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mit Ausnahme der Stadt Stuttgart jede Gemeinde des Landes einem Oberamtsbe­zirk einverleibt bleibt, der zugleich die räum­liche Grundlage der Amtskörperschast als deS zur Selbstverwaltung seiner Angelegen­heiten berufenen Verbands der zum Ober­amtsbezirk gehörenden Gemeinden bildet. Begründet war die Eingabe damit, daß die Stadt Ulm 70°.'» des Gcmeindeschadens zu tragen habe; in Verbindung hiemit wurden die Verhältnisse Heilbronns gebracht und die Abgeordneten Mayser-Ulm und Betz-Heilbronn stellten, um dem Verlangen nach Ausscheidung Ausdruck zu geben, fol- genden Antrag:Wenn eine Gemeinde, die mehr »lr die Hälfte der Einwohnerzahl des Oberamtsbezirks, dem sie angehört, zählt, mehr als 70°/o des gesamten Amtsschaden aufbringen muß. so hat sie Anspruch darauf, aus dem Amtsverband auszuscheiden/' Im Lauf der Debatte fand sich außer den beiden Antrag, stellern niemand, der für den Antrag plädierte, ja es wurde eine ganze Reihe von Bedenken dagegen vorgebracht. Der Berichterstatter Liesching warnte davor, die gesetzlichen Bande zwischen Stadt und! Land zu zerreißen; Haug machte auf die engen Beziehungen zwischen Stadt nnd Laad aufmerksam, Schäffler betonte den wirtschaftlichen Zusammenhang der Stabt und der in den umliegenden Orten woh- nenden Arbeiterschaft. Minister Pischeck sprach sich ebenfalls gegen den Antrag aus und hob hervor, daß der Antrag einen allgemeinen Anspruch einführen wolle und damit eine Abänderung des Art. 64 der Verfassung notwendig machen würde. Ulm sei außerordentlich günstig gestellt, so daß von einer Urberlastung gar keine Rede sein könne. Auch die Abgeordneten Maier- Blaubeuren, Schick, Hildenbrand und Käß sprachen sich gegen den Antrag aus, letzte- rer nur zu dem Zweck, um den Bauern- bund der Verhetzung zwischen Industrie und Landbevölkerung zu beschuldigen. Die- sen Vorwnrf wies Haug energisch zurück; was Käß für Verhetzung halte, betrachte er als seine Pflicht; nämlich die Förderung der Landwirtschaft, die bisher hinter der Industrie zurückgesetzt gewesen sei. Lie­sching wandte sich gegen eine Behauptung Haugs, daß die Amtskörperschaft nichts ausschließlich für das Land tue und sprach den Wunsch aus, daß das gute Verhältnis in den Verbänden zwischen Stadt und Amt zum Wohl des ganzen Landes andauern möge. Nach diesen Ausführungen zog Mayser den Antrag als aussichtslos zurück. Der Kommissionsantrag zu Art. l wurde angenommen, ebenso Art. 2, der eine Ver­fassungsänderung enthält, indem in Zu­kunft eine Veränderung der Bezirkseinteil­ung nur im Wege der Gesetzgebung erfol­gen kann, wenn es sich dabei um die ver­änderte Zuteilung bewohnter Grundstücke handelt, mit 75 gegen 3 Stimmen. Zum Schluß wurden nock, die Art. 3 und 4 ohne wesentliche Aenderung genehmigt.

Loffenau, 9. Jan. Heule wurde der Steinbrecher Jakob Klenk von hier, welcher kürzlich den Taglöhner Luft die Staffel der Sonnenwirtschaft" hinabstieß, daß dieser mit einem Schädelbruch liegen blieb, ver­haftet, nachdem gestern das Amtsgericht den Tatbestand ausgenommen hatte.

Altensteig, 9. Jan. Auf der Straße zwischen hier und Berneck ereignete sich heute mittag ein schwerer Unglücksfall. Der junge Baiermüller Matth. Wurster fuhr hierher. Bei der Lohmühle scheuten plötzlich seine Pferde und rannten davon.

Wurster wollte vom Wagen springen und wurde dabei aus das Schienenglcis gewor­fen, so daß er einen Schädeldruch erlitt. Wurster ist etwa 30 Jahre alt und erst seit kurzem verheiratet.

Von der obern Nagold, 8. Jan. (Langholzpreise.) Die Langholzpreise er­halten sich, wie es den Anschein hat, nicht blos auf seitheriger Höhe, sondern steigern sich noch mehr. Die Gemeinde Ebhausen erzielte beim gestrigen Verkauf von 500 Festmerern Lang- und Sägholz von 127 bis 136"/», der Besitzer eines Privatwaldes sogar 138,8°/» des Revierpreises für ca. 60 Festmeter Bauholz.

Tübingen, 9. Jan. (Strafkammer.) Der verheiratete Johann Frosch aus Stutt­gart war in den letzten Jahren bei der Firma Krauth und Komp, in Höfen als Bürodiener angestellt und genoß dort allge­meines Vertrauen. Im August 1903 fehl­ten dem Buchhalter jener Firma in der Kasse 600 Mk., deren Verbleib heute noch nicht aufgeklärt ist. Dem Frosch lag spe- ziell die Frankierung der Geschäftsbriefe ob, wozu er ohne Kontrolle Postwertzeichen erhielt, von denen er aber einen großen Teil für sich behielt. Am Sonntag, den 20. November, war Frosch mit seiner Frau in Stuttgart zu Besuch. In einem dortigen Hotel verkaufte er bei dieser Gelegenheit für 40 Mark Briefmarken, was zur Ent­deckung seiner bisherigen Unterfchleise führte. Als man ihn festnahm, fand man in sei­nem Besitze noch für weitere 60 Mk. Post­wertzeichen. Alsbald räumte Frosch auch ein, außer den genannten Wertzeichen im Laufe der letzten 2 Jahre der Firma Krauth noch weitere Marken im Werte von 100 Mk. gestohlen und in einem anderen Hotel in Stuttgart verkauft zu haben. Auch diese Angabe des Frosch stellte sich als richtig heraus. Frosch wiederholte heute vor Ge­richt seine Geständnisse und wurde hierauf zu einer Gefängnisstrafe von 4 Wochen nebst Tragung aller Kosten verurteilt. Der Staatsanwalt hatte 3 Monate beantragt. In einer Notlage hatte sich Frosch nicht befunden. Er hatte ein seinen Verhältnis­sen entsprechendes schönes Einkommen. Von den 600 Mk., die in der Kasse fehl­ten, wollte Frosch nichts wissen.

Tübingen, 7. Jan. (Strafkammer.) Zwei aus dem Ludwigsburger Zuchthaus entlassene Strafgefangene, der Fabrikarbei­ter G. Weidenbach von Urach und der Metallgießer E. Zeiler aus Stuttgart machten am 9. Nov. von Urach aus einen gemeinschaftlichen Ausflug nach Neuhausen a. E. In ihrer Geldnot beschlossen sie schon unterwegs zu stehlen, was zu erwischen sei. In der Wirtschaft z. Rebstock in Neuhausen hielten sie Einkehr; während nun Zeiler in der Wirtschaft sich aufhielt, begab sich Weidenbach in die unverschlossene Kammer der Wirtstochter. Aus dem offen- stehenden Kasten stahl er ein über 170 Mark lautendes Sparkassenbuch, einen Geldbeutel mit 4 Mk. 25 Pfg. Inhalt und einige goldene Broschen. Auf dem Rück­weg nach Urach übergab er die Beute dem Zeiler, worauf beide die verh. Schwester des ersteren, Ros. Eppier in Urach, dafür gewannen, die 170 Mk. Einlagen bei der Oberamtssparkasse in Urach zu erheben. Dort hatte man aber schon Kenntnis von dem Abhandenkommen des Sparkassenbuchs, und es wurde auch Epple sofort iestgenom- men. Weidenbach wurde wegen Diebstahls zu der Zuchthausstrafe von 2 Jahren und 1 Monat und Zeiler wegen Hehlerei zu der

Zuchthausstrafe von 2 Jahren verurteilt, außerdem wurden beide auf die Dauer von je 5 Jahren der bürgerlichen Ehrenrechte für verlustig erklärt. Die Epple erhielt wegen Hehlerei 1 Woche Gefängnis.

Heilbronn, 6. Jan. Die Komman­ditgesellschaft Arbeitecbund Gustav Kirtler u. Co., ein Unternehmen zum Vertrieb von Kolonialwaren, Spezereiwaren und Landesprodukten, befindet sich in Zahlungs­schwierigkeiten und strebt eine außergericht­liche Abmachung an, der die Liquidation der Gesellschaft folgen soll. Das Unter- nehmen ist eine Ende der achtziger Jahre vollzogene sozialdemokratische Gründung und betreibt hier «ine Anzahl Konsumlä­den.

Göppingen, 8. Jan. Freitag nacht ist der 50 Jahre alte Buchhalter Frey von der Landererschen Anstalt auf dem Weg von einer Wirtschaft in seine jenseits der Fils gelegene Wohnung in der Dunkelheit, als er seinen ihm vom Wind entrissenen Hut suchen wollte, in die Fils gestürzt und ertrunken. Den Hut Freys fand man am nächsten Morgen in der Nähe des Ufers; seine Leiche war bis heute nicht aufzufin- den; sie dürfte flußabwärts gelrieben sein. Frey, der früher Lehrer war, ist seit etwa 20 Jahren in der Heilanstalt tätig gewesen.

Pforzheim, 10. Jan. Auf eine Be­merkung des Stv. Essich erklärte gestern Hr. Oberbürgermeister Habermehl in der ^ Bürgerausschußsitzung, daß er sich in Berlin anläßlich der geplanten Heeres-Bermehrung um eine Garnison für Pforzheim bewor­ben, auch die Hilfe von Abgeordneten nach­gesucht habe, aber bis jetzt noch ohne Be­scheid geblieben sei.

Pforzheim, 9. Jan. Auf einem kleinen Weiher bei dem benachbarten Sengach bei Enzberg, brachen beim Schlittschuhlaufen mehrere Knaben ein, alle wurden gerettet bis auf den 11jährigen Emil Bellon. Trotz­dem der eigene Vater mit eigener Lebens­gefahr verzweifelte Rettungsversuche machte, ertrank der Knabe.

Berlin, 10. Jan. Der Kaiser hat den Generalen Stössel und Nogi in Anerkenn­ung der von ihnen und ihren Truppen bei der Belagerung von Port Arthur bewiese­nen heroischen Tapferkeit den Orden pour 1s mörirs verliehen und den Zaren sowie den Mikado um Zustimmung zu der Auszeich- nung gebeten.

Der Kaiser hat die Generalobersten Graf Haeseler, v. Hahnke nnd v. Loö zu Generalfeldmarschällen ernannt. Grat Hae- seler hat nach hervorragender Teilnahme an den Feldzügen der Jahre 1864, 66 und 70/71 hauptsächlich im Generalstabe die Stufenleiter der militärischen Chargen in rascher Folge erklommen. Bei seinem 50jähr. Militärdienstjubiläum erhielt er den Rang eines Feldmarschalls und trat im Juni 1903 von der Führung des 16. Armeekorps zurück. Er ist bekanntlich Chef der 11. Ulanen in Saarburg in Lothr. v. Hahnke stand von 1888 bis 1901 an der Spitze des kaiserlichen Mililärkabinetts und wurde dann zum Gouverneur von Berlin und Oberkommandierenden in den Marken er­nannt. Frhr. v. Los hat lange Jahre, zuerst als Flügel-, dann als Generaladju­tant im persönlichen Dienst des verewigten Kaisers Wilhelm I. gestanden. Im Jahre 1884 wurde er kommandierender Ge­neral des 8. Armeekorps, im Jahre 1895 Gouverneur von Berlin. Außer seiner militärischen Tätigkeit hat Frhr. v. LoS