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an der Linie Heilbronn-Crailsheim, der ziemlich umfangreiche Rutschungen auf- weist und längere Zeit zu seiner Instandsetzung erfordert. Recht traurig lauten die Nachrichten von den umliegenden Ortschaften, so aus Gruppenbach, Sontheim, Flein, Weinsberg und Neckarsulm, Menschen sind bei der Katastrophe, lt. Frkf. Ztg., nicht ernsthaft zu Schaden gekommen.
Göppingen, 22. Mai. Nach ortsüblicher Sitte schossen gestern in Holzheim die ledigen Burschen einem jungen Ehepaar den Einzug an. Ein 22jähriger Schmiedgeselle lud sein Gewehr hohl, der Lauf platzte und riß dem Schützen die linke Hand mit solcher Gewalt vom Arme, daß sie 20 Meter vom Standort aufgefunden üurde. Der Verunglückte wurde ins hies. Krankenhaus verbracht.
Ulm, 28. Mai. Von der Ulmer- Münster-Lotterie wurden am heutigen Tage 3000 Gewinne ausgelost. Darunter befinden sich folgende Treffer zu je 1000 Mk.: 101,981. 161,159. 49,434 8597. 217,006. 183,809. Je 500 Mk gewinnen die Nummern: 153,955. 81,076 90,855. 241,319. 299,581. 200,849
203,301. 201,526. 68,785. 113,807
256,201. 292,815. 260,057. und 190,195 (Ohne Gewähr.)
Ulm, 30. Mai. Bei der Ziehung der Ulmer Münsterbaulose gewannen 75000 Mk. Nr. 105498; 40 000 Mk. Nr. 95044; 25000 Mk. 203 088; 10000 Mk. 53388; 5000 Mk. 295312; 2500 Mk. 245 228. (Ohne Gewähr.)
Reutlingen, 28. Mai. Das etwa 5 Jahre alte Kind einer hiesigen Fami- lie trank das Wasser aus einem Glas, iu dem Maiblumen ansbewahrt waren. Nach kurzer Zeit fiel es in einen Zustand der Bewußtlosigkeit und verstarb in der darauffolgenden Nacht. Ter Vorfall zeigt wieder, wie sehr man auf Kinder achten muß, wenn Blumen im Zimmer sind.
Nusplingen, 25. Mai. Der Waldhüter Decker ging am Pfingstsamstag morgen mit etwa 30 Personen, Knaben und Mädchen, von 14 Jahren an, in den etwa dreiviertel Stunden entfernten Waldteil „Kirchbichl", um zu pflanzen. Nachmittags um halb 5 Uhr nahte lt. „Heuberger Bote" ein Gewitter und die ganze Schar suchte unter einem Tannengebüsch Schutz vor dem strömenden Regen. Nur 6 Personen, darunter Decker selbst, stunden etwas seitwärts. Da zuckte ein Blitzstrahl in die ganze Schar, so daß sich alle wie ein Knäuel auf dem Boden wälzten unter furchtbarem Jammergeschrei. Nur wenige konnten sich gleich wieder aufrichten und die Zahl der Hilfeleistenden war daher sehr klein. Viele lagen wie leblos da und konnten erst nach langem Reiben wieder zum Leben gebracht werden. Etwa die Hälfte hatte Verwundungen. Am Kopf wurden Hüte und Kappen zerrissen und auch von den anderen Kleidungsstücken Fetzen weggerissen. Als nach längerer Zeit Hilfe vom Ort kam, hatten sich die meisten wieder erholt und konnten mit Hilfe anderer wieder laufeu. Nur zwei Knaben und ein Mädchen mußten heimgetragen ,'werden, befinden sich aber den Umständen nach wohl und man hofft, daß keine nachteiligen Folgen mehr Zurückbleiben.
Pforzheim, 29. Mai. Heute feierte! das Johann Georg Kiehnlesche Ehepaar das Fest der goldenen Hochzeit.
In Meßkirch und in der Umgeb. ung herrschte am 27. v. M. abends ein furchtbares Unwetter mit Wolkenbruch, das vor allem d>e Gegend zwischen Buchheim und Leibertingen heimsuchte. Seit Menschengedenken war kein solches Hoch- waffer mehr hier. Um 11 Uhr nachts wurde die Feuerwehr telephonisch zu Hilfe gerufen, sie kam aber schon zu spät. Inzwischen wälzten sich die Wafsermassen gegen die Stadt, Balken, Bretter, Brennholz, ganze Schweineställe usw. mit sich führend. Meterhoch stauten sich die Trümmer in allen Straßen. Die Straßen selbst wurden zum Teil metertief aufgerissen. In vielen Ställen stand das Vieh bis zum Hals im Wasser; eine Anzahl Vieh, Schweine rc. ertranken. In Leibertingen hagelte es, die Hagelkörner lagen fußhoch. Die ganze Ernte ist vernichtet. Die Straße Kreinheimstetten- Hausen ist fast vollständig zerstört, der Verkehr dürfte auf Monate hinaus unterbrochen sein. In Heudors lief das Wasser teilweise bis zum 2. Stock der Häuser hinein. Der Schaden ist unberechenbar.
Neustrelitz, 30. Mai. Großherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg. Strelitz, der 84 Jahre alte, seit langen Jahren erblindete Senior der deutschen Bundesfürsten ist heute nacht 1-U/s Uhr in Strelitz verschieden. Infolge seines Leidens stand er dem öffentlichen Leben völlig fern. Sein Sohn und Erbe Adolf Friedrich ist beinahe 56 Jahre alt und besitzt 2 Söhne und 2 Töchter.
Trier, 28. Mai. Ein aussehenerregender Prozeß, wegen gewohnheitsmäßiger Soldatenschinderei spielte sich heute vor dem hiesigen Kriegsgericht der 16. Division ab. Der Unteroffizier Eckert vom 20. Infanterieregiment, den die Anklage den Typus eines Soldatenschinders nennt, war der Mißhandlung von Untergebenen in mehr als 500 Fällen angeklagt. Zu der Verhandlung waren 160 Zeugen geladen, unter welchen sich auch als Opfer der Schinderei zwei fahnenflüchtige und wieder eingefangene Deserteure befinden. Die Verhandlung entrollte ein abschreckendes Bild ausgesuchter Roheit. So ließ der Angeklagte die Rekruten sich flach auf den Boden legen und schritt dann über ihre Rücken hinweg. Beim Reinigen des Exerzierhauses traten einige Mann zu spät an; sie mutzten sich in den zusawmengekehrten Staub legen und wurden so lange hin und her gewälzt, bis der Kehricht wie- der zerstreut war. Ohrfeigen, Treten, Laufschritt und Kniebeugemachen bis zur völligen Ermattung waren an der Tagesordnung. Ein Soldat mußte auf einem Schemel in der Kniebeuge einen andern Schemel strecken. Als der Mann in völliger Erschöpfung nicht mehr konnte, gab ihm der Angeklagte einen Stoß, daß er rücklings zu Boden fiel und sich den Kopf schwer verletzte. Das Urteil lau- tete auf 1 Jahr 9 Monate Gefängnis und Degradation.
Genf, 27. Mai. Ueber einen grausigen Selbstmord mittels Nitroglyzerin wird dem „Neuen Wiener Abendblatt" gemeldet: Der Apotheker Julliod in Ferney beging in einem Anfalle von Schwermut auf besonders entsetzliche Weise Selbstmord. Er goß Nitroglyzerin in einen Mörser, nahm diesen zwischen die Beine und begann mit dem Stößel heftig zu stampfen. Der anwesende Apothekerpraktikant lief entsetzt davon. Gleich
darauf ertönte ein furchtbarer Knall: das Ladengewölbe war eingestürzt und von dem unglücklichen Apotheker fand man nur etliche Streifen Haut und einen Teil der Schädeldecke.
Petersburg, 27. Mai. Kintschau, welches von 8000 Russen verteidigt wurde, wurde von 50000 Japanern angegriffen. Die Räumung erfolgte erst, nachdem sämtliche Befestigungen durch die japanischen Geschosse zerstört waren. Die Japaner verloren nach bisher unbestätigten Meldungen 25 000 Mann, während sich die russischen Verluste nur auf 3000 Mann beliefen.
Petersburg. 30- Mai. Der Ruff. Telegr.Agentur wird aus Mukden von heute gemeldet: Infolge der Unmöglichkeit, die Stellungen im Süden von Kint- schou ohne Unterstützung durch die Flotte zu behaupten, hat die dortige Stellung nur demonstrative Bedeutung. Sie war mit Geschützen, die im Jahre 1901 den Chinesen abgenommen waren, bewaffnet und nur mit geringen Schießvorräten versehen. Die Besetzung dieser Stellen durch die Japaner, die unter großen Verlusten der letzteren erfolgte, ändert die Lage nicht.
London. 28. Mai. Nach weiteren Meldungen aus Kintschau wurden die Russen bis südlich an den engsten Isthmus der Halbinsel Liautung, wenige Meilen von Port Arthur, getrieben und sind jetzt völlig eingeschlossen. Admiral Togo hat eine vollständige Blokade um das südliche Ende der Halbinsel Liautung hergestellt. Seine Schiffe umzingeln Port Arthur. Man glaubt nicht, daß die Russen nördlich von Port Arthur noch ernstlich Widerstand leisten können.
London, 30. Mai. AusTschifuwird gemeldet, daß Admiral Togo Port Arthur bombardiert und die Festungswerke schwer beschädigt habe. Ein japanischer See- angrisf wurde unter Verlust eines Kreuzers zurückgeschlagen.
Tokio, 28. Mai. Ueber den Angriff auf Kintschou wird amtlich folgendes gemeldet: Der Angriff gegen die feindliche Stellung bei Nanschau begann früh 2 Uhr 52kMinuten. Die Verteidigungswerke des Feindes waren fast sämtlich ständiger Art. Die feindliche Artillerie bestand aus 50 Geschützen verschiedenen Kalibers und aus zwei Kompagnien Schnellfeuer-Feldartil- lerie. Die Infanterie errichtete zwei bis drei Linien gedeckter Laufgräben mit Schießscharten, stellte an den wichtigsten Punkten Maschinengewehre auf und leistete hartnäckigen Widerstand. Wir richteten unsere Feldgeschütze mit der Richtung auf die Forts auf und brachten die Hauptartillerie des Feindes um 11 Uhr vor- mittag zum Schweigen; während sich die Schnellfeuergeschütze weiter nach Ranzen- anling znrückzogen und bis in di» Nacht feuerten, konzentrierte unsere Artillerie ihr Feuer aus die feindlichen Gräben. Unsere Infanterie ging bis zu 400 bis 500 Meter an den Feind vor. Vor uns lagen aber Drahthindernisse, Minen und Gräben und das Feuer d:r feindlichen Infanterie dauerte ungeschwächt fort. Wrr gingen aber noch weitere 200 Meter an den Feind heran und noch mehrere Sturmangriffe erwiesen sich als erfolglos, da alle unsere Offiziere und Mannschaften 20 bis 30 Meter vor dem Feinde fielen. Daraufhin setzte mit vorbereitendem Feuer unsere Artillerie ein und abends erfolgte unter schwerstem Geschützseuer der letzte