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ein schlechtes Zeugnis. Auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen wurde der Angekl. nur eines vollendeten Verbrechens der Brandstiftung unter Versagung mildernder Umstände schuldig gesprochen und zu 5 Jahren Zuchthaus und 6 Jahren Ehrverlust verurteilt. An der Strafe geht sts Jahr Untersuchungshaft ab.
Ofterdingen, 24. Juni. Zu der ruchlosen Tat, die heute früh hier verübt wurde, meldet die Tübinger Chronik: Die 24jährige Luise Maier, ein braves Mädchen, ist auf dem Felde, zwischen dem Walde und der Steinlach, ganz in der Nähe des Ortes, unfern der Sägmühle, wo sie mit Kartoffelhacken beschäftigt war, von einem vagierenden Stromer überfallen und so schwer verletzt worden, daß ein Wiederaufkommen völlig ausgeschlossen ist. In der Nähe des Tatortes war zur betr. Zeit niemand anwesend, so daß der Mordbube ungestört sein Verbrechen begehen konnte. Er suchte das Mädchen zu vergewaltigen, dieses setzte sich zur Wehr und in dem nun folgenden Kampf versuchte der Unmensch seinem Opfer den Hals zu durschneiden. Er brachte ihm dabei einen sehr tiefen Schnitt in den Hals bei, der den Tod des unglücklichen Mädchens wahrscheinlich zur Folge haben wird. Auf die Angstrufe des Mädchens flüchtete der Mörder in den nahen Wald, die sogen. Eichhalde. Hiesige Bürger nahmen sofort seine Verfolgung auf, ob sie von Erfolg gekrönt sein wird, konnte noch nicht festgestellt werden, da die Verfolger bis jetzt noch nicht zurückgekehrt find. Sämtliche Landjägerstationen der Umgebung wurden sofort von der grauenhaften Tat in Kenntnis gesetzt und beteiligten sich an der Verfolzung des Täters, so daß man hoffen kann, daß er bald dingfest gemacht wird. Bis zur Stunde lebt das arme Mädchen noch, doch ist ihr Zustand hoffnungslos.
Göppingen, 25. Juni. Abermals ist ein großes industrielles Unternehmen zusammengebrochen; gestern ist über das Vermögen der Firma Müller und Des- secker, Zementwaren- und Kunststeinfabrik hier vom hiesigen Amtsgericht das Konkursverfahren eröffnet worden. Es war in hiesigen Kreisen längst bekannt, daß dieser Zusammenbruch erfolgen mußte, da der Alleininhaber dieser Firma, Gottlieb Müller, weit über seine Vermögensverhältnisse operiert hatte. Auch über das Privatvermögen deS Gottlieb Müller ist der Konkurs eröffnet worden.
Hall, 23. Juni. Von der Strafkammer des K. Landgerichts hier ist heute der 35 Jahre alte ledige Landjäger Gottlieb Blanz von Niedernhall, OA. Kün- zelsau, wegen eines Vergehens der fahrlässigen Tömng zu der Gefängnisstrafe von einem Jahr und 4 Monaten verurteilt worden. Blanz, seit 1896 Landjäger, befand sich am Abend des 3. Juni auf der Rückkehr von emer Streife in der Glockenwirtschaft in Jngelfingen und blieb dort bis gegen Mitternacht. Er war schließlich angetrunken. Bei seinem Weggehen unterhielt er sich scherzhaft mit der Wirtin und deren Schwägerin, die andern Tags mit dem gleichfalls anwesenden Bauamtswerkmeister Hugo Locher aus Stuttgart Hochzeit feiern wollte. Er stand mit allen diesen Personen auf gutem Fuße. Im Hausöhrn hielt er im Scherze 'ein geladenes, aber ungesichertes Gewehr in der Richtung gegen die mit
Locher in Unterhaltung begriffene Wirtin/ berührte hiebei versehentlich den Abzugs- bügcl und der Schuß traf die Wirtin, die 30 Jahre alte Katharine Glock, die alsbald tot nmsank, mitten durch das Herz. Blanz wurde sofort festgenommen. Er mußte zugeben, daß er sich um den Zustand seines Gewehrs, seit er es an diesem Tag geladen hatte, nicht mehr gekümmert, und daß er die Sicherung „ver- geffen" habe.
Schwenningen, 27. Juni. In der vergangenen Nacht brach m der Dampfziegelei der Gebrüder Schlenker Großfeuer aus. Sämtliche Fabrikgebäude, das Kesfelhaus ausgenommen, wurden zerstört. Als Entstehungsursachc wird Kurzschluß vermutet.
Pforzheim, 27. Juni. Bei dem fürchterlichen Schiffsbrande im New-Yor- ker Hafen kamen auch ein Neffe der Frau Hutmacher Kehrer hier, dessen Frau und Kind, sowie eine Nichte ums Leben.
Nürnberg, 22. Juni. Wegen Feigheit wurde vom Kriegsgericht ein Unteroffizier der Reserve zu 7 Tagen gelinden Arrestes verurteilt. Er war vor einem Soldaten, der ihm die Ehrenbezeugung nicht erwiesen hatte und dann mit dem Säbel auf ihn losgegangen war, davon- gelaufen, um die Wache zu holen. Der Unteroffizier hatte nur sein kurzes Jn- fanterieseitengewehr, der Soldat dagegen, ein Cheveauxleger, seineu Reitersäbel.
Frankfurt, 28. Juni. Reichskanzler Graf Bülow hat der Familie des Dichters Wilhelm Jordan aus Kiel folgendes Telegramm gesandt: Mit aufrichtiger Teilnahme habe ich die Kunde von dem Hinscheiden Ihres verehrten Vaters vernommen. Möge es Sie in Ihrem Schmerze trösten, daß er in der Erinnerung unseres Volkes als kerndeutscher Dichter fortleben wird, dessen Name auch auf den ersten Blättern der Geschichte der deutschen Flotte ehrenvoll verzeichnet steht.
W i e s b ad e n, 27.Juni. Als gestern nachmittag Prinz Mioritz von Schaumburg- Lippe mit dem Kammcrherrn v. Specht in der Nähe von Langenschwalbach eine Automobilfahrt unternahmen, fuhr der Chauffeur, der einem Hunde ausweichen wollte, eine Tclegraphenstange an. Diese schlug uw und traf den Kammerherrn v. Specht, der sofort tot war. Der Prinz und der Chauffeur wurden aus dem Wagen geschleudert, erlitten aber nur leichte Verletzungen.
— Die Enthüllung „Aus einer klei- nen Garnison" haben Herrn Bilse 150 000 Mark eingetragen, und der frühere Train- lentnant ist heute Villeneigentümer in Zehlendorf bei Berlin. So will. ein Berliner Blatt wissen.
Kiel, 27. Juni. Heute Abend fand ein Festmahl im Kaiser!. Jachtklub statt. Die Tafel schmückte der von König Eduard gestiftete Goldpokal. An der Haupttafel saß der König von England zwischen dem Kaiser und dem Kronprinzen. Links neben dem Kaiser saß der Großherzog von Mecklenburg. Kaiser Wilhelm brachte bei dem Mal sorgenden Trinkspruch aus: „Vor 10 Jahren, im Jahre 1894, kam der damalige Kommodore der Royal Yacht Squadron mit einigen englischen Herren hierher und brachte uns gute Wünsche zu unserem eben neu aufblühenden Sport. Nach 10 Jahren, am heutigen Tage, haben wir die hohe Ehre und die große Freude, S. M. König Eduard VII., Admiral der
Royal-Yacht-Squadron, unter uns begrüßen zu können und zwar als unser Mitglied. Gestatten Eure Majestät, daß ich als Kommodore des Klubs meinen herzlichsten Dank Euer Majestät aussprechen darf im Namen aller Mitglieder. Wir wissen die hohe Ehre voll zu schätzen, den Admiral des Royal-Yacht-Squadron in unserer Mitte zu sehen, von dem der Sport seit vielen Jahren in England seine Entwicklung und seinen Aufschwung genommen hat. Gleichfalls bitte ich meinen innigsten Dank aussprechen zu dürfen für den wundervollen Pokal, den Euer Majestät dem Klub verehrt haben. Diesem Gefühle und dem Danke, den wir im Herzen tragen, wollen wir Ausdruck geben, indem wir nach echter Seemannsart Hurras auf Sr. Maj. Wohl aus- bringen. S. M. König Eduard VII. Hipp, Hipp, Hurrah!" König Eduard erwiderte in deutscher Sprache: „Darf ich Euer Majestät meinen innigsten Dank aussprechen für Ihre so k freundlichen Worte. Ich bin hierher gekommen und sehr erfreut über den Empfang, der mir bereitet worden ist von Euer Majestät und als Mitglied des kaiserlichen Yachtklubs. Ich bin stolz, heute Mitglied des Klubs zu sein und ich hoffe, daß Euer Majestät oder ein anderer von den Herren den Preis gewinnen wird, der für alle offen steht. Ich danke tausendmal für alle Ihre guten Wünsche. Ich trinke auf die Gesundheit des Admirals des kaiserlichen Jachtklubs. Es lebe der Kaiser. Hoch, hoch, hoch!" König Eduard hatte eine längere Besprechung mit dem Reichskanzler. Eine glänzende Illumination, verstärkt durch die Beleuchtung aus den Scheinwerfern der Schiffe und Feuerwerk bildete den Schluß ^der festlichen Veranstaltung.
Hamburg, 25. Juni. Dem bekannten Sportsmann Freiherrn v. Oppenheim wurde beim Verlassen eines O-Zuges Köln—Hamburg eine Brieftasche mit Bargeld und vielen Wertpapieren gestohlen. In demselben Zuge wurde einem Hamburger Kaufmann ebenfalls eine Brieftasche mit 800 Mk. Inhalt entwendet.
Basel, 24. Juni. Ein Reisender aus La Chaux-de-Fonds suchte auf dem badischen Bahnhof in Basel 109 goldene und 66 silberne Taschenuhren in seinen Kleidern verborgen über die Zollgrenze zu schmuggeln. Um unverdächtig zu erscheinen, hatte er einen Koffer mit Uhren verzollt. Man kam ihm aber auf die Schliche und konfiszierte seinen ganzen Uhrenbestand. Die Zollbuße dürfte mit Einschluß der umgangenen Zollgebühren eine Summe von 5000 Mark erreichen.
London, 28. Juni. Nach Meldungen ans Tschifu stad weitere Nachrichten eingelaufen, wonach am Samstag die russische Flotte einen neuerlichen Durchbruchsversuch gemacht habe, aber unter beiderseitigen Verlusten gezwungen war, zurückzugehen. Ein großes russisches Schiff und ein japanisches Panzerschiff sollen untergegangen sein.
— Die russische Port-Acthur-Flotte hat die wieder frei gemachte Hafen-Aus- fahrt benützen wollen, sich vor dem andrängenden Gegner etwas Luft zu verschaffen, aber es ist ihr nicht gut bekam- men. Die Japaner unter Admiral Togo haben aufgepaßt, und es ist ein russisches Schlachtschiff gesunken, ein anderes gefechtsunfähig gemacht, ebenso ein Kreuzer. Damit würde also, wenn es sich