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gefunden. Signalement: Größe 1,60 bis 1,65 m, Alter ca. 50 Jahre, roter Schnurr- und Knebelbart, braune Juppe, rotbraue Weste, schwarze Hose, Umleg­kragen, Rohrstiefel und lederne Leibgurt. Die Persönlichkeit ist nicht festgestellt und wird um Angabe von Anhaltspunkten gebeten.

Pforzheim, 29. Juni. Das 16 Jahre alte Dienstmädchen Frieda Ahl von Bcilstein wollte sich die Haare bren­nen. Dabei fiel der Brenuapparat vom Tische und explodierte. Am ganzen Kör­per mit schrecklichen Brandwunden bedeckt, mußte das Mädchen ins städt, Kranken­haus verbracht werden, wo es hoffnungs­los darniederliegt.

Pforzheim, 1. Juli. Der seit langer Zeit vermißte Fabrikant Rotschild ist laut Pforzheimer Anzeiger nunmehr in der Schweiz gefunden worden.

Gernsbach, 20. Juni. Heute^wurde in der Sitzung des Aufsichtsrats der Murgtalbahn Rastatt-Weisenbach, an der Vertreter der badischen Regierung teil- nahmen, der Vertrag unterzeichnet, nach welchem genannte Bahn in den Besitz des badischen Staats übergeht. Als Vor­sitzender des bisherigen Aufsichtsrats Unterzeichnete Kommerzienrat Klumpp von Gernsbach, der einzige Ueberlebende, der Ende der sechziger Jahre den Bahnbau Rastatt-Gernsbach und vor zwölf Jahren dessen Weiterführung von Gernsbach bis Weisenbach befürwortet und energisch betrieben hat. Infolge des Uebergangs der bisherigen Privatlahn in die Hände des Staats dürfte die Weiterführung der Bahn bis zur Landesgrenze günstig beeinflußt werden. Noch in diesem Herbst sollen die Arbeiten an der neuen Strecke Weisenbach-Schönmünzach vergeben wer­den.

Baden-Baden, 25. Juni. Der ehemalige Präsident des Oranje-Freistaa­tes M. Th. Steijn ist mit seiner Ge- mahlin hier eingetroffen und hat im Französischen Hof" Wohnung genommen

Freiburg i. B., 29. Juni. Nach 2tägiger Verhandlung verkündete die Strafkammer gestern das Urteil in der Strafsache gegen den Weichenwärter Aug. Hottmger von Herbolzheim, den Eisen­bahnassistenten Max Josef Keppner von da, den Zugführer und Schaffner M. Alb. Haitz von Appenweier und den Lo­komotivführer Karl Ott . von Konstanz, welche beschuldigt sind, durch Vernach­lässigung ihrer Pflichten den am 2. Dez. v. I. im Bahnhof zu Herbolzheim erfolg­ten Eisenbahnzusammenstoß verursacht zu haben, bei dem der Lokomotivheizer Win­terbauer getötet und der Lokomotivführer Hauger und mehrere Reisende mehr oder weniger schwerverletzt und die Maschinen aufs schwerste beschädigt wurden. Das Urteil lautete wegen fahrlässiger Tötung eines Transports gegen Keppner auf 4 Monate, gegen Haitz auf 10 Wochen und gegen Hottinger auf 6 Wochen Gefängnis und Tragung sämtlicher auf sie entfallen­den Kosten. Ott wurde freigesprochen.

Berlin, 2. Juli, Ueber die Be­deutung der Begegnung Kaiser Wilhelms und König Eduards in Kiel behauptet dasB. T." aus guter Quelle zu ver­nehmen: in Kiel hatte Graf Bülow eme anderthalbstündige Unterredung mit König Eduard, in welcher alle zwischen England und Deutschland schwebenden Differenz. Punkte zur Sprache kamen. Sowohl auf englischer, wie auf deutscher Seite hat

die Begegnung jede Spur etwa vorhan­dener Mißstimmung beseitigt und zu einer freundschaftlichen Aufklärung geführt. Es ergab sich besonders eine völlige Uebereinstimmung wegen Ausrechterhal­tung und Festigung des Weltfriedens. Es wurde in dieser Beziehung eine An­näherung erzielt, die bald in Wirksamkeit treten dürfte. Auch auf englischer Seite ist man von dem Ergebnis der Kieler Begegnung sehr besriedigt.

Aus Paris wird geschrieben: Die höchste Summe, die wohl je kür einen derartigen Gegenstand bezahlt worden ist, erzielte in diesen Tagen ein alter, einfacher Schlüssel. Er soll zu der Tür gehört haben, die in das Geburts­zimmer Napoleons I. in Ajaccio führt. Bei dem Verkauf dieser Reliquie wogte der Kampf lange Zeit aus und nieder, bis sie endlich von einem Liebhaber für 1500 Fr. erworben wurde.

Moskau, 30. Juni. Ueber Moskau und Umgebung ist gestern nachmittag ein gewaltiger Wirbelsturm niedergegangen. In den Dörfern Chochewka und Katscha- rewka wurden 150 Bauern getötet. Aus anderen Orten fehlen noch Einzelheiten, doch scheinen außer enormen Material­verlusten auch große Verluste an Men­schen sicher zu sein. In Moskau selbst deckte der Wirbelsturm viele Häuser und Kirchen ab und zerstörte den Lifort-Park und den Annengarten total. Ein Fabrik­schornstein wurde umgeworfen und zahl- reiche Menschen getötet und verletzt. In einigen Hospitälern liegen über hundert Schwerverletzte.

Petersburg, 2. Juli. Admiral Alexejew berichtet, daß die russische und japanische Flotte unweit Tschifu aufei- nandergestoßen sind, wobei 2 japanische Torpedoboote und ein Dampfer der rus­sischen Hilfsflotte in den Grund gebohrt wurden.

Ueber die Kämpfe bei Port Ar­thur wird der russischen Telegraphen­agentur mitgeteilt, daß die Meldungen über eine Seeschlacht bei Port Arthur und über große Verluste der Russen, darunter Admiral Uchtomski und 700 Mann, völlig unbegründet seien. Das russische Geschwader sei ohne jeglichen Verlust in den Hafen zurückgekehrt. In einem Nachtkampf der Torpedoboote hät­ten zwei der russischen Torpedoboote un­bedeutende Beschädigungen über der Wasserlinie erhalten. Auch die neue- stens verbreitete Meldung über die Ein­nahme dreier Forts bei Port Arthur durch die Japaner hat noch keine Bestä- tigung gefunden. Dagegen berichtet heute die Ruff. Tel.-Agentur über Kämpfe zwischen Dalny und Port Arthur, die vielleicht den Anlaß zu jener Meldung gegeben haben. In dem Bericht heißt es: Die japanische Flotte näherte sich am Morgen des 26. Juni Hsiaupintau und beschoß die Gegend nördlich von der Bucht Mitselesberg. Sodann griffen die Japaner mit an Land gesetzten Streitkräften die anliegende Höhe an. Drei Angriffe der Japaner wurden mit großen Verlusten zurückgeschlagen. Sodann zog sich die russische Truppenabteilung in die Haupt­stellung bei den Guinsanbergen zurück. Der Gegner verstärkte seine Vorhut und dirigierte eine starke Kolonne auk die aus Dalny nach Port Arthur führende mittlere Straße, um unseren linken Flügel zu umgehen. Unsere Abteilung mußte sich infolge dessen zurückziehen. Wir verloren

7 Offiziere und gegen 200 Untermilitärs. Die Verluste der Japaner waren wahr­scheinlich erheblich größer.

LokaLes.

Z Wildbad, 4. Juli. Der hiesige Turnverein hielt gestern bei schönstem Wetter oberhalb der Turnhalle bei der großen Eiche ein Waldfest ab, welches zahlreich besucht wurde. Es war auch eine Freude, die munteren Turner an den Geräten so gewandt hantieren zu sehen. Für die Wirtschaft war ebenfalls gut gesorgt. Besondere Anerkennung verdient die Calmbacher Musikkapelle, welcher allgemein Beifall gezollt wurde. Ohne jede Störung verlief das Fest bis zum Abend aufs Schönste. Es wäre sehr zu wünschen, daß die Eltern und Lehrherrn der jungen Leute sich immer mehr der so nützlichen Turnerei, welche starke und gesunde Menschen schafft, zu- wenden und die Jugend zur Turnerei anhalten würden.

Unter: hcrlterröes.

Seine Braut.

Humoreske von B. Rittwege r. Schluß. (Nachdruck verboten.)

Von einem mehrtägigen Ausflug in die Hauptstadt brachte ich die Photographie mit. Ich hatte sie bei einem Photographen erstanden. Wen sie vorstellt, weiß ich heute noch nicht. Mir genügte es, daß sie hübsch war, mehr als hübsch, denn eine häßliche Braut wollte ich mir doch nicht anschaffen. Wenn ich sonst nichts von meiner Braut hatte, sollte sie wenig­stens hübsch sein, das wirst dn begreifen. Einen reizenden Rahmen hatte ich für das Bild gekauft, mit einem Vergißmein­nichtkranz bemalt, wie sich's für ein Braut­bild gehört. Jetzt ziert der Rahmen die Photografie unseres Babys. Am Mor- gen nach meiner Rückkehr stellte ich das Bild auf meinem Schreibtisch auf. Noch etwas hatte ich als Hauptsache eingekauft einen Karton mit rosenroten Brief­umschlägen. Alle drei Tage zerpflückte ich einen solchen Umschlag, nachdem ich mit verstellter Schrift meine Adresse dar­auf geschrieben, in kleine Stückchen, und einige von diesen Stückchen ließ ich in meinen Papierkorp flattern. Die Wirk­ung meiner List war magisch. Von der Zeit an hatte die Lesewütige keine Bücher mehr nötig; Briefmarken waren stets im Haus; die Schriftstellerin hatte sich offen­bar ein Konversationslexikon angeschafft, denn sie fragte mich niemals mehr um Rat. Die Neugierige schien anzunehmen, daß im Städtchen nichts NennenwerteS mehr passirs, und Blumen^ wuchsen ent« schieden nicht mehr, denn meine Vas» blieb leer. Das war das Einzige, was mir leid tat und was ich vemißte. Ich kaufte mir nun mitunter selbst ein paar Blumen und stellte sie neben das Bild meiner lieben Braut, wie man das als glücklicher Bräutigam zu tun Pflegt. Was die Mutter anbelangt, so überzeugte sie sich nur noch in meiner Abwesenheit von dem Zustand meines Zimmers. Ein volles Jahr verbrachte ich noch im ungetrübten Besitz der idealen Wohnung, dann hieß mich die hohe Regierung meinen Stab weiter setzen. Das alte Ehepaar, in dessen Haus ich an meinem neuen Wohnort ein Unterkommen fand, hatte weder Töchter, noch Nichten, noch Enkelinnen, aber an

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