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guten Lagen der Kundschaft zu sauer sind und deshalb als Naturweine nicht verkauft werden, sondern gezuckert werden müssen und ich, da derartige Weine un- gezuckert nicht verlangt werden, solche auch nicht verkaufe. Ungezuckerte Weine werden nur aus den besseren Pfälzer Lagen verlangt. Die mir in den Mund gelegte Aussage weise ich deshalb als wahrheitswidrig zurück."
Cannstatt, 9. Dezbr. Unter dem dringenden Verdacht den Mord an der Eugenie Mast verübt zu haben wurde der verheiratete Chauffeur Brüderlein von Zweibrücken verhaftet, ebenso der 20 Jahre alte Kutscher Kögel von Mannheim unter dem Verdacht der Mittäterschaft. Ein Geständnis liegt bis jetzt noch nicht vor.
Tübingen, 5. Dez. (Tagesordnung für die Schwurgerichtssitzungen des 4. Quartals 1904.) Vom 12.—16. kommen folgende Strafsachen zur Verhandlung: Montag den 12. Dezember vormittags 9 Uhr, Anklagesache gegen den Dienstkaecht Andreas Beck von Grosselfingen, O.-A. Hechingen, wegen eines Verbrechens des Totschlags. Dienstag den 13. Dezember vormittags 9 Uhr, Anklagesache gegen den Fabrikarbeiter Karl Müller von Pfullingen, wegen eines Verbrechens der versuchten Notzucht. Dienstag den 13. Dez. nachmittags 3 Uhr, Anklagesache gegen den Gipsergesellen Heinrich Thumm von Bonlanden O.-A. Stuttgart, wegen 2 Verbrechen des versuchten Totschlags. Mittwoch, den 14. Dezember vormittags 9 Uhr, Anklagesache gegen den Sägearbeiter Gustav Kübler von Calmbach, O.-A. Neuenbürg, wegen eines Verbrechens der Brandstiftung. Mittwoch den 14. Dez. nachmittags 3 Uhr, Anklagesache gegen den Bernhard Schmid, Kaufmann von Nürtingen und dessen Ehefrau, wegen eines Verbrechens des betrügerischen Ban- kerotts uns Gläubigerbegünstigung. Donnerstag den 15. Dezember vormittags 9 Uhr, Anklagesache gegen den Dienstknecht Philipp Milz von Urach wegen eines Verbrechens der Notzucht. Freitag den 16. Dezember vormittags 9 Uhr. Anklagesache gegen den Bankier Ernst Jäger von Tübingen wegen Verbrechen gegen das Depotgesetz und die Konkursordnung.
Schramberg, 7. Dez. In den letzten Tagen ging das altrenommierte „Hotel Post" käuflich in den Besitz des seitherigen Pächters Fritz Förster, früher Besitzer des Hotel „Kreuz" in Singen, über. Der Kaufpreis beträgt 163,000 Mark. Der Vorbesitzer bezahlte vor ca. 4 Jahren für das Anwesen 200,000 Mk.
Ulm, S. Dezbr. (Strafkammer.) Der Fahrradhändler und Mechaniker Gottlieb Holbrin von hier, hatte mit seiner Nachbarin, der Gerbermeisterswitwe Bantlin, Streitigkeiten und ließ dann an seinem Anwesen zwei Schilde, auf welchem er seine Reparaturwerkstätte zum „Lederhofdrachen" nannte, und das Bild eines an der Kette liegenden, feuerspeienden Drachens anbringen. Auch in den Zeitungen machte er bekannt, daß sein Geschäft „zum Lcderhofdrachen" heiße, und baß es ihm ferne liege, mit dem „Drachen" Frau Bantlin zu nennen- Letztere fühlte sich aber doch beleidigt und auf ihren Strafantrag hin wurde Holbein, der die beleidigende Absicht bestritt, vom Schöffengericht zu 100 Mk. Geldstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Dieselbe wurde gestern
verhandelt, das Urteil wurde aufgehoben und Holbein zu 150 Mark Geldstrafe verurteilt. Außerdem wurde auf Vernich, tung des Drachcnbildes und Veröffentlichung des Urteils erkannt.
Villingen, 1. Dezember. Das vom Brauereibesitzen I. B. Schilling hier er- baute Gasthaus „zum Zähringer Hof" wurde von Herrn Karl Weiler, lang- jährigem Oberkellner im „Darmstädter Hof" zu Heidelberg, um den Preis von 150000 Mk. erworben und zum 1. April übernommen. Der neue Besitzer will auch das zu dem Gasthaus gehörige Bad bedeutend erweitern.
Offenburg, 6. Dezbr. In Willstätt hat sich eine Automobilgesellschaft gebildet, welche vom 1. Januar ab einen regelmäßigen Personenverkehr zwischen Offen- bürg und Kehl (an Sonntagen auch bis Straßburg zur Ermöglichung des Theaterbesuches) vermitteln soll. W>e die „M. Nchr." erfahren, wurde der Betrag von 24 000 Mk. gezeichnet.
— In Mainz fand ein Ingenieur, der in einem Restaurant eine Portion Seemuscheln für 50 Pfg. aß, in einer der Muscheln drei kleine Perlen, deren jede von einem Juwelier aus 18 Mk. geschätzt wurde
Berlin, 8. Dez. Der 24jährige, in der Puttkamerstraße wohnhaft gewesene angebliche Goldwarenhändler Isidor Perl, einer der gefährlichsten Berliner Woche» agenten, ist dem Kleinen Journal zufolge verhaftet worden. In den nächsten Tagen soll die Verhaftung zweier weiterer Wucherer erfolgen. Zu den Opfern Perls gehört auch ein ehemaliger Offizier, der Sohn eines hiesigen Universitätsprofessors und auch der vor einiger Zeit durch Selbst- mord geendete koreanische Gesandschafts- Attachs.
— Dem Berl. Tagebl. zufolge wurde eine Lotteriegemeinschaft zwischen Preußen Lübeck und Mecklenburg gebildet. Die Lübecker und Mecklenburger Lotterie geht ein; es werden dort Zweigstellen der preußischen Klaffenlotterie errichtet.
Fiume, 6. Dez. Wie hier verlautet, wird der deutsche Kaiser einen Teil des Winters an den Gestaden des adriatischen Meeres zubringen und von Ende Januar bis Ende Februar teils in Ra- gusa, teils auf der Jacht „Hohenzollern" wohnen. Zur selben Zeit wird die deutsche Kaiserin in Abbazia verweilen.
Paris. Nach Ansicht des Untersuchungsrichters und der Sachverständigen ist es ganz unzweifelhaft, daß es sich beim Tode Syvetons lediglich um einen Unfall handelt. Das Zeitungspaket im Kamine habe mit dem Unglücksfall gar nichts zu tun gehabt. Der Gasofen war seit längerer Zeit in schlechtem Zustande; Syveton hatte sich wiederholt darüber beklagt. Gestern, als er sich nach dem Frühstück in das Arbeitszimmer begab, um sein Plaidoyer zu seinem Prozeß vor- zubcreiten, sagte er, als er die Tür öffnete: „Das riecht hier schlecht." Gleichwohl öffnete er das Fenster nicht und setzte sich an seinen Schreibtisch. Als ihn feine Frau später am Boden liegend fand, hatte er an der Stirn eine kleine blut- unterlaufene Stelle. Vermutlich hat er sich, von dem Gasgeruch belästigt, erheben wollen, vielleicht um das Fenster zu öff- nen, ist aber in demselben Augenblick bewußtlos niedergestürzt, wobei er sich im Falle an der Kante des Schreibtisches verletzte.
Petersburg, 9. Dez. Der Kaiser verlieh dem Kommandeur des 17. Armeekorps, Bilderling, und dem Chef des Stabs Kuropatkins, Sfacharow, brillan- tengeschmückte goldene Säbel mit der Aufschrift „Für Tapferkeit!"
— Welche furchtbare Kämpfe um den 203 m-Hügel sich entspannen haben, der jetzt der russischen Flotte so verhängnisvoll wird, das entnimmt man der Nachricht eines Reuterkorrespondenten bei der japanischen Armee vor Port Arthur. Er erzählt: Ich besuchte den 263 m-Hügel. Der Anblick des Kampfschauplatzes ist fürchterlich. Die Japaner haben die vorgeschobenen Werke nach 6tägigem Kampfe genommen. Der Kamm des Hügels ist durch die Beschießung wegge- rissen. Die Abhänge find mit Trümmern bedeckt, die Gräben eingeworfen und mit Erde zugefülll. In einem einzigen 100 Schritt langen Stück des Grabens sind 200 tote und verwundete Russen gefunden worden. Die Leichen waren durch das in Handgranaten geschleuderte Dynamit entsetzlich verstümmelt.
St. Louis, 1. Dez. Auf der Weltausstellung betrug die Gesamtzahl der Besucher 18 500 000. Die Aktionäre erhalten von den eingezahlten 15 000 000 Dollars nur 1000Ö00 zurück.
Mnter-Hcrl'tenöes.
Der Diamantflein.
Erzählung von O. Elster.
24) (Nachdruck verboten.)
„Liselotte" flüsterte, er, „weshalb bist Du so ernst — weshalb so kühl zu mir?
— Wir haben doch früher zusammen ge-
plaudert und gescherzt; ich war Dein guter Kamerad und jetzt ziehst Du
Dich fast von mir rurück."
Er tat ihr leid; leicht strich sie mit der Hand über seine heiße Stirn. Aber sie vermochte ihm nicht den Trost zu geben, nach dem sein Herz dürstete.
„Du mußt nicht so ungestüm sein, Jürgen," sagte sie lächelnd, „und mußt Geduld mit mir haben. Alles ist mir so neu, so überraschend — Deine Liebe zu mir — unsere Verlobung — die Freundlichkeit und Güte Aller g^gen mich
— bin ich es denn wert, mit einem Male der Mittelpunkt dieses reichen und glänzenden HauseS zu sein?"
„Ja Liselotte — das bist Du. Du bist die schönste — di» Edelste von Allen."
„Deine Liebe übertreibt, Jürgen. Sieh Thea — sieh selbst mein Schwesterchen in der Jugend ihrer sechzehn Jahre — Beide sind schöner als ich, beide sind lebhafter, fröhlicher — Du mußt mich so nehmen, wie ich bin — so ernst, so alt".
„Lieselotte! — Habe mich nur lieb."
„Ich bin Dir von ganzem Herzen gut, Jürgen. Das muß Dir genug sein."
„Lieselotte ..."
Heftiger umschlang er sie und wollte sie küssen. Da »ntwaud sie sich fast gewaltsam seinen Armen; es war ihr unmöglich, seine Liebkosungen zu erwidern.
„Laß mich, Jürgen ich bitte Dich —"
„Ist das Deine Liebe, Lieselotte?" fragte er traurig.
Immer und immer die Liebe! — Sie hatte ihm doch nicht gesagt, daß sic ihn liebte! Sie willigte ein, sein Weib zu werden — sie wollte die Pflichten dieser Stellung treu erfüllen. — Weiteres konnte