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Der ehemalige Oberleutnant- ger, der bekanntlich am KaisergeburtStag 1900 in Mörchingen den Hauplmann Adams erschoß und dafür vom Ober­kriegsgericht mit 6 Jahren Zuchthaus bestraft wurde, wurde, nachdem er 2 Jahre im Zuchthaus zu Ensisheim ver­büßt hatte, für den Rest zn,,Gefängnis­strafe begnadigt und in das Straßburger Bezirksgefängnis übergeführt. Am Kai­sergeburtstage 1903 wurde er vollständig begnadigt. Er richtete damals ein Gesuch an die Militärverwaltung und bat, als gemeiner Soldat in die Schutztruppe in Deutsch-Südwestasrika eintreten zu dürfen. Da die Zuchthausstrafe in Gefängnis umgewandelt worden war, glaubte er auch damit von der mit der ersteren verbunde­nen Entehrung befreit zu sein. Dies traf aber nicht zu, da der Eintritt in die Schutztruppe nicht gestattet wurde. Rüger ging darauf als Privatmann nach Afrika und schloß sich dort als Krankenträger einer Kolonne an. Sein Verhalten dort soll ein vorzügliches gewesen sein, und er soll auch iu mehreren Gefechten eins her­vorragende Tapferkeit bewiesen haben. Auf Grund dieses Verhaltens soll nun, denB. N. N." zufolge, wie Privat­nachrichten aus Deutsch-Südwestasrika nach Metz melden, ein RehabilitalionS- versahren eingeleitet worden sein.

Eine scharfe Warnung liegt in einem Urteil, das nach demReichsboten" gegen einen Leipziger Kaufmann erging. Dieser hatte die Rückfahrkarte eines Be­kannten zu einer Fahrt von Dresden nach Leipzig widerrechtlich benutzt. Er wurde deshalb zu 14 Tagen Gefängnis verurteilt.

Die Sozialdemokraten haben binnen Jahresfrist in den deutschen Parlamenten 9 Mandate verloren, zwei ganz knapp mit fremder Hilfe behauptet und bei den übrigen Ersatzwahlen, wo sie beteiligt waren, einen Stimmenrückgang zn ver- zeichnen gehabt.

Brüssel. Andrä Giron, der mit der Gräfin Montignoso flüchtete, ist jetzt Be» amterin einem Brüsseler Kaufmannshause.

Paris, 19. Dez. Der Matin meldet: Frau Syveton habe bei dem gestrigen 5stündigen Verhör dem Untersuchungs­richter bestätigt, daß ihr Gatte Selbst­mord begangen habe. Nach Enthüllungen ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes habe sie ihm erklärt, nicht länger mit ihm leben zu wollen. Darauf habe Syveton beschlossen, zu sterben und er habe sich in seinem Arbeitszimmer vor dem Gas­ofen niedergelegt. Als Frau Syveton später in das Arbeitszimmer eingetreten sei, habe sie ihren Mann tot gefunden. Frau Syveton habe auch dem Unter­suchungsrichter Boncquard eingestanden, daß sie die Zeitungen selber in das Ka­minrohr gesteckt habe, um an einen Un­fall glauben zu machen.

London, 1L. Dez. Nach einer Mel­dung aus Durban wurde dem Dr. LeydS, dem ehemalige» Staatssekretär von Trans- vaal, dort die Landung verboten. Dr. Leyds fuhr infolgedessen nach der Dela- goa-Bai weiter. '

London, 18. Dez. Ein Handlungs­gehilfe in Newyork, Max Hart, machte einen Glückskauf. Er erstand bei einer Versteigerung unausgelöster Gepäckstücke einen Handkoffer für 20 Mk. und fand in demselben Wertpapiere in der Höhe von 200000 Mk. die ihm das Gericht als ehrlich erstanden zuerkannte.

Tschifu, IV. Dez. Die von Port Arthur hier eingetroffcnen Russen bestä­tigen, daß die russischen Kriegsschiffe ver­senkt seien. Die Japaner hätten das schon vor 2 Monaten fertig bringen kön­nen, offenbar aber die Beschießung der Forts vorgezogen. Die Zerstörung der Schiffe durch die Japaner läßt nach rus­sischer Ansicht erkennen, daß die Japaner die Hoffnung aufgeben, die Festung zu erobern. In den letzten dreißig Tagen hätten die Japaner drei Torpedoboote verloren. Das dritte sank bei dem Nacht­angriff am 14. Dez. Am hohen Hügel hatten die Japaner 12000 Mann Ver­luste; sie können den hohen Hügel nur als Beobachtungsposten benützen. Von den Hauplforts ist noch keines gefallen. In den letzten 14 Tagen trafen drei Dampfer mit Lebensmitteln und Munition in Port Arthur ein. Die Russen hoffen, daß die Festung noch viele Monate sich halten werde. Das Boot verließ Porr Arthur während eines Sturmes. Die Russen waren bei ihrer Ankunft in Tschifu nahezu erfroren; sie überbrachten zahl­reiche Depeschen.

London, 19. Dez.Daily Telegr." berichtet ans Tschifu von gestern: Ein japanischer Bote von der Belagerungsarmee überbringt Einzelheiten über die Angriffe der Japaner am 3. Dezember bei den Jtschan« und Bordi-Forts. Das Fort Bordi war von den Russen mit einem 600 Fuß langen und SO Fuß breiten Graben umgeben worden. Der Graben war mehrere Fuß hoch mit Kerosinöl gefüllt, und dieses war mir Holz und Stroh über­deckt. Als die japanischen Sturmkolonnen in den Graben eindrangen, setzten die Russen den Graben in Brand und viele Hunderte Japaner verbrannten dabei voll­ständig. Das Feuer dauerte eine Nacht und den folgenden Tag über an. Erst in der zweiten Nacht war der Graben aus­gebrannt. Die Japaner griffen nun in kleinen Abteilungen an, wobei sie sich hinter kleinen Holzschilven deckten. Es kam zum Gefecht. Im Bajonettkampf nahmen die Japaner die neue Stellung und machten 150 Gefangene.

Mntevhcrktendes.

Der Diamantstein.

Erzählung von O. Elfte r.

28) (Nachdruck verboten.)

Liselotte sah ihnen nachdenklich nach, und in ihrem Herzen keimte ein ernster Entschluß empor. So durfte so konnte es nicht weiter gehen, wollte sie ihre Selbstachtung nicht verlieren.

Jürgen wohnte während seines Ur­laubs in dem Herrenhause von Diamant­stein, wo bereits zwei Zimmer für ihn eingerichtet waren. Auch wollte er die baulichen Veränderungen eine Zeit lang überwachen. So kam es, daß er täglich mit Frau von Jmhoff und Käthe zu­sammen wac, während er Liselotte nur am Nachmittag einige Stunden sah. Entweder kam sie selbst vom Diamant­stein herab, oder Jürgen ritt am Nach­mittag zum Schloß hinauf.

Bei diesen Besuchen bemerkte Liselotte sehr wohl sein zerstreutes Wesen; die frühere Zärtlichkeit schien ganz verschwun­den, er war wohl »och aufmerksam gegen seine Braut, aber es schien ihm ganz natürlich, daß sie ernst und ruhig neben einander hergingen, ohne die unter Braut­leuten üblichen Zärtlichkeiten auszutauschen.

Er zeigte oft einen traurigen Ernst, der ihm früher völlig fremd gewesen war. Eine nervöse Unruhe machte sich bei ihm geltend, und es war, als ob er aufatmete, wenn er sich von Liselotte verabschiedete und nach Diamantstein zurückkehren durfte.

Am seltsamsten war jedoch die Ver­änderung in dem Wesen Käthes. Bald stürmisch zärtlich gegen die ältere Schwe- ster und von ausgelassener Heiterkeit, bald zurückhaltend und von einem trüben Ernst, der weder für ihr Alter noch ihren Charakter paßte.

Einst traf Liselotte sie auf der Ve­randa in Tränen schwimmend. Erschreckt sprang sie auf, als die ältere Schwester cintrat, als ob sie entfliehen wollte. Als dann Liselotte sie mit gütigem Worte an- rcdete, warf sie sich in Liselottes Arme und schluchzte heftig.

Was ist Dir, Käthe?" fragte Lise­lotte mitleidsvoll.Habe Vertrauen zu mir schütte Dein Herz aus, wenn ich es vermag, werde ich Dir helfen."

Käthe schüttelte das Köpfchen, unter Tränen lächelnd wie ein Kind.

Niemand kann mir helfen, Liselotte. Mir fehlt auch nichts ich bin nur ein dummes, törichtes Kind. Ihr seid alle so freundlich, so gütig gegen mich ich verdiene es gar nicht . . ."

Du nennst Dich selbst ein Kind," entgegnete Liselotte lächelnd.Soll man nicht nachsichtig und freundlich zu einem Kinde sein? Und nun komm zeig mir Deinen Garten und Deine Blumen."

Meinen Garten, Liselotte?! Es ist Dein Garten, und für Dich habe ich die Blumen gepflanzt. Und sieh, das macht mich oft so traurig, daß ich - all daS wieder verlassen und in die düstere Berliner Wohnung zurückkehren soll."

Aber wer spricht denn davon? Du sollst hier bleiben hier soll Deine Heimat werden ..."

Auch wenn Du verheiratet bist?"

Auch dann dann erst recht . . . Dann darfst Du mich erst recht nicht verlassen.

Käthe sah ernsthaft vor sich nieder. Aufs Neue stiegen ihr die Tränen in die blauen Augen, dann erhob sie den feuchten Blick zu der Schwester und sagte mit bebender Stimme:

Nein, Liselotte, das geht nicht. Mama sagte auch schon, daß wir nach Eurer Hochzeit nach Berlin zurückkehren müßten."

Weißt Du, Käthe, wir wollen von meiner Hochzeit noch gar nicht spreche». Das ist ja noch so lange hin ich mag selbst noch nicht daran denken. Und nun komm in den Garten und sei wieder meine lustige Käthe."

Solche kleinen Szenen wiederholten sich öfter und ließen in Liselotte immer mehr die Ueberzeugung reifen, daß sie durch einen raschen Entschluß all diesen Irrungen und Wirrungen ein Ende ma­chen müsse.

Aber auf welche Weise? Ihre Mutter in das Vertrauen ziehen? Un­möglich Fryu von Jmhoff würde sie und Käthe nicht verstanden haben, sie würde den Entschluß Liselottes, die Ver­lobung mit dem Grafen Jürgen rückgän­gig zu machen, mit allen Kräften bekämpft haben.

Tante Eleonore Polyxena? Liselotte scheute sich vor den tiefblickenden, forschen­den Augen der alten Dame, die den wahren Grund des Entschlusses Liselot­tens sehr bald erkannt haben würde.