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die Sittlichkeit. Mittwoch, 22. Juni, vormittags 9 Uhr und die folgenden 4 Tage Anklagesache gegen den verheirate, ten Bauern Jakob Friedrich Christian von Mössingen, wegen 10 Verbrechen der Brandstiftung. Nachtrag Vorbehalten.

Bietigheim, 9. Juni. Die seit Samstag vermißte 27jährige Ehefrau des Linoleumarbeiters K. wurde gestern nachmittag tot aus der Enz gezogen. Eheliche Streitigkeiten sollen die erst seit kurzem verheiratete Frau in den Tod getrieben haben.

Göppingen, 8. Juni. Die Obst­bäume in hiesiger Gegend erfüllen viel­fach die Hoffnungen nicht, die man beim Blühen auf sie setzte. Wohl haben viele, namentlich früh blühende Sorten schönen Fruchtansatz, aber manche Bäume, die reichlich blühten, stehen infolge des Massen- haften Auftretens des Bütenstechers leer. Die frühere Hauptsorte der Aepfel, die Üuiken, haben kein rechtes Leben, die fri­schen Triebe sind spärlich und der Frucht­ansatz ist ganz gering. Die Bienen-! Züchter waren im Mai auch voller Hoff­nung. In letzter Zeit gab es zwar viele Schwärme, aber infolge der großen Brut­räume ist der Honigvorrat ein geringer.

Heilbronn, 7. Juni. Die Beteilig­ung am 19. Verbandstag der Wirte Württembergs war außerordentlich stark. Gegen 400 Wirte waren aus allen Teilen des Landes gekommen, nm ihr Interesse für die Standesfragen zu bekunden. An erster Selle stand ein Bericht über die Flaschenbierfrage. Es wurde eine Er­klärung angenommen, in der die Erwart­ung ausgesprochen wird, daß der Flaschen­bierhandel in nicht zu ferner Zeit reichs- gesetzlich geregelt werde. Der Verband hält aber bis zur gesetzlichen Regelung eine Selbsthilfe nach wie vor für geboten und beauftragt seine Vereine, mit den Brauereibesitzern Verhandlungen anzu­bahnen. Eifrig erörtert wurde die Umgeldsfrage. Nach einem Bericht von Zürndorfer-Stuttgart, der die Forder­ungen der Denkschrift an die Stände vertrat, gaben die Landtagsabgeordneten Betz und Schäffler die Versicherung, den Wünschen der Wirte möglichst entgegen­zukommen. Folgende Erklärung wurde einstimmig angenommen:Die beim 19. Verbandstag der Wirte Württembergs in Heilbronn tagende Versammlung er­klärt: Wir erwarten zuversichtlich, daß 1) noch im Lauf der gegenwärtigen Tag­ung des Landtags endlich unsere in der Denkschrift vom Jahr 1901 und dem Nachtrag hiezu vom Sept. 1902 nieder­gelegten Beschwerden gründlichste und ausreichende Berücksichtigung finden; 2) bei der endgültigen Beratung und Be­schlußfassung über die Steuerreform die gänzliche Abschaffung des Umgelds in kürzester Frist in Aussicht genommen und daß dadurch diesem ungerechten und un­zeitgemäßen Rechtszustand zwischen den Bürgern eines Staates endlich einmal ein Ende gemacht werde. Nach einem Bericht über die Verbandssierbekasse und der Gutheißung einer Statutenänderung wird betr. Ruhezeitverordnung der Ein­gabe des Bundes deutscher Gastwirte bei­getreten, in der die 24stündige Ruhepause für einen Zeitraum von 14 Tagen bezw. 3 Wochen an Stelle einer 18stündigen alle 8 Tage gefordert wird. Man nahm folgende Erklärung an:Der heute in Heilbronn tagende Verbemdstag der Wirte Württembergs erwartet mit Bestimmtheit,

daß die berechtigten Wünsche der Gast­wirte bezügl. der Ruhezeit der Angestell­ten, die in der Eingabe des Bundes deutscher Gastwirte zum Ausdruck gebracht sind, beim hohen Reichsamt des Innern Berücksichtigung finden, nicht zum Nachteil der Angestellten, sondern um eine bessere Einteilung der zu gewährenden Ruhezei­ten im Interesse sowohl der Arbeitgeber als auch der Angestellten herbeizuführen." Endlich erfolgte noch eine Besprechung über die Besenwirtschaften, durch die sich die Wirte namentlich in weinbautreiben­den Orten schwer geschädigt fühlen. Schick-Heilbronn weist nach, daß 150 Heilbronner Besenwirte 3600 Ist Wein verschänken, obwohl ihnen die höchsten Preise für ihre Produkte im Herbst ge­boten werden. Die Angelegenheit wird durch einen Vertreter des Landesaus­schusses auf dem Bundestag zu Dresden weiter verfolgt werden. Als Ort zur Abhaltung des nächsten Verbandstags wurde Tübingen gewählt.

! Wimpfen, 7. Juni. Gestern Abend führte ein Knecht des Badhotels zum Ritter ein Pferd in den Neckar zur Schwemme. Er geriet lt. Heilbronner Zeitung in eine tiefe Stelle und ertrank mit samt dem Pferde. Der Leichnam des Knechtes konnte noch nicht geländet werde».

Tuttlingen, 11. Juni. Der frühere Direktor der Handelsschule in Calw, Spöhrer, zur Zeit in Pforzheim, hat zum Zwecke der Gründung einer Handelsschule für Töchter am hiesigen Platze von Bau­unternehmer Banhardt ein Gebäude an- gekanst. Dasselbe, ein stattlicher, villen­ähnlicher Neubau in unmittelbarer Nähe der Bahnhosstraße und des schönen Schneckenburger-Denkmalplatzes, wird so­fort zweckdienlich eingerichtet. Die Zim­mer, gegen 30 an Zahl, werden in Bu­reauräume bew. Bureauzimmer umgewan­delt. Das Institut wird im Laufe des Sommers ins Leben treten. Der Han­delsschule für Töchter soll in hiesiger Stadt noch eine solche für Jünglinge zur Heranbildung für den kaufmännischen Beruf folgen.

Blaubeuren, 10. Juni. Der Landesproduktenhändler B. hier wurde kürzlich von dem hies. Amtsgericht wegen Ungebühr mit 3 Mk. bestraft. Die Un­gebühr wurde darin erblickt, daß der Mann ohne Cravatte als Zeuge in einer Zivilrechtssache auf das Amtsgericht ge­kommen war. B., der seinungebühr­liches" Versehen damit entschuldigte, daß er bis kurz vor seinem Erscheinen beim Kgl, Amtsgericht geschäftlich auf dem Bahnhofe war und in der Eile des Um­kleidens die Cravatte entweder vergessen oder verloren habe, erhob gegen die Strafverfügung sofort Beschwerde beim K. Oberlandesgericht. Dieses hob die Strafverfügung wieder auf.

Ludwigshafen, 11. Juni. Eine unmenschliche Tat beging gestern der Fabrikarbeiter Jos. Eckel. Um 10 Uhr stürzte plötzlich die Frau desselben aus dem Fenster ihrer im dritten Stock be- legenen Wohnung und blieb bewußtlos auf dem Pflaster der Dammstraße liegen. Der Arzt konstatierte einen Schädelbruch. Die öfteren häuslichen Zwistigkeiten in der Familie ließen den dringenden Ver­dacht aufkommen, Laß der Sturz kein freiwilliger war. Tatsächlich hat auch die unglückliche Frau bei ihrer Vernehm­ung bereits ausgesagt, daß ihr Mann,

als sie aus dem Fenster schaute, sie ganz unvermutet von hinten faßte und sie aus dem Fenster stürzte. Eckel wurde sofort in Haft genommen. Die Frau schwebt in höchster Lebensgefahr.

Villingen, 7. Juni. ImWald­hotel" das 33 Angestellte beschäftigt, hält sich zur Zeit nur ein einziger Kurgast auf.

Aus dem badischen Oberlande. Bei einem Sängerfest in Brombach trat ein Quartett aus Männern auf, die den Gesangverein Brombach in den 60er Jahren gründeten. Es waren 4 Greise, die in den 80er und 90er Jahren stehen.

Göttingen, 10. Juni. Der Stein­hauer Apel, der anfangs Mai eine in Lauterberg a. Harz zur Kur weilende Dame vergewaltigt hat, wurde vom Schwurgericht zu lOff- Jahren Zuchthaus verurteilt.

Chemnitz, 11. Juni. Aus Dres­den meldet dieChemn. Allg. Ztg.": Auch heute gibt das Befinden des Königs Georg zn ernsten Besorgnissen Anlaß. Das Kgl. Hofmarschallamt meldete heute vormittag: Am gestrigen Tage war das Befinden des Königs befriedigend, in der Nacht jedoch traten wiederum lang andauernde Anfälle von Atemnot u:id Beklemmungen ein. Am Morgen fühlte sich der König sehr angegriffen. In Hof­kreisen ist man in großer Besorgnis um das Leben der Königs.

Auf dem Gute Hagenhof bei Kö­nigslutter wurde der Fuhrknecht Dow e un­ter dem Verdachte verhaftet, die elfjährige Tochter der Arbeiterwitwe Bebcnroth er­mordet zu haben. Die Ermittlung des Mörders ist mit Hilfe eines Polizeihun­des erfolgt. Der Hund wurde zunächst in den Raum geführt, wo die Bluttat verübt war und dann zu dem versammel­ten Gutspersonal gebracht. Das Tier stürzte sich sofort auf Dowe und biß sich in seiner Kleidung fest. Um noch eine Probe zu machen, mußte sich Dowe um­ziehen. Auch diesmal fand der Hund ihn heraus. Dowe leugnete anfangs, später hat er gestanden.

Worms, 11. Juni. DieWormser Ztg." meldet aus Oppenheim a. Rh.: Gestern abend Vertrieben in der Gemeinde Selzen die Einwohner dort 3 Wagen Zigeuner, zu Venen sich später noch vier andere gesellten, nach dem benachbarten Orte Undenheim zu. Die Undenheimer wollten die Zigeuner aber nicht in den Ort hereinlaffen. Es kam zu einem Kampfe, bei dem die Zigeuner auf die Einwohner schossen, l Mann erhielt 4 Schüsse in den Kopf und war sofort tot, 4 weitere erhielten schwere Verletzungen.

Berlin, 10. Juni. Eine Gruppe von etwa zwanzig russischen Offizieren, verwundeten Kriegsteilnehmern, wird, Lemberger Blättern zufolge, demnächst hier eintreffen, um von hier aus teils die rheinischen, teils die französischen Bäder zu besuchen. Es sind dies meist Marineoffiziere, die in den ersten Käm­pfen verwundet wurden und die letzten Wochen in Lazaretten zubrachten. Sie sind wohl leiblich von ihren Verletzungen geheilt, aber dauernd dienstunfähig. In der Schar befindet sich auch ein Neffe des untcrgegangenen Generals Makarow. Eine zweite Schar von Kriegsteilnehmern soll im August hier eintreffen.

Essen, 7. Juni. Die Unterschlag­ungen bei der Borbecker Spar- und Kreditbank betragen nach genauer Revi- sion nahezu 900000 Mark. Der frühere