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Ich fand sie mit gesenktem Haupte langsam einherschreitend.

Sie grüßte mich mit ihrer gewohnten Freundlichkeit, und wir gingen neben­einander hin. Ich suchte umsonst meine Rose und tröstete mich damit, daß die­selbe irgendwo hingefallen sein mußte, wo sie sie nicht finden konnte. Trotzdem machte mich das verwirrt.

Aber noch Schlimmeres stand mir bevor. Ihre unbehandschuhten Hände waren ineinandergefaltet. Ich ging an ihrer linken Seite und sah, daß die Hand, welche mir zunächst war, keine Ringe mehr trug. Der goldene Reiß welcher mir bisher wie ein Hoffnungsstrahl ge­leuchtet hatte, war verschwunden, und ich fühlte mich ganz elend. Es war nur zu klar, was das bedeuten sollte: zusammen­gehalten mit ihren Worten von gestern abend war es nicht mißzuverstehen. Ob­wohl sie wußte, daß sie meine Gattin sei, wollte sie das Joch abschütteln. Paultne liebte mich nicht, die Wahrheit, welche ich ihr langsam aus der nebligen Vergangen­heit aufdrängte, machte sie traurig, und jetzt, wo sie sich erinnerte, wollte sie ver­gessen. Die Ringe waren beseitigt wor­den, um mir womöglich ohne Worte zu zeigen, daß sie nicht meine Gattin sein wolle.

Wie konnte ich jetzt sprechen? Die Antwort war gegeben, bevor die Frage gestellt wurde. Sie sah mich auf ihre kleine weiße Hand blicken, aber sie senkte einfach die Augen und sagte nichts. Ohne Zweifel wollte sie mir den Schmerz einer Erklärung ersparen. Wenn ich mich dazu entschließen konnte, war es vielleicht das beste, sie sobald wie möglich zu verlassen, zu verlassen, um nie mehr zurückzukehren.

So kleinmütig ich wich auch nach die­ser Entdeckung fühlte, währte es doch nichk lange, daß ich in Paulinens Wesen eine große Veränderung bemerkte. Sie war nicht mehr dieselbe. Etwas war zwischen uns getreten, etwas, was un­seren alten freundlichen Verkehr störte und ihn in wenig mehr als konventionelle Höflichkeit verwandelte. Scheu und Zu­rückhaltung machten sich bei ihr in jedem Worte und in jeder Bewegung geltend und bei mir vielleicht ebenfalls. Wir ver­brachten den Tag wie gewöhnlich mit­einander, aber das Beisammensein muß für uns beide drückend gewesen sein, so sehr hatte sich unsere gegenseitige Stell­ung verschlimmert. Ich ging diese Nacht verzweifelt zu Bette. Der Preis, um den

ich gerungen, schien mir eben jetzt, wo ich ihn zu gewinnen gehofft hatte, zu ent­schwinden.

So vergingen mehrere Tage. Pauline gab mir kein Zeichen oder wenigstens keines, das ich mir günstig auSlegen konnte. Dieser Stand der Dinge war nicht länger zu ertragen. Priscilla, deren scharfe Äugen sahen, daß etwas quer ging, schalt mich auf unerträgliche Weise und sagte mir ihre Meinung so gerade heraus, daß ich sie im Verdacht zu haben begann, sie habe ihre Drohung, Paulinen alles zu sagen, auSgeführt, und war ge­neigt, meine Niederlage der Voreiligkeit zuzuschreiben, mit welcher die Alte alles verraten habe. Es wäre vielleicht alles gewonnen gewesen, wenn ich noch eine Woche oder vierzehn Tage Zeit gehabt hätte, das Herz meiner Gattin zu er­ringen. Ich begann zu glauben, daß sie anfange, sich unglücklich zu fühlen und daß meine Gegenwart ihr lästig sei. Nicht daß sie irgendwie die Absicht zeigte, mir auszuweichen, nein, sie folgte vielmehr jedem Wink von mir so willig, daß ich dadurch an ihren Gehorsam in jenen Ta­gen erinnert wurde, an die zurückzuden­ken mir jetzt höchst peinlich war. Aber ich fühlte, daß ihr meine Abwesenheit eine Erleichterung sein würde, und be­schloß daher abzureisen.

Da ich wußte, daß die Kraft, meinen Entschluß auszuführen, nicht lange Vor­halten würde, so wollte ich ihn schon am nächsten Tage verwirklichen. Ich machte mich daher reisefertig und bestellte meine» Platz im Postwagen. Ich hatte am Mor­gen noch drei Stunden Zeit, Priscilla meine letzten Instruktionen zu geben und von meiner Gattin für immer Abschied zu nehmen.

Doch konnte ich sie nicht verlassen, ohne ihr einiges zu erklären. Ich brauchte sie nicht damit zu quälen, indem ich auf unser gegenseitiges Verhältnis anspielte; aber ich mußte sie davon benachrichligen, daß sie nicht die reiche Erbin sei, wie sie glaubte. Ich mußte ihr beibringen, daß sie genug zum Leben habe, ohne zu ver­raten, daß ich, ihr Gatte, es bestreite. Wenn das noch geordnet war, dann lebe wohl für immer!

Sobald ich von meinem kaum berühr­ten Frühstück aufgestanden war, begab ich mich zu Pauline.

Noch wußte sie nichts von meinem Entschlüsse. Ich hielt ihre Hand länger als sonst in der meinigen und brachte

endlich mit verzweifelter Anstrengung die Worte hervor:

Ich bin gekommen, um Abschied zu nehmen. Ich gehe heute nach London."

Sie entgegnete kein Wort, aber ich fühlte, wie ihre Hand in der meinigen zitterte. Ihre Augen konnte ich nicht sehen.

Ja, ich bin jetzt lange genug müßig gegangen," fuhr ich fort, indem ich gleich­gültig zu sprechen versuchte.Ich habe in der Stadt viel zu tun."

Pauline sah heute morgen nicht allzu wohl aus und war blässer, als sie seit meiner Ankunft gewesen war. Sie schien angegriffen und niedergeschlagen. Ohne Zweifel hatte sie meine Gegenwart be­drückt. Armes Mädchen! Sie sollte bald davon befreit sein.

Da sie sah, daß ich schwieg, um sie reden zu lassen, fand sie ihre Sprache wieder, aber selbst diese schien an Frische und Klang verloren zu haben. (Frts. f.)

Gemeinnütziges.

(Erdbeeren.) Die Kultur der Erdbeere steht in England besonders in Blüte. Es gibt dort Erdbeer­güter, die 600 bis 700 Acker Landes groß sind und ganz bedeutende Erträge abwerfen. Einige Arten tragen ^Früchte von je ein viertel Pfund. Im zweiten und dritten Jahre haben die dortigen Erdbeerpslanzen ihre größte Tragfähig­keit. Die Erdbeeren werden in England auch häufig in Töpfen gezüchtet. In fashionablen" Gesellschaften erhält jeder Gast einen sauber umhüllten Topf und kann sich dann die Früchte selber pflücken.

Ktcrrrdesbuch-Ghrcorrik

der Stadt Wildbad vom 17. bis 23. Juni 1904.

Geburten:

18. Juni. Mundinger, Christian Jakob, Hilfs­briefträger hier, 1 Sohn.

21. Juni. Volz, Wilhelm Friedrich, Amtsdiener hier, 1 Sohn-

Aurgebote:

17. Juni. Günther, Johann, Taglöhner in Sprollenhaus und Haag, Wilhelmine Phillppine in Sprollenhaus.

Wetterbericht.

Ueber der West-Schweiz und dem Elsaß, ebenso über dem nördlichen Bayern zeigen sich wieder die Anfänge neuer ge­witteriger Lufteinsenkungen. Doch wird das trockene und größtenteils heitere Wetter bei tags über wärmerer, nachts etwas kühle­rer Temperatur voraussichtlich auch am Samstag u. Sonntag noch andauern.

ML.

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Hm 8vnntag, äen 2K. luni,

von nachm. 2 Uhr ab

im Wald oberhalb der Turnhalle (bei der großen Eiche.)

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mit Musik. Hiezu ist jedermann freundlichst eingeladen.

Der Turnrat.

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Brückenpflöcklmge- und Sand-Verkauf.

Nächste« Montag

abends 6 Uhr

wird bei der städt. Sägmühle hier eine Partie Brückenpflöcklmge, sodann ca. 10 om Sand im Blöcherweg (vom Stichweg bis zum Panoramaweg) gegen Barzahl­ung öffentlich versteigert,

Die StcröLpfCege.

Emmenkhalrr-,

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Limburger-,

., Uräuter-

empfiehlt billigst L). IrsLKsr König-Karlstraße.