— 335 —
so verhielte, wie der japanische Oberbefehlshaber sagt, die russische Port-Arthur» Flotte geliefert sein. Denn die Schlachtschiffe, um die es sich hier handelt, sind solche der größten Art, von rund 12000 Tonnen mit 700 Mann Besatzung. Der Kreuzer hat etwa 6000 Tonnen mit 400 Mann Besatzung. Die japanischen Schiffe sollen wenig beschädigt sein. Russischer- seits wird das bestritten, ebenso der erlittene eigene Schaden. Die Wahrheit liegt also wohl in der Mitte. Die Erstürmung von Port Arthur wird ja überhaupt nicht zur See entschieden, da muß zu Lande ein Hauptstnrm gewagt werden, der nicht wenig Menschen kosten wird.
WntevHcrl'tenöes.
Aus Aacht MM Licht
von Hugh Conway.
(Schluß.) (Nachdruck verboten.)
„Ein Tag verging nach dem andern und du sagtest nichts, da zog ich sie ab. Sie haben seither stets an meinem Herzen geruht und darauf gewartet, von dir, wenn ,du so wolltest, wieder an ihre Stelle ver- setzt zu werden."
Ich küßte die Hand, an welcher sie glänzten. „So ist dir also jetzt alles klar, mein teures Weib?"
„Nein, nicht alles, aber genug. An deine Wahrhaftigkeit und Treue und Liebe und Hingebung, an alles das kann ich mich erinnern, Geliebter — und alles das will ich dir vergelten, wenn die Liebe es vermag."
Kein Wort weiter über unsere Liebe; was darauf folgte, bleibe unentweiht. Die Bäume rundum allein wissen, was vorging, als ihr freundlicher Schatten auf uns fiel, wo wir saßen und Liebes- worte tauschten, während Stunde um Stunde unseres zweiten und eigentlichen Hochzeitstages verrann. Endlich erhoben wir uns, verweilten aber noch ein wenig, als könnten wir uns von dem Orte, wo wir die Seligkeit kennen gelernt hatten, micht trennen. Noch einmal blickten wir umher und sagten Hügel und Tal und Strom Lebewohl, wir schauten einander lange in die Augen, unsere Lippen fanden sich wieder in einem leidenschaftlichen Kusse: dann traten wir in die Welt hinaus und in das neue, süße Leben, welches uns erwartete.
Wir wandelten wie im Traume, aus dem uns erst der Anblick der Häuser und der Leute weckte.
„Pauline," flüsterte ich, „kannst du moch heute abreisen? Wir wollen nach London gehen."
„Und dann?" fragte sie neugierig.
„Kannst du mich fragen? Nach Italien natürlich."
Sie dankte mir mit einem Blicke und einem Händedrucke.
Wir waren jetzt zu Hause angekommen und sie verließ mich, indem sie an Pris- eilla vorbeiging, deren ehrliche Augen mich anstarrten.
Priseilla hatte mich einen Narren ge- nannt; ich mußte mich rächen.
„Priseilla", sagte ich ernst, „ich reise mit der Abendpost ab. Von London aus werde ich schreiben."
Meine Rache war vollständig gelungen, denn die gute alte Seele fiel mir weinend fast zu Füßen.
„O Master Gilbert, gehen Sie nicht fort, gehen Sie nicht fort, Sir! Die
arme junge Dame, Miß Pauline. was wird Sie anfangen? Sie liebt den Boden selbst, den Ihr Fuß betritt."
Ich hatte Vorwürfe erwartet, keine solche Gefühlsäußerung, und ich legte meine Hand auf ihre Schulter.
„Aber Priseilla, Miß Pauline, Mrs. Vaughan, meine Frau, geht ja mit mir."
Priscillas Tränen flössen noch reichlicher als zuvor, aber es waren Freuden- tränen.
Zehn Tage später stand Pauline an ihres Bruders Grabe, des sie auf ihren eigenen Wunsch allein besuchte, während ich am Gitter des Friedhofes wartete, bis sie zurückkam. Ihr Antlitz war sehr blaß, ihre Augen zeigten Tiänenspuren, aber sie lächelte, als sie meinen ängstlichen Blick bemerkte.
„Gilbert, lieber Mann", sagte sie, „ich habe geweint, aber jetzt lächle ich. Lassen wir die Vergangenheit vergangen sein und möge ihr Dunkel durch den Glanz der Gegenwart und die Hoffnung auf die Zukunft verjagt werden. Ich will die Liebe, welche ich für meinen Bruder gehegt, in die größere Liebe verwandeln, die ich für meinen Gatten fühle. Wir wollen uns abwenden von den düsteren Schatten und unser Leben neu beginnen."
Habe ich noch mehr zu sagen? Nur eines noch. Jahre danach war ich in Paris. Der große Krieg war bis zum bitteren Ende ausgefochten worden und die Spuren des Zusammenstoßes zwischen den zwei Völkern waren fast verschwunden, aber die des darauffolgende« Bruderkampfes waren noch überall sichtbar. Der Gallier selber hatte zerstört, was der Teutone verschont hatte. Die Tuillerien starrten mit blicklosen, leeren Augen traurig auf die kineo cko In Ooueorcko, wo die Statuen der schönen verlorenen Pro- vinzen standen. Die Vendomesäule lag gefällt da und die schöne Stadt war wüst und geschwärzt durch die mordbrennerischen Fackeln ihrer eigenen Söhne; aber es kam eine Zeit, wo die Flammen gelöscht waren und strenge Vergeltung geübt wurde. Ein fröhlicher junger Offizier, ein Freund von mir, zeigte mir ein Militärgefängnis; wir plauderten und rauchten in freier Luft, als ein kleiner Trupp Soldaten erschien, der drei Männer eskortierte, welche mit gefesselten Händen und gesenkten Köpfen emherschritten.
„Wer sind die?" fragte ich.
„Kommunisten, niederträchtiges Gesindel."
„Wohin bringt man sie?
Der Franzose zuckte die Achseln. „Wohin man sie alle bringen sollte — man kührt sie zum Erschießen, die Bestien!"
Bestien oder nicht; drei Männer, welche nur noch eine Minute zu leben haben, müssen ein Gegenstand des Interesses, wenn nicht der Teilnahme sein, und ich schaute sie genau an, als sie an uns vorbeikamen. Einer von ihnen erhob das Haupt uni starrte mir ins Gesicht. Es war Macari! Ich fuhr auf, als seine Augen den meinigen begegneten, aber ich schäme mich nicht, es zu sagen, daß die Bewegung von keinem Gefühle des Mitleids herrührte. Ceneri bemitleidete ich wider Willen und würde ihm, wenn es möglich gewesen wäre, geholfen haben; aber dieser Schurke, Lügner und Verräter hätte der gerechten Vergeltung anheimfallen müssen, selbst wenn ich ihn durch einen Wink meines Fingers hätte retten können. Er war seit langem aus memem
Leben verschwunden, aber mein Blut kochte noch immer, wenn ich an ihn und seine Verbrechen dachte. Ich wußte nicht, wie er seit unserem letzten Zusammen, treffen gelebt habe, wußte nicht, wen oder wie viele er betrogen habe; aber wenn die Gerechtigkeit auch lange gezögert hatte, ihn zu treffen, so hatte ihn endlich doch ihr Schwert erreicht und sein Ende war gekommen.
Er erkannte mich, vielleicht dachte er, daß ich hier sei, um mich an seiner Bestrafung zu ergötzen, und ein Ausdruck bitteren Hasses zuckte über sein Gesicht. Er blieb stehen, und schleuderte mir einen Fluch zu, doch die Wache trieb ihn weiter. Er wandte sich um und verwünschte mich, bis ihn einer der Soldaten auf den Mund schlug. Das mochte brutal sein, aber man machte in jenen Tagen mit Kommunisten nicht viel Umstände. Die Wache und ihre Gefangenen bogen um eine Ecke des Gebäudes.
„Wollen wir uns das Ende ansehen?" sagte mein Freund, die Asche von seiner Zigarre abstreifend.
„Nein, danke."
Aber wir hörten es. Nach 10 Minuten ertönte das Knattern von Flintenschüssen und ich wußte, daß der letzte und Schuldigste von den Mördern des un- glücklichen Anthony March denverdienten Lohn gefunden habe.
Ich erinnere mich an das Versprechen, welches ich Ceneri gegeben hatte, und mit vieler Mühe gelang es mir, eine Botschaft abzusenden, von der ich glaubte, daß sie ihn erreichen werde. Sechs Monate später erhielt ich einen Brief, welcher mit unzähligen hieroglyphischen Poststempeln be- deckt war und der mir meldete, daß der Gefangene, an den ich geschrieben hatte, zwei Jahre nach seiner Ankunft in den Minen gestorben sei. So erlebte der kleinere Verbrecher nicht die Genugthuung, das Schicksal dessen zu erfahren, welcher ihn verraten hatte.
^ Meine Erzählung ist zu Ende. Mein , und Paulinens Leben begann, als wir ^ damals vom Friedhofe zurückkehrten und j die Vergangenheit zu vergessen beschlossen. ! Seitdem haben wir dieselben Freuden und ^ Leiden gehabt wie tausend andere, und jetzt da ich dieses in meinem glücklichen Heim niederschreibe, gesegnet mit Weib und Kindern, frage ich mich, ob ich denn wirklich jemals der Blinde war, welcher jene schreckliche Töne vernommen und später jenes schreckliche Schauspiel gesehen hat. War ich es wirklich, der von einem Ende Europas an das andere geeilt war, um einen Zweifel zu lösen, den je gehegt zu haben mich schamrot macht? War es wirklich Pauline gewesen, deren Augen jetzt von Liebe und Verstand leuchten, die monate-, ja jahrelang dahingelebt hat während ihr edler Geist in Nacht versunken war?
§ Und doch muß es so gewesen sein; ,denn sie hat jede Zeile gelesen, die ich geschrieben, und während wir diese letzte Seite durchsehen und revidieren, sagt sie, indem sie darauf besteht, daß ich diese Aeußerung ebenfalls aufnehme:
„Zu viel, zu viel von mir, mein Ge- mahl, und nicht genug davon, was du für mich getan hast!"
Damit, mit der einzigen Meinungs- Verschiedenheit, welche zwischen uns besteht, mag meine Erzählung enden.
Ende.