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ihm mildernde Umstände zu gute, worauf er neben Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 3 Jahren zu der Gefängnisstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten verurteilt wurde, woran 6 Wochen Untersuchungshaft abgehen.
Reutlingen, 21. Juni. Eine Dampf, walze rannte heute abend in der Rennwiesengasse einen eisernen Brunnen um. Da die Bremse versagte fuhr die Maschine in das Haus des Johannes Merk und riß die ganze Vorderfront ein. Durch einen Betonsockel wurde sie dort aufge- halten und zum Stehen gebracht. Der Schaden an dem Hause ist bedeutend.
Gmünd, 19. Juni. Ein seltenes Vorkommnis ist nachstehender Fall eines Rekruten aus unserem Nachbarorte K. Derselbe mar voriges Jahr bei der Musterung noch ledig, bei der ersten Musterung dieses Jahres verheiratet und bei der nun stattfindenden Generalmusterung ist er bereits Witwer. Daß derselbe militärfrei wird, wird wohl nicht zu bezweifeln sein, da er Ernährer von 3 Kindern ist und in bescheidenen Verhältnissen lebt.
Pforzheim, 21. Juni. Wegen Gold- schnipfclkauf und Hehlerei wurde ein hiesiger Fabrikant, sowie der Goldschmied, welcher das Gold seinem Arbeitgeber stahl und an den ersteren verkaufte, verhaftet.
Landau, 18. Juni. Ein größerer Weinschmierprozeß kam dieser Tage wieder vor dem Landgericht zur Verhandlung. Der 32 Jahre alte Weinkommissionär und Weinhändler Ludwig Levi von Laudau hatte Wein durch Zusatz von Glycerin, Weinsteinsäure, Tamarinden, Rosinenextrakt und wässerige Zuckerlösung gewerbsmäßig gefälscht und diesen Wein unter Verschweigung seiner Zusammensetzung zum Zwecke der Täuschung in den Handel gebracht. Bei der am 27. Novbr. bei Levy vorgenommenen Kellerkontrolle wurden drei Fässer Wem (etwa 27 000 Liter) beschlagnahmt, jedoch erst am 14. Dezember unter Siegel gelegt. In der Zwischenzeit ist der beschlagnahmte Wein umgefüllt 'und geschönt worden. Levy, der nicht im Besitze von Weinbergen ist, hat einen Jahresumsatz von 180 Fuder gehabt. Der Wein kam meistens nach Mühlhausen im Elsaß, Elsenz und Klingenberg. Das Gericht erkannte gegen Levy auf 3000 Mk. Geldstrafe oder 300 Tage Gefängnis und Einziehung des beschlagnahmten Weines. Der Staatsanwalt hatte 14 Tage Gefängnis und 1000 Mk. Geldstrafe, sowie die Einziehung des beschlagnahmten Weines beantragt.
Berlin, 20. Juni. In einer von der Annoncen-Expedition Rudolf Mosse gegen den Verlag der „Gartenlaube" (E. Keils Nächst, bezw. Aug. Scherl) angestrengten Klage wegen des Verfügungsrechtes über den Inseratenteil der „Gartenlaube" ist eine Verständigung erfolgt, auf Grund deren die Firma Scherl an Mosse einen namhaften Betrag zahlt und eine Erklärung folgenden Wortlauts zu veröffentlichen hat: „Der Firma Rudolf Mosse ist in unseren Veröffentlichungen über den Jnse- ratenpacht-Vertrag der „Gartenlaube" der Vorwurf gemacht worden, daß sie sich dem Verlage der Gartenlaube gegenüber eines fortgesetzten Vertragsbruchs schuldig gemacht habe. Wir sind zu der lieber zeugung gelangt, daß die Firma Rudolf Mosse in ihren Beziehungen zum Verlage der „Gartenlaube" sich durchaus innerhalb des Rahmens der ihr übertragenen Rechte gehalten hat. Wir nehmen daher mit dem
Ausdruck des Bedauerns die durch eine Verkennung der tatsächlichen Verhältnisse verursachten, die Firma Rudolf Mosse verletzenden Erklärungen gern zurück."— Neue Jusertionsaufträge nimmt die Firma Rudolf Mosse für die „Gartenlaube" nicht mehr an, sondern erledigt nur noch die laufenden innerhalb ihres Pachtverhältnisses zur „Gartenlaube," das mit dem Jahre 1907 zu Ende geht. (Wie verlautet, erhält die Firma Rud. Mosse eine Entschädigung im Betrage von 500 000 Mark, wovon dieselbe 100000 Mark der Unterstützungskasse ihrer Angestellten zugewendet hat.
— Der Schnelldampfer „Kaiser Wik- Helm II." vom Norddeutschen Lloyd hat in 5 Tagen 14 Stunden und 58 Minuten die Fahrt von New-Iork nach Bremen zurückgelegt. Kaiser Wilhelm gratulierte zu diesem Rekord in einer Depesche.
Petersburg, 22. Juni. Ein Telegramm des Admirals Skrydloff an den Kaiser von gestern lautet: Heute ist die von mir am 15. Juni nach der japanischen Küste entsandte Torpedoboot-Abteil- ung unter dem Kommando des Kapitäns Winogradski nach Wladiwcstok zurückgekehrt. Die Torpedoboote sind bis vor den Hafen Esaschi auf der Insel Hokkaido gefahren, den sie wegen Nebels aber nicht anlaufen konnten. Die Torpedoobote haben sich mehrerer Handels- und Transportschiffe bemächtigt und sie in den Grund gebohrt. Eines haben sie in den Hafen von Wladiwostok gebracht. Die Besichtigung der Schiffspapiere und der Ladung ergab, daß ein großer Teil der Schiffe Reis und Fische an Bord hatten, die nach den Häfen Saseho und Schiüionoseki bestimmt waren.
New-Aork, 20. Juni. Die beiden letzten Tage waren für den deutschen Stadtteil von allgemeiner Trauer. Gestern bewegten sich 100 und heute 200 Leichenbegräbnisse durch die Straßen, die mit Tausenden angefüllt sind. Ein Zug umfaßte 29 nicht identificierte Leichen, die auf Kosten der Stadt begraben wurden. 568 Leichen sind gefunden, 329 werden noch vermißt. 53 Verletzte befinden sich in den Hospitälern. 30 Leichen sind so verbrannt, daß eine Jdentificierung unmöglich war. Die Untersuchungen werden fortgesetzt, jedoch durch den passiven Widerstand der Dampfergesellschaft erschwert. 50 Leichen wurden heute im Rumpf des Wracks entdeckt, doch ist es noch nicht möglich gewesen, sie zu bergen. Der bisher ge- sammelteUnterstützuiigsfond beträgt 40 000 Dollars, doch sind 150000 notwendig.
New-Aork, 21. Juni. Die erste Vorstellung der Buren, welche den TranS- vaalkrieg auf der Ausstellung in St. Louis darstellen, hat gestern stattgefunden. 200 Buren und 200 englische Soldaten stellen die verschiedenen Episoden der Schlacht bei Colenso sowie die Gefangennahme Cronjes in Paardeberg dar. lieber 15000 Personen verfolgen dieses Schauspiel. Die Generale Cronje und Viljoen ernteten reichen Beifall.
London, 23. Juni. „Daily Chro- nicle" meldet aus Föngwangtschöng: Die südwärts vordringenden Russen kamen gestern in Berührung mit der japanischen 6. Armee. Eine überlegene russische Streitmacht, durch Artillerie unterstützt griff eine japanische Abteilung bei Hsuah- litien an. Die Japaner verteidigten ihre Stellung energisch, wurden aber durch die russische Uebermacht zurückgetrieben.
Lokales.
Wildbad, 23. Juni. Nachdem der Einsendung in Nr. ?0 der „Chronik" nun auch eine Einsendung in Nr. 72 des „Anzeigers" beigetreten ist, gestatte ich mir mitzuteilen, daß die Ortsschulbehörde die vorjährige Einsendung in der „Chronik" in ihrer Sitzung vom 23. Juli 1903 zum Gegenstand der Beratung gemacht hat, eine Aenderung im Beginn der Schule aber laut Protokoll einstimmig glaubte ablehnen zu müssen. In die Wagschale fiel dabei besonder? die Mitteilung, daß schon früher einmal auf geäußerten Wunsch der Versuch gemacht worden sei, die Sommerschule erst 8 Uhr zu beginnen, unter Verlegung der vormittags ausfallenden Stunden auf den Nachmittag. Dagegen seien so viele Einsprachen seitens der Eltern der Kinder erhoben worden, daß die Aenderung wieder zurvckgenommen werden mußte. Es erschien nicht wahrscheinlich, daß die Stimmung bei der Mehrzahl der Eltern jetzt eine andere geworden sei. Sollten jedoch die Einsender der genannten Artikel anderer Ansicht sein, so werden sie ersucht, sich mit einer eingehend be- gründeten Eingabe an die Ortsschulbehörde als die zuständige Behörde zu wenden, welche dann die Angelegenheit in erneute Erwägung ziehen wird. Bemerkt möge aber werden, daß die hiesige Regelung des Schulanfangs während der Sommermonate an weitaus den meisten Gemeinden des Landes besteht.
K. ev. Ortsschulinspektorat:
Auch.
Mntev haltendes.
Jus Nacht film Licht
von Hugh Conway.
56) (Nachdruck verboten.)
Gar mancher Mann hat eine solche Nacht wie ich durchgemacht vor dem Augenblicke, wo er erfahren sollte, ob seine Liebe angenommen werde oder nicht; aber gewiß hat es noch keinen Liebenden gegeben, welcher diese entscheidende Antwort von einer Frau erhallen sollte, welche bereits seine Gattin war.
Es war schon spät, als ich von meinem einsamen Spaziergang zurückkehrte. Ich ging unter Paulinens Fenster vor- bei, und als ich stehen blieb und hinauf- schaute, fragte ich mich, ob auch sie wach sei und über unser künftiges Leben nachdenke und entscheide. Nun, der niorgige Tag sollte unsere beiderseitige Ungewißheit lösen!
Da die Nacht ruhig und warm war, standen ihre oberen Fensterflügel offen. Bevor ich weiterging, brach ich, von einer plötzlichen Laune ergriffen, eine Rose im Garten und versuchte es, dieselbe durch das Fenster werfen. Sie würde sie am Morgen finden und erraten, von wem dieselbe komme, und sie vielleicht bei sich tragen. Das würde dann ein gutes Zeichen sein. Die Jalousie zitterte, als dia Rosenknospe sie streifte, und in der Furcht, entdeckt zu werden, lief ich davon.
Der Morgen brach rein und schön an. Ich erhob mich mit Hoffnung im Herzen und lächelte über die Befürchtungen der Nacht. Sobald ich hoffen durfte, sie sprechen zu können, suchte ich sie auf; doch war sie eben ausgegangen. Ich erkundigte mich, welche Richtung sie e>n- geschlagen habe, und ging ihr nach.