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Werkmeister, dem es an entsprechenden Lokalitäten fehlt, in der Luge ist, gegen eine mäßige Vergütung seine Erzeugnisse dem Publikum in geeigneter Weise vorzuführen.
Oberndorf a. N., 6. Juni. Gestern abend verlor ein Radfahrer, der im Renntempo die Straße nach dem Tal abwärts fuhr, die Herrschaft über sein Fahrzeug und fuhr aus das Haus des Kaufmanns G. Lieb. Durch den heftigen Anprall wurde der Radler, mit dem Kopf voran, gegen die Jalousien geschleudert, daß das Fenster dahinter in Trümmer ging, der Mann selbst aber einige Zeit bewußtlos liegen bl'eb. Ein sofort herbeigerufener Arzt konnte erklären, daß der Unvorsichtige glücklicherweise keine ernstliche» Verletzungen davongetragen hat. ^
— Das leidige Spielen mit -Schießgewehren hat in Jngel fingen ein blühendes Menschenleben gekostet. Frei- tag nacht befand sich Landjäger Blanz von Niedernhall in der Wirtschaft deS Glockenwirts „Glock" in Jngelfingen dessen Schwester am Samstag ihre Hochzeit feiern wollte, weshalb die Gesellschaft in heiterster Stimmung versammelt war. Beim Verlassen der Wirtschaft gab einer der Anwesenden militärische Kommandos, unter anderem auch: „Legt an, gebt Feuer!" Landjäger Blanz befolgte diesen Befehl und zu Tode getroffen sank die 30 Jahre alte Ehefrau des Wirtes im Hausöhrn nieder. Der unglückliche Schütze, der in der Meinung befangen gewesen war, sein Dienstgewehr sei nicht geladen, stellte sich sofort dem Gericht und wurde in Haft genommen.
— Rechtsanwalt Bassermann, der neue Reichslagsabgeordnete für Frankfurt a. O., hat in Mannheim, seinem Wohnorte, eine Rede gehalten, der wir nachstehende Auslassungen entnehmen: Wir haben die sozialdemokratische Bewegung hier in allen Fasern erlebt. Wenn man objektiv urteilt, so wird man begreifen können, daß diese Bewegung in ihren Anfängen auch im bürgerlichen Lager manche Sympathien finden konnte. War es doch eine mächtige große Bewegung der Industriearbeiter, waren es doch neue Propheten, die auftraten, die eine neue Weltanschauung, ein neues Evangelium predigten. Solche Prediger, die das Bestehende schlecht finden, die dem Volke eine neue Zukunft an die Wand malen, die von allgemeiner Glückseligkeit reden, weshalb sollten diese nicht Gläubige finden? Und so sahen wir die Bewegung wachsen, nicht nur aus sich, weil es eine Klassenbewegung war, sondern vor allem auch deswegen, weil die Sozialdemokratie die Unterkunftsstelle war für all die Tausende und Abertausende von Unzu. friedenen, die im Staate nicht das finden, was sie für sich zu verlangen berechtigt zu sein glauben. Dann kam jene Zeit, wo langsam Blatt um Blatt, Zweig um Zweig, Ast um Ast vom sozialdemokratischen Baum fiel, wo das sozialdemokratische Programm aus den Reihen der Genossen selbst zerfetzt wurde, bis es nicht mehr vorhanden war. Und wir sehen weiter, wie in dem großen Kreis der deutschen Bürgerschaft der Unwille größer wurde über den sozialdemokratischen Terrorismus gegenüber den Arbeitgebern und den unorganisierten Genossen. Und so müssen wir heute mit der Tatsache rechnen, daß in den Kreisen unseres Vol
kes eine tiefgehende Verstimmung über die sozialdemokratische Bewegung vorhanden ist, und das ist eben die Ursache, daß wir heute die ersten großen Anfänge haben zu einer Einigung des Bürgertums im Kampfe gegen die Sozialdemokratie.
— D>e „Hamburger Nachrrchten" (das frühere Leibblatt des Fürsten Bismarck) erzählen: Der kleine Hof von Mecklenburg-Strelitz war von jeher der Sitz scharfer antipreußischer und antideutscher Bestrebungen; auch im Sommer 1870 hatten einige vornehme „Weifenlegionäre" dort Zuflucht gefunden und versuchten von Strelitz aus für ihre hochverräterischen Absichten zu wirken. Um der Notwendigkeit zu entgehen, sie schließlich nach Kriegsrecht abzuurteilen, verfügte Graf Bismarck ihre Verhaftung, die auch durch eine Abteilung des Pase- walker Kürasfierregiments ausgeführt wurde. Natürlich erfolgte seitens der großherzoglichen Regierung eine Beschwer- de beim Bundesrat, ans die jedoch die scharfe Antwort des Bundeskanzlers Grasen Bismarck umgehend erfolgte: „Wenn sich derartiges wiederholen sollte, steht in Strelitz niemand hoch genug, um vor dem Schicksal der Welfenlegionäre sicher zu sein!"
Gmunden, 7. Juni. Die kirchliche Trauung der Prinzessin Alexandra von Cumberland (Braunschweig-Lüneburg) mit dem Großherzog von Mecklenburg-Schwerin findet heute in der evangelischen Kirche zu Gmunden durch Pfarrer Friedrich Koch statt, der die Braut getauft und konsir- miert hat. Die Ziviltrauung nimmt der mecklenburgische Ministerpräsident Graf von Bassewitz-Levetzow vor. Brautjungfern sind die Schwester des Bräutigams, Prinzessin Cäeilie, die Schwester der Braut, Prinzessin Olga, und die kleine Prinzessin Marie Alexandra von Baden, die Tochter des Prinzen Max, Trauzeugen Prinz Ernst August von Cumberland und König Christian von Dänemark.
Basel, 7. Juni. Eine seltene Krank- heit tritt hier an der unteren Töchterschule auf. Die Kinder werden von einem nervösen Zittern befallen, das bis zu starken Lähmungserscheinungen führt. Es gibt Klassen, in denen mehrere Schülerinnen von dem Nebel, das ansteckend wirkt, befallen sind. Die erkrankten Kinder sind lt. Sch. M. durch amtliche Verfügung vom Schulbesuch ausgeschlossen.
Paris, 8. Juni. Aus Petersburg wird gemeldet: General Kaschtalinski berichtet in einem Telegramm vom 6. ds., daß General Stössel einen Angriff der Japaner in der Nacht zum 6. d. M. zurückgewiesen habe. Die Geschütze der Festungswerke antworteten auf das feindliche Feuer. Mehrere russische Granaten trafen zwei japanische Kreuzer, welche sich zurückziehen mußten.
Tschisu, 7. Juni. (Reuter.) Man glaubt hier, daß eine Seeschlacht gestern abend im Golf von Petschili stattgefunden hat. Dampfer berichten, daß sie heftiges Feuer hörte». Aehnliche Berichte kommen auch aus anderen Quellen. Die Bewohner an dem Hügel um Tschifu hörten eine Kanonade und sahen von der See her heftiges Aufflammen. In Talienwa« erhält sich das unbestätigte Gerücht, daß das japanische Schlachtschiff „Uaschima" auf eine Mine aufgelaufen und gesunken sei.
Petersburg, 9. Juni. Der hiesige Korrespondent der „Köln. Ztg." meldet:
Port Arthur ist mit Lebensmitteln und Kriegsvorräten für wenigstens 1 Jahr reichlich versorgt. Die Mehlvorräte dürften sogar für l^r Jahr reichen. Die Forts mit ihren Batterien auf der Land- feite blicken von den Port Arthur umgebenden Höhen herab, welche einen Erfolg mit einem gewöhnlichen Sturme sehr fraglich erscheinen lassen. Alle Garnisonen der Liaotung-Hatbinsel sind gegenwärtigs in Port Arthur konzentriert und repräen- tieren ein Korps von wenigstens 50 000 Mann, welche eine Linie von nur 19 Kilometern zu verteidigen haben. Auf den Kilometer kommen somit über 2600 Mann, während gewöhnlich 1500 Mann auf den Kilometer verwendet werden.
Petersburg, 6. Juni. Die Gräfin Schuwaloff hat beschlossen, auf eigene Kosten ein Spital mit 100 Betten nach Ostasien zu senden.
Petersburg, 9. Juni. Telegr.- Agentur meldet aus Liaoyang vom 8. ds.: Chinesen berichten: Am 6. Juni fanden mehrere energische Angriffe auf Port Althurzu Wasser und zu Lande statt. Die Angriffe wurden mit großen Verlusten zurückgeschlagen unter Vernichtung der 3. japanischen Armee. Die Stellung der Japaner bei Kwantung ist sehr schwierig. Dieselbe Quelle meldet das Gerücht, von einer Vereinigung der beiden russischen Geschwader vor Port Arthur, ebenso, daß in einer dort stattgefundenen Seeschlacht 4 japanische Schiffe vernichtet wurden.
WntevHattenöes.
Äus Uacht zum Licht.
von Hugh Conway.
50) (Nachdruck verboten.)
Er lächelte matt. „Sie können mir ein wenig Geld geben. Vielleicht kann ich es behalten und mir ein paar Leckerbissen, wie sie den Gefangenen zu Gebote stehen stehen, damit erkaufen."
Ich gab ihm einige Banknoten, welche er an seiner Person verbarg.
„Wollen Sie mehr haben?" fragte ich. Er schüttelte das Haupt.
„Ich glaube, es wird mir ohnedies gestohlen werden, ehe ich es ausgeben kann."
„Gibt es denn kein Mittel, irgend jemand Geld zu Ihrem Gebrauche zu übergeben?"
„Vielleicht dem Kapitän. Wenn er gutherzig und ehrlich ist, kann ich vielleicht einen Teil desselben bekommen, aber selbst das ist zweifelhaft."
Ich versprach, es zu tun und wußte, daß, mochte er es nun bekommen oder nicht, schon der Versuch mir das Herz erleichtern werde.
„WaS steht Ihnen bevor? Wohin bringt man Sie und welches wird Ihr Leben sein?"
„Man bringt uns direkt ans Ende Sibiriens, nach Nertschinsk. Dort werde ich mit andern zu Minenarbeit verwendet. Wir machen den ganzen Weg zu Fuß und in Ketten."
„Welch schreckliches Schicksal!"
Ceneri lächelte.
„Nach dem, was ich durchgemacht habe, ist das ein Paradies, welches sich vor mir öffnet. Wenn sich jemand gegen das ruffische Gesetz vergeht, ist seine einzige Hoffnung, sogleich nach Sibirien geschickt