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gen: Ein Herr bot die stattliche Summe von 3000 Mk. für eine Loge doch ohne Erfolg. Für Parkettsitze wurden 100 bis 150 Mk. gefordert und bezahlt. Ein Händler verlangte für dritten Rang 2530 Mk. Er hatte noch drei Karten und meinte, stolz auf seinen Besitz: Meine Kollegen beneiden mich schon drum. Es war auch keine Kleinigkeit, sie zu erhalten. Ein Mann hat für mich von 10 Uhr abends bis 10 Uhr morgens drüben ge­standen und von mir ordentlich zu essen und zu trinken bekommen. Na, und die Erkäitung ist auch nicht ausgeblieben." So wie dieser Dauersteher haben es viele gemacht und, sei es aus eigener Kunst- bcgeisternng oder dem schnöden Mammon zu Liebe, eine ganze Nacht geopfert. Von Zeit zu Zeit erschienen Händler, die mit Kaffee und Würstchen die Frierendenein wenig aufwärmten. Die Leute wurden mit Jubel begrüßt.

Essen a. R., 14. Dez. Wie der Vor­stand der Pcnsionskasse der Firma Fried- rich Krupp unter dem 9. ds. Mts. be­kannt macht, hat die Firma auf Veran­lassung von Frau Krupp im Namen ihrer Tochter Berta der Pensionskasse eine außerordentliche Zuwendung von 500000 Mk. gemacht.

London, 15. Dez. Die heutigen Nach­richten aus dem japanischen Lager vor Port Arthur sprechen von der fürchter­lichen Weis», wie die Leichen auf dem 203 Meter-Hügel besonders durch Hand- granate« zugerichtet waren. Don Kleidern entbößt, verbrannt, verstümmelt, zerrissen bis zur Unkenntlichkeit, der Arme, Beine und Köpfe beraubt, lagen diese Menschen- restc nach den Depeschen derDaily Mail" und desDaily Telegraph" über­all umher; ein grauenhafter Anblick! Haufeu von Toten lagen drei und vier Fuß hoch vor dem Stacheldrahtgcwirre aufgetürmt. Manche Körper wareu mitten auseinander gerissen. Der Berichterstatter derDaily Mail" meint, die Genfer Konvention, die die Weichbleigeschosse außer Gebrauch gesetzt habe, sollte gegen den Gebrauch von Dynamitbomben ein- schreiten, deren Wirkungen hundertmal schrecklicher seien.

Pretoria, 17. Dez. Die Leiche KrügerS wurde feierlich beigesetzt. An der Feier nahmen gegen 2000 Burghers teil. Drei holländische Geistliche hielten Gedächtnisreden, worin sie die Vaterlands­liebe und das musterhafte religiöse Leben des Dahingeschiedenen, feierten. Der Hauptredner, Pastor Bosman. führte aus, daß die Buren der neuen Flagge erge­ben sein werden. Sie sollten aber nie­mals Krügers Grundsätze vergessen, ihr Volk müsse den von Krüger verzeichneten Linien der Entwicklung folgen.

Lokales.

X WiIdbad, 17. Dez. In der letzten Woche war Herr Or. Fetzer, Geschäfts­führer der deutschen Partei hier und hatte mit hiesigen Herren eine Besprech­ung zwecks Gründung einer Ortsgruppe der Deutschen Partei am hiesigen Platze. Dieser Gedanke fand allseitigen Anklang unter der Voraussetzung, daß die Losung seiNach linksI" Da am hiesigen Platze keine organisierte Partei besteht, und ohne Organisation politische Arbeit unmöglich ist, so hofft man durch Gründung einer liberalen Parteigruppe einen Christallisa- tionspunkt zu schaffen, um den sich alle liberal gesinnten Männer unserer Stadt

sammeln können. Denn das soll und muß das Endziel dieser politischen Vereinigung sein: die Sammlung des liberalen Bürger­tums. Wir befinden uns hiemit in voll­stem Einklang mit der von der Deutschen Volkspactei auf dem Parteitag in Heil­bronn gefaßten Resolution. Von Or. Fetzer wurde die Stellung der Deutschen Parrei dahin gekennzeichnet: entschiedener Kampf nach rechts und nach links, gegen die Reaktion der Konservativen und des Zentrums einerseits und gegen die So­zialdemokratie in ihrer heutigen Gestalt anderseits. Die Ausführungen des Partei­sekretärs riefen in den Anwesenden die Ueberzcuguiig hervor, daß die Deutsche Partei nunmehr gesonnen ist. wirklich libe­rale Politik zu machen. Er betonte ins­besondere, daß zurzeit zwischen Deutscher Partei und Volkspartei keine nennens- werten Meinungsverschiedenheiten beste­hen; in der Schul- und Verfassungsfrage gehe man vollständig einig und auch in der Eisenbahnfrage sei eine Lösung er­zielt worden, die beide Teile befriedige. Die Bürgerausschußwahlen in allerjüng­ster Zeit haben ja auch deutlich bewiesen, wie weit das Bedürfnis einer Vereinigung der Volks- und Deutschen Partei verbreitet ist. Ihr Ausfall hat aber auch bewiesen, daß die vereinigten bürgerlichen Parteien recht wohl dem Vordrängen der Sozialdemo­kraten wehren können. So hat sich also das Zusammengehen der liberalen Par- teien vorzüglich bewährt bei den letzten Kommunalwahlen; dasselbe Resultat könne erzielt werden durch Zusammenarbeiten bei den nächsten Landtagswahlen. Letzte- rem Zweck soll die Sammlung der liberal gesinnten Kreise Wildbads dienen. Für uns wird diese Frage anläßlich der Land­tagswahlen praktisch werden. Es ist gar nicht ausgeschlossen, daß aus Anlaß der Beratung der Vorlage betreffend die Ver­fassungsänderung der Landtag aufgelöst wird und daß wir also vor Ablauf der sechsjährigen Periode vor die Wahl eines Abgeordneten gestellt werden. Gehen die beiden liberalen Parteien hiebei geschlossen vor, so wird der Sieg auf ihrer Seite sein, wenn nicht, so wird ein Sozialdemo­krat in Zukunft unseren Bezirk vertreten. Um eine Sammlung der liberalen Ele­mente zu ermöglichen, so muß, wie in der erwähnten Besprechung wiederholt hervocgehoben wurde, der Hauptnachdruck ans das Wortliberat* gelegt werden, und es kann sich bei einem Anschluß an die Deutsche Partei nur um den äußer- sien linken Flügel dieser Partei han­deln. Morgen Dienstag abend, findet eine Besprechung dieser Frage im Gasthof z.Lamm" statt, wozu jedermann, der sich dafür interessiert, eingeladen ist. Im Januar sodann soll eine allgemeine öffentliche Versammlung stattfinden, in der vr. Fetzer sprechen wird, wobei er sich dann um die endgültige Gründung der Ortsgruppe handelt.

Wildbad, 19. Dezbr. Gestern Abend eröffnete der hiesige Turnverein den Reigen der Weihnachts-Vorführungen in der Turnhalle. Eingeleitet wurde die­selbe durch Musikvorträge der Artillerie- Musikkapelle von Ludwigsburg. Herr W. Wörner führte uns das musikalische Können der Turner vor und obgleich das Singen nicht die eigentliche Aufgabe eines Turnvereins ist, so ist doch ein Turnen ohne Gesang und Klang nur eine halbe Sache. In 3 frischen Männerchören zeigten die jungen Sängerturner, daß sie mit

Lust und Liebe zu singen verstehen. Daß Herr Wörner auch ein Künstler auf dem Klavier ist, braucht nicht erst erwähnt zu werden, die Begleitung der Vorträge war wieder meisterhaft. 3 humoristische Vor­tragsstücke:Die Meistersinger von

Sprollenhaus, Lieschens Geburtstag und 3 unfreiwillige Weiberfeinde erregten große Heiterkeit. Die Sprollenhäufer Meister­singer die Herren Dommer, Lässig, Sauer und Schill wetteiferten in humoristischer Weise selbst mit ihren Nürnberger Kollegen. Lieschens Geburts­tag endete nach Ueberwindung mancherlei Hindernisse zur Zufriedenheit aller Be» teiligten. Das Stück wurde von Frl. Bechtle und Kessler und den Herren Kern, Bechtle, Kühle,Schill, Hör k- heimer und Treiber sehr hübsch dar­gestellt und fand großen Beifall. Die 3 unfreiwilligen Weiberfeinde die Herren Sauer, Bechtle und Lässig boten treffliche humorvolle Leistungen dar, aber wir sah'n mit,einem Blicke, daß sie waren viel zu dicke, denn ein Weibchen klein und zart, liebt nicht Männer dieser Art. Die Glanzleistungen aber der Turner waren ihre imposanten Pyramiden, die von Hrn. Turnwart Schill mit großem Verständnis in tadelloser Weise eingeübt und vorgeführt wurden. Es war eine Lust der wackeren munteren Turnerschar zuzuschauen. Mittlerweile verstrich die Zeit und nun mußte die übliche Gaben- Verlosung rasch abgewickclt werden. Der Vorstand Kallfaß und Kassier Kuch hatten beide Hände voll zu tun, um die Gaben alle zu verteilen. Und nun ließ sich die ungeduldig wartende Jugend nicht länger halten, sie verlangte mit Recht nach einem Tnrnertänzchcn: frisch, fromm, fröhlich, frei! Die Aufstellung der ganzen Vortragsordnung und die gelungene Rührigkeit und Tüchtigkeit der Vereins- leitung. Ihnen und allen denen, die zum Gelingen des Vortragsabends beitrugen, sei hier an dieser Stelle Dank gesagt.

MntevHattenöes.

Der Diamantstein.

Erzählung von O. Elster.

27) (Nachdruck verboten.)

Da bringe ich Dir Deinen Bräuti­gam und nun will ich Euch nur allein lassen, denn nach sechswöchentlicher Tren­nung werdet Ihr Euch Mancherlei mit­zuteilen haben."

Mit diesen Worten stürmte Käthe in die Galerie, in der Liselotte vor ihrem angefangenen Gemälde saß und zog Jur- gen nach sich, der auf Liselotte zueilte, ihr die Hände entgegenstreckend.

Ja, da bin ich wieder, Liselotte," sagte er heiter.Ich hatte Sehnsucht nach Dir, und da habe ich einige Tage Urlaub genommen."

Liselotte war überrascht, das Blut stieg ihr in die Wangen, als sie ihren Bräutigam so plötzlich vor sich stehen sah. Seit dem häßlichen Auftritt mit Walter Mansberg waren mehrere Wochen ver- gangen. Liselotte gewann ihre Ruhe wieder und fand das Vertrauen von Neuem, sich an eine größere Arbeit zu wagen. Hauptsächlich die Briefe Thiemos, der jeden dritten Tag an sie schrieb 'und ihr in Form eines Tagebuchs seine Reise-