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ungen betragen rund 75 Millionen Mk. Die Begründung weist auf die seit 30 Jahren erprobte Friedenspolitik Deutsch­lands hin, die nur durch ein starkes und schlagfertiges Heer gesichert werden könne. Das stetige Anwachsen der Bevölkerung (um jährlich 800000 Köpfe) ermöglicht, die Finanzlage beschränkt »ine Vermehr­ung. Frankreich überflügle Deutschland in der Gesamtzahl der Streitbaren (trotz­dem ersteres 16 Millionen Einwohner weniger hat!) Nach Einführung der zweijährigen Dienstzeit in Frankreich werde dies noch mehr der Fall sein. Besonders nötig sei die Verstärkung der Kavallerie. Gleichzeitig soll die probeweise eingeführte zweijährig» Dienstzeit unter Abänder­ung des Artikels 59 der Reichsverfassung gesetzlich dauernd festgelegt werden. Der neue Absatz im Gesetz lautet: Wäh­rend der Dauer der Dienstpflicht im Heere sind die Mannschaften der Kaval­lerie und reitenden Feldartillerie die ersten drei, olle übrigen Mannschaften die ersten 2 Jahre zum ununterbrochenen Dienst bei der Fahne verpflichtet. Ein weiterer Absatz besagt: Im Notfall können auf Anordnung des Kaisers die nach dem neu hinzugefügten Absatz zu entlassenden Mannschaften im aktiven Dienst zurückbe- halten werden. Diese Zurückbehaltung zählt für die Uebungen im Sinne des letzten Absatzes des § 6 des Gesetzes vom 9. November 1867. Die Mannschaften der Fußtruppen, der fahrenden Artillerie und des Train, welche freiwillig drei Jahre aktiv dienen, treten in die Land­wehr 1. Aufgebots nach 3 Jahren über. Die Mannschaften der Landwehrinfauterie des ersten Aufgebots werden zweimal zu Uebungen in besonderen aus Mannschaf­ten des Beurlaubtenstandes gebildeten Formationen ans 814 Tage, vom Tage des Eintreffens beim Truppenteil an ge­rechnet, einberufen. Die Landwehrkaval- lerie wird im Frieden zu Uebungen nicht herangezvgen. Die Landwehrmannschaften aller übrigen Waffengattungnn üben in demselben Umfang wie die Infanterie in besonderen Formationen oder im Anschluß an die betreffenden Linientruppen. Diese Bestimmungen sollen am 1. April 1905 in Kraft treten.

Hamburg, 1. Dez. Di? Prämie der preuß. Klassenlotterie im Betrage von 300000 Mk. hat eine bei dem Fernsprech­amt in Hambnrg als Beamtin angestellte Siamesin gewonnen.

Kapstadt, 29. Nov. Der Dampfer Batavier" mit d»r Leiche des Präsiden­ten Krüger ist heute hier eingetroffen. Die Leiche wird hier feierlich ausgebahrt. Am 7. Dez. wird sie in einem Sonderzug, der an den meisten größeren Orten hält, nach Pretoria gebracht werden.

Äus Stadt und Umgebung.

§ Calm bach, 3. Dez. Der 1. Dezember war für unsere Gemeinde ein wichtiger Tag, galt es doch der Einweihung unse­res neuen schönen Schulhauses. Statt dreier älterer Schulhäuser erhebt sich nun auf schönem freien Platze an der Straße nach Höfen ein durchaus zweckmäßiger, stattlicher, mit den neuesten Errungenschaf, ten auf allen Gebieten der Baukunst aus­gestatteter Bau, man möchte beinahe sa­gen:Schulpalast", eine Zierde des gan­zen Ortes. Letzten Donnerstag mor­gens 10 Uhr sammelten sich die Schüler

um ihre Lehrer in ihren seitherigen Schul­lokalen, um mit Gesang uno Gebet von den alten Gebäuden Abschied zu nehmen, hierauf folgte feierlicher Festgottesdienst, den Herr Pfarrverweser Hahn abhielt. Von der Kirche aus ordnete sich der Fest' zug unter Vorantritt der Schüler und Lehrer nach dem neuen Schulgebäude; es folgten die Herren Schultheiß Häber- l e n, Pfarrvenv. Hahn, Bezirksschulinspek­tor S ch n e i d e r.Oberkonsistorialrat S ch ü tz von Stuttgart, Dekan Uhl und Ober- amtmann Hornung von Neuenbürg, die Gemeinderats- und Ortsschulratsmitglie­dern von Calmbach, dann die Gäste aus dem Bezirk, die Ortsvorsteher, Geistliche und Lehrer. Am Portal des Hauses an­gekommen, sangen die Lehrer mit ihren Kindern:Großer Gott, wir loben dich.* Hierauf hielt der Erbauer dieses schönen Hauses, Herr Oberamtsbaumeister Link, eine Ansprache, in der er dem Herrn Ortsvorsteher, den GemeinderatSmitglie« dern und allen seinen Mitarbeitern, den Meistern und Gesellen seinen besten Dank ausdrückte für genaue und pünktlichste Ausführung seiner Pläne, Dank dieser Pflichttreue habe auch dieser stattliche Bau ausgeführt werden können, ohne jeglichen Unfall. Damit übergab er die Schlüssel dem Herrn Ortsvorstand- berlen. Derselbe dankte vor allem Gott, der die Arbeit an diesem Haus gesegnet; dieses HauS möge ein liebes Heim der kommenden Geschlechter, eine Stätte der Gesittung und Ordnung werden. Mit diesem Wunsche wurde der Schlüssel an den Ortsschulinspektor, Herrn Pfarrer Hahn, übergeben, der den Bau aufschloß mit dem Segenswunsche: Gott möge un­seren Eingang und Ausgang segnen, jetzt und immerdar. Nun strömte die fröhliche Kinderschar hinein und suchte ihre schö­nen, Hellen, lustigen Schullokale auf, wo­selbst sie Geschenke und Gedenkbücher zum Andenken an diesen Tag erhielten. Die Besichtigung des stattlichen Neubaues er­gab im Souterrain eine schöne Wohnung für den Schuldiener, eine kleinere Turn-' Halle, einen Badesaal und die Zentral- Dampfheizung. In den 2 Stockwerken befinden sich 16 große Säle, 1 Lehrer­zimmer und ein Bibliothekzimmer, im Dachstock mehrere Einzelzimmer für die jüngeren Lehrer. Der Banaufwand betrug insgesamt 156 000 Mk. Nach Besichtigung des Hauses versammelte man sich imZeichen- saal, wosebst Herr Oberkonsistorialrat Schütz, das Wort ergriff, um sich der Grüße und Glückwünsche der hohen Oberschulbehörde zu erledigen; er führte auS, dies Haus sei ein deutliches Zeichen der besseren Zukunft, der Gesittung, es sei im Glauben an eine bessere Zukunft er­baut worden. Nun nahm Herr Bezirks­schulinspektor Schneider das Mort, um in längerer Rede auszuführen, unter wel­chen Gesichtspunkten hier ein- und aus­gegangen werden soll, nämlich unter dem goldenen ^.de der Arbeit, der Bildung und eines deutschen christlichen Charakters. Herr Dekan Uhl aus Neuenbürg svrach das Schlußweihegebet, worauf die ganze Versammlung den Schlußgesang:Nun danket alle Gott" anstimmte. Damit fand die schöne würdige Feier ihren offi­ziellen Schluß. Es folgte das Festessen im Gasthaus zurSonne". Möge von diesem Haus ein Segen ausgehen über die ganze Gemeinde Calmbach und seine späteren Geschlechter.

Mntevhattenöes.

Der Diamantstein.

Erzählung von O. Elfte r.

21) (Nachdruck verboten.)

Sie stand hoch ausgerichtet vor ihm, der erstaunt zu ihr empor sah. Dann flog ein Lächeln über sein Antlitz, und er entgegnete:lieber meine sogenannte Großmut brauchst Du Dir keine Sorge zu machen, kleine Liselotte. Ich brauche nichts zu entbehren, wenn ich auch noch mehr fortgebe, als ich Jürgen und Dir geben will. Und Jürgen ist der Erbe meines ganzen Eigentums, wenn ich ein­mal die Augen schließe. Weshalb sollte ich ihm, dem .Sohn meiner Schwester und meinem Erben, da nicht schon zu meinen Lebzeiten einen Teil meines Be­sitzes übergeben, den ich nicht nötig habe? Dein Plan ehrt Dich Du bist ein stolzes, tapferes Mädchen ich schätze Dich deshalb doppelt hoch aber von Almosen darfst Du nicht sprechen' wenn Du mich nicht beleidigen willst. Ich tausche für das bischen Geld und Gut ein gutes Teil Glück für meine alten Tage ein dabei mache ich noch das bessere Geschäft," setzte er mit einem trüben Lächeln hinzu.Dein Plan ist aber nicht ausführbar Du mußt auch an Deine Mutter, an Deine Schwester denken."

Mit hilflosem Blick sah sie ihn an. Ja, er hatte recht niemals würde ihre Mutter ihr einen solchen Schritt vcr- zeihen. Und dann die kleine Käthe, ihre Schwester, das junge, herzige, lebensfrohe Kind, sollte es durch ihre Schuld in dem Elend weiter leben? Für Liselottes Ausbildung war noch viel geschehen; die Mutter verfügte damals noch über einige Mittel, und dann Liselotte selbst be­saß einen ganz anderen Charakter als Käthe, die nichts weiter war als ein fröhliches, herziges Kind, während Lise­lotte schon früh einen ernsten, festen Willen besessen, der ihr auch bei ihrer künstlerischen Ausbildung durch Not und Armut hindurchgeholfen. War es nun nicht ihre Pflicht, für ihre Mutter und die kleine Käthe zu sorgen? War es nicht von jeher ihr Wunsch gewesen, für ihre Lieben sorgen zu können? Jetzt bot sich ja eine günstige Gelegenheit, und sie wollte, statt diese Gelegenheit rasch zu ergreifen, neue Sorge, neues Elend auf sie alle hcrabrusen?

Aber um welches eigene Opfer sollte sie das Glück der Ihrigen erkaufen!

Sie schauderte leicht zusammen.

Thiemo sah den Kampf, der sich in dem Herzen Liselottes abspielte; er ahnte die Ursache nicht, er suchte den Grund in einem anderen Gefühl des jungen Mädchens. Aber ein tiefes Mitleid mit ihr zerriß sein Herz, er erfaßte ihre Hand und fuhr mit sanfter, leicht bebender Stimme fort:Fasse Mut, Liselotte wenn Dein Herz j.tzt auch noch nicht voll und warm für Jürgen schlägt, Du wirst den braven Jungen schon lieb gewinnen. Wirf alle Bedenken von Dir laß mir das Glück, für Dein Glück, für Dein Wohlergehen sorgen zu dürfen an ein anderes Glück darf ich ja nicht denken."

Kaum hörbar flüsterte »r die letzten Worte. Seine Stimme schien in tiefstem Seelenschmerz zu brechen, und seine Augen feuchteten sich. Doch nur einen Moment