- 646
aus Berlin, einen von Jugend auf vollständig verwahrlosten Menschen, wegen Brandstiftung zu zwei Jahren und zwei MonatenZuchthaus. Inder eingestandenen Absicht, die Kaserne der Arbeitsabteilung Ulm in Brand zu stecken, hatte er seinerzeit sein Bett mit Petroleum getränkt und es angezündet. Nur dem Hinzukommen eines Unteroffiziers war cS zuzuschreiben, daß eine Feuersbrunst verhindert wurde.
— Am Ende des vorigen Monats ist es zum erstenmal gelungen, von der Marconi-Station bei Poldhu in Corn- wallis (Südengland) nach einer der italienischen Regierung gehörigen Station bei Ancona in Italien aus drahtlosem Wege zu telegraphieren. Marconi hat die Versuche selbst geleitet. Die Entfernung zwischen beiden Plätzen beträgt in der Luftlinie etwa 1600 Kilometer. Die Verbindung mußte als eine besonders schwierige erachtet werden, weil die elektrischen Wellen fast ausschließlich über Land, nämlich über fast ganz Frankreich und einen beträchtlichen Teil von Italien und außerdem noch über die höchsten Teile des Alpengebirges zu gehen hatte». Es ist fast als ein Wunder zu betrachten, daß die Funkentelegraphie auch solche Hindernisse zu überwinden vermag.
Lokales.
>< Wildbad, 28. Dez. (Unlieb verspätet.) Am Dienstag, den 20. Dez. fand sich im Hotel „Lamm" eine ansehnliche Zahl hiesiger Einwohner zusammen, um die Frage der Gründung einer Ortsgruppe der deutschen sPartei des nähern zu erörtern. Die Grundlage für die Verhandlungen bildete die mit dem Geschäftsführer der deutschen Partei gehabte Besprechung, worüber in diesem Blatte ausführlich berichtet wurde. Hr. Sanitätsral vr. Haußmann setzte auseinander, warum eine Organisation der national-liberal gesinnte» Kreise notwendig sei. Die Zahl der Sozialdemokraten im hiesigen Bezirk sei sehr gewachsen, so daß bei getrenntem Marschieren der Gegner der Sozialdemokraten ein Verlust des Wahlkreises an diese nicht ausgeschlossen sei. Nun haben aber gerade die letzten Zeiten die Aussichten auf ein Zusammen, gehen mit der Bolkspartei bei den Wahlen erbeblich gehoben. In der Protestbewegung gegen die 1. Kammer haben sich die beiden liberalen Parteien darauf beschränkt, eine zeitgemäße Reform der ersten Kammer und Umwandlung der 2. Kammer in eine reine Volkskammer zu fordern, das was Aussicht hat, erreicht zu werden, während die Sozialdemokratie die völlige Beseitigung der ersten Kammer verlangte, etwas was zurzeit einfach unerreichbar ist. Des weiteren wies der Redner auf den Ausfall der Bürgerausschußwahlen in den größeren Städten unseres Landes hin, wobei das Zusammengehen der deutschen Partei und Volks- parter sich ebenfalls bewährt habe. Um ein solches Zusammengehen für die näch- sten Landtagswahlen vorzubereiten, sei eben eine Organisation nötig. . Aufgabe der nächsten Zusammenkunft sei es dann, Vorschläge für die Zusammensetzung deS Ausschusses zu machen. Mit besonderem Nachdruck hob der Redner die Notwendigkeit, jüngere Männer für diese Sache zu gewinnen, hervor und mit Recht. D,e nationalgesinnte Jugend darf nicht länger politisch untätig bleiben, sie muß sich an den politischen Fragen unserer Zeit be-
teiligen, sie muß zu politischer Arbeit herangezogen werden. Eine solche notwendige politische Schulung ist aber nur innerhalb einer politischen Bereinigung möglich. Hr. Reallehrer Kirschmer sprach im Namen der „Jungen". Er sagte, es sei den Jungen außerordentlich schwer, sich einer der bestehenden Parteien anzu« schließen, und die Klage über die politische Gleichgültigkeit der Jugend seien nicht ganz berechtigt. Es fehle an einem Ideal, für das sich die Jugend begeistern könne. Die nationalliberale Partei Hab» ihre Aufgabe mit der Einigung der deutschen Stämme gelöst. Die Jungen seien national; aufgewachsen oder geboren im neuen deutschen Reich, wollen sie, daß die Machtstellung de- deutschen Vaterlandes erhalten .bleibe, und seien bereit, die Opfer für ihre Erhaltung zu bringen. Ein starkes Heer und eine der Ausdehnung unseres Handels entsprechende Flotte sei für sie etwas Selbstverständliche-. Darin seien sie mit der nationalliberalen Partei einig. Nicht einig aber seien die Jungliberalen mit den schwächlichen Kompromissen dieser Partei mit der Rechten. DaS Konservativsein überlassen wir een Konservativen; wir verlangen einen entschiedenen Liberalismus, der gegen die Reaktion und gegen die Sozialdemokratie, soweit es sich um das sozialdemokratische Endziel handelt, unerbittlich gerichtet sein müsse. Die Deutsche Partei verdiene auch den Vorwurf, daß sie zu wenig Fühlung mit dem Volk habe, sie dürfe nicht eine Partei bleiben, die wohl in die „Herrentube" nicht aber in die „Bauernstube" passe. Von der Bolkspartei trenne die Jungen datz Versagen in nationalen Fragen, ihr Verhalten gegenüber den Forderungen für unsere Wehrmacht zu Wasser und zu Land. Redner erkennt die Verdienste der Demokratie, die zsie sich um die Schaffung deS modernen Staats geschaffen, voll an. Ihr verdanken wir die Durchdringung der Verfassung und Gesetzgebung mit liberalen Grundsätzen. In der inneren Landespolitik beispielsweise könne man mit der Bolkspartei vollständig zusammengehen, auf dem Gebiet der äußeren, der Reichspolitik aber seien die Jungen in verschiedenen Punk- ten anderer Meinung. Da nun aber durch die Gründung einer jungliberalen Partei nur eine Zersplitterung der Kräfte verursacht würde, so müssen vielmehr die Jungen suchen, ihre Grundsätze in den bestehenden Parteien zu vertreten. Sie können so die Vermittler der Zukunfts- Partei, der großen liberalen Linken, bilden. — Hr. Flaschnermeister Güthler verlieh dem Einverständnis der Anwesenden mit den Ausführungen der beiden Redner Ausdruck. — Am Montag, den 2. Januar abends 8 Uhr, findet eine Zusammenkunft im Gasthaus z. „Sonne" statt, wozu alle Freunde der Sache eingeladen sind. (Tagesordnung: Aufstellung einer Liste der Ausschußmitglieder.)
MntevHattsrröes.
Der Diamanlstein.
Erzählung von O. Elster.
31) (Nachdruck verboten.)
„Na der arme Junge kam ja etwas ent- täuscht und verärgert zurück von dem verzau- berten Diamantstein," setzte er mit schelmi- schein Lächeln hin „er hat seine Rechnung da
nicht ganz gefunden — ich habe ihn aber gleich gewarnt, sich törichte Gedanken in den Kopf zu setzen. — Doch nun setzen Sie sich. Liselotte — oder soll ich gnädiges Fräulein sagen?"
„Nein, lieber Herr Professor, lassen wir'S bei der alten Gewohnheit."
„Ist mir auch lieber. — Aber erzählen Sie doch, was führt Sie nach Berlin? — Einkäufe für die Aussteuer?"
Liselotte schüttelte ernst das Haupt.
„Damit ist's vorbei, Herr Professor."
„Wieso vorbei? Ich denke, L>ie wollen in einigen Wochen Hochzeit machen?"
„Ich werde überhaupt nicht heiraten!"
„Aber erlauben Sie mal, Liselotte .
„Ich habe meine Verlobung aufgehoben . ."
„Was — wie?!"
»Ja, ich fühlte, daß ich unglücklich werden und unglücklich machen würde, und da habe ich kurzen Prozeß gemacht, habe meine Sache» gepackt und habe Diamant- stein bei Nacht und Nebel verlassen. Mit anderen Worten: ich bin durchgebrannt," versuchte sie zu scherzen.
„Aber erlauben Sie mal, Liselotte, Sie dürfen nicht so schlechte Witze machen. Sie nicht! Das überlassen Sie anderen Leuten, zum Beispiel dem dummen Jungen, dem Mansberg."
„Ich scherze nicht, Herr Professor," entgegnete Liselotte jetzt ganz ernst. „Ich habe i» der Tat meine Verlobung gelöst und bin hierher gekommen, um mich als Künstlerin auf eigene Füße zu stellen. Wollen Sie, mein aller Meister, mir dabei behilflich sein?"
Der kleine Professor rannte einige Mate in dem Atelier auf und ab, fuhr sich mit den Händen durch die grauen Locken, murmelte einige unverständliche Worte und blieb dann plötzlich vor Life- lotte stehen, sie mit ernstem, erstaunten Blick beobachtend.
Sie hielt seinen Blick tapfer aus, während eine feine Röte ihr in Stirn und Wangen stieg.
„Ich muß Ihnen schon glauben, Life- lotte", sprach er dann mit tiefem Ernst. „Meiner Unterstützung können Sie sicher sein, auch wenn Sie mir nicht jagen können, wieso das Alles gekommen. Ich habe auch kein Recht, darnach zu fragen — ich weiß, daß Sie nichts Ihrer Unwürdiges tun — ich vertraue Ihnen, daß Sie Ihre guten Gründe zu Ihrem der Welt freilich unverständlichen Schritte haben werden. Aber Ihre Verwandten, Ihre Mama — sind sie mit Ihrem Schritte einverstanden?"
„Nein, ich habe sie auch erst nach meiner Abreise schriftlich von meinem Entschluß in Kenntnis gesetzt. Sie werden diesen Schritt nicht billigen, nicht verstehen, sie werden mich vielleicht verdammen, aber glauben Sie mir, Meister, ich konnte, ich durfte nicht anders handeln, wollte ich mir selbst treu bleiben, wollte ich mich nicht selbst verachten müssen, wollte ich nicht das Lebensglück an- derer mir sehr nahestehender Personen vernichten. Einen anderen Weg, als den von mir eingeschlagenen, gab es nicht. Niemals würde meine Mutter in eine gütlich: Auflösung dieser Verlobung ge- willigt haben, so mußte ich das Band gewaltsam zerreißen."
„Ich glaube Ihnen . . . aber werden Sie weiter bei Ihrer Mutter wohnen können?"
„Nein — ich stehe ganz allein da."