacht des Ober­sten hätte erregen können. Aber wäre es Ihnen durch ein Wunder Gottes gelungen, nach Deutschland hinüberzukommen, so hätten Sie mich in die tödlichste Verlegen­heit gebracht, in der sich je eine Dame befunden hat. Ich wäre ohne Paß in Rußland zurückgeblieben nnd als .cksdassös' von dem ersten besten Polizisten verhaftet und eingesperrt worden. Sie sind drauf und dran gewesen, mich in diesem fremdeu Land im Stich zu lassen und den Paß mitzunehmen, auf dem sowohl Ihre eigne als auch meine Sicherheit beruht. Während Sie ungefährdet nach Berlin zurückgefah« ren wären, hätte man mich in einen russi- schen Kerker geworfen." Dann fügte sie traurig hinzu:Was glauben Sie, was Dick Gaines dazu sagen würde, daß Sie seine Frau in dieser Weise behandeln?"

Dick Gaines!" stammelte ich.

Ja," erwiderte sie,Dick Gaines, Ihr alter Stubenkamerad von West Point im Jahr 65. Mein Mann hat mir stunden­lang von Ihnen erzählt, Arthur Bainbridge Lenox! Als Sie mir vorhin Ihren Fa- milicnnamen nannten, fiel mir alles wieder ein, was Dick von Ihnen berichtet hat, aber ich wollt» Ihnen erst verraten, wer ich bin, wenn ich in Wilna Ihre Hand in die Dicks legen konnte. Da Sie aber durch die Bemerkung dcs Obersten über falsche Pässe in solche Angst versetzt wor- den find, halte ich es für meine Pflicht, Sie darüber zu beruhigen, daß Sie kaum in ernstliche Verlegenheiten geraten können, wenn Sie Ihrem alten Stubenkameraden seine Frau nach Wilna bringen."

Wohl spendeten mir diese Worte Trost und Erleichterung, aber sie beschämten mich auch. Wie hatte ich nur wagen kön­nen, an diesem unschuldigen Geschöpf zu zweifeln! Dick Gaines war mein alter Stubenkamerad aus der Kadettenzeit, und obgleich ich ihn seit etlichen Jahren aus dem Gesicht verloren hatte, war mir doch bekannt, daß er bei irgend einer Petroleum- bohrung in Baku beteiligt war, was mir seine Anwesenheit in Rußland ganz na- türlich erscheinen ließ.

Möglicherweise hatte die Dame meine Selbstvorwürfe auf meinem Gesicht gele- sen, wenigstens sagte sie mit lachender Stimme und lachendem Auge:Für was .haben Sie mich denn eigentlich gehalten? Für eine Abenteurerin? Für eine Nihilistin? Schnell, gestehen Sie was haben Sie gedacht, daß Dick Gaines' Weib eigentlich sei?"