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machen, sind in den letzten Tagen von schönem Erfolg gekrönt worden. Die Firma Gebr. Alb, Fabrik für Eisenkonstruktionen in Cannstatt, hat in den Talwiesen, rechts von der Bahnlinie, einen Bauplatz von 120 ur erworben, um ihren ganzen Be­trieb bis 1. Okt. hierher zu verlegen und ihn bedeutend zu vergrößern. Zugleich hat sich das Geschäft ein gleich großes Areal zur Erwerbung für die nächsten Jahre gesichert.

Die ordentlichen Sitzungen des Schwurgerichts in Tübingen werden am 20. Juni eröffnet; als Vorsitzender wurde ernannt Landgerichtsrat Dr. Kapff.

Ebingen, 26. Mai. In dem bekann­ten Hochwassergebiet vom Jahr 1895, wo dem Hochwasser 47 Personen znm Opser fielen, entstand heute nacht infolge eines niedergegangenen Wolkenbruchs ein noch größeres Hochwasser, als im Jahr 1895. Nur dem Umstand, daß inzwischen die Kanalisation durchgeführt wurde, ist es zuzuschreiben, daß das Unglück nicht größeren Umfang nahm. In Thailfingen verlautet gerüchtweise, daß eine Frau ver­mißt werde.

Frei bürg, i. Br., 26. Mai. Der Pfarrer Dr. Rieger aus Pforzheim schoß mit einem Revolver auf den Freiburger Erzbischof Dr. Nörber, traf aber nicht. Rieger leidet au Lerfolgungswahnsinn. Weiter wird noch berichtet: Das Attentat erfolgte in der gestrigen Mittags- Ordinariatssitzung. Der Priester Dr. Emil Rieger, Studierender der Philolo­gie, erschien in höchster Erregung im Sitzungssaale mit der Erklärung:Ich will wissen, was über mich beschlossen ist. Ich komme als Feind," und gab einen scharfen Revolverschuß gegen den Erz­bischof ab. Herbeigerufene Schutzleute nahmen ihm öen scharf geladenen Revol­ver ab und brachten ihn in Gewahrsam. Die Kugel hat weder den Erzbischof noch eines der anwesenden Kollegialmitglieder getroffen. Dr. Rieger hatte vor Jahren seinen Posten anläßlich einer kirchlichen Disziplinaruntersuchung eigenmächtig ver­lassen und seine Wiederverwendung im Kirchendienst unmöglich gemacht. Da­gegen war ihm durch den Erzbischof die Möglichkeit gewährt worden, die Philo­logiestudien zu absolvieren. Er scheint an periodischen Anfällen von Verfolgungs­wahn zu leiden, die sich auch in verschie­denen grundlosen Schmähbriefen zu er­kennen gaben. Anlaß zu dem Attentat war die Verweigerung der Berechtigung zur Erteilung des Religionsunterrichts an Mittelschulen wegen der Vorkommnisse in seiner Vergangenheit.

Berlin, 26. Mai. Der deutsche Kronprinz interessierte sich, wie bereits bekannt ist, sehr für die Berliner Ring­kämpfe. Er soll ganz Feuer und Flamme dafür sein und im Kasino der Garde du Corps zu Potsdam spielt man zur Zeit Ringkampf mit Vorliebe und Se. kaiserl. Hohheit markiert abwechselnd Eberle und Koch. Im Hohenzollernhaus ist der Geschmack für Athletik bisher noch nicht zutage getreten. Vielleicht ist der im Kronprinzen erwachte Sportsinn auf seine englischen Vorfahren zurückzuführen, von denen Georg IV., mit dem Titel der erste Gentleman von Europa, dem Ring­kamps eifrig ergeben und ein Förderer dieser berühmten nationalen Kraftübung gewesen ist, wie sein Onkel Cumberland. Als jedoch einst bei einem Ringkampf in Brighton in seiner Gegenwart einer der

Kämpfer getötet wurde, setzte er der Witwe des Getöteten eine Pension aus und gelobte, daß er nie wieder einem Ringkampf zusehen wolle. Sollte, so meinen dieMünch. N. Nachr.", der mysteriöse Tod des jungen Schweriner Prinzen ui Kiel mit ähnlicher Gymnastik etwas zu tun gehabt haben?

Berlin, 24. Mai. Ueber ein bluti­ges Vorkommnis, das auf der Stadtbahn seinen Anfang nahm und am Bahnhof Alexanderplatz seinen traurigen Abschluß fand, berichten die Blätter folgende Ein­zelheiten: Am Schlesischen Bahnhof be­stiegen gestern zwei Damen und ein Herr ein Coupö 3. Klasse, das sehr gut besetzt war. Unrer andern waren drei Maurer da, die rohe Reden führten und eine Dame beleidigten. Eine Zeitlang flogen Spottreden hin und her, bis einer der Maurer eine Dame tätlich belästigte, was der begleitende Herr sich nachdrücklich verbat. Das bekam ihm aber sehr übel. Denn die rohen Burschen wurden nun gegen ihn tätlich. Einer versetzte ihm mit einem Stock einen Hieb über den Kopf. Die Schlägerei setzte sich m dem fahrenden Zug fort, die Fensterscheiben des Wagens gingen in Trümmer. Als der Zug in den Bahnhof Alexanderplatz einlief, stieg der Herr mit blutüberström­tem Gesichte aus und wandte sich an den diensttuenden Eisenbahnasfistenten mit der Bitte um Hilfe. Der Beamte forderte darauf die Maurer auf, den Wagen zu verlassen, was diese mit Hohn­gelächter ablehnten. Nun bestieg ein Schaffner das Coups, um die Burschen zum Verlassen des Wagens zu veran­lassen. Es entspann sich von neuem eine Rauferei, wobei die drei Burschen dem Schaffner das Gesicht arg zerschlugen und ihm ein Ohrläppchen abrissen. Jetzt langte auch der Assistent zu, um dem bedrängten Schaffner beiznspringen, wurde aber von einem der Burschen an der Gurgel gepackt und gegen eine Eisenbahn- barrisre gedrängt, wobei er fortwährend, vermutlich mit einem Schlagring, gegen die Brust gestoßen wurde. Nun erst erschien ein Schutzmann, der die Raufen­den trennte und die Personalien der Maurer feststellte, diese selbst aber un­begreiflicherweise laufen ließ. Der Ei- senbahnassistenr erlag eine halbe Stunde später den erlittenen Verletzungen. Der 49jährige Mann hiuterläßt eine Witwe und mehrere Kinder.

In Deutsch-Südwestafrika werden die Herero jetzt immer mehr am Water- berg zusammengetrieben. Dort wird aller Voraussicht nach das nächste größere Ge­fecht stattfinden. Major von Estorff steht mit seinen 700 Mann südöstlich vom Waterberg, und vom Süden rückt in diesen Tagen die rund 1000 Mann zäh­lende Hauptmacht gegen diesen Höhenzug vor. Allerdings steht den Herero der Weg weiter nach Norden offen, aber sie würden hier in Gegenden kommen, die ihrem zahlreichen Vieh nicht die erforderlichen Lebensbedingungen bieten, und von seinen Herden trennt sich der Herero nicht. Auch muß er mit der Feindseligkeit der Stämme in diesen Gebieten rechnen. So scheinen die Aussichten für uns gut zu sein. So­eben ist ein neuer Verstärkungstransport in Swakopmund angekommeu. Er zählt 20 Offiziere, 18 Unteroffiziere, sowie 114 Gefreite und Reiter.

Köln, 27. Mai. Aus Südwestafrika eiugetroffenen Privatbriefen zufolge ist

die Lage dort sehr ernst. Nachdem am 23. April 400 Pferde gelandet waren, wurden in der darauffolgenden Nacht von den Herero 310 Pferde gestohlen. Der Feind ist sehr stark und über das ganze Land verbreitet. Im Innern ist alles im Besitz der Feinde, welche sich als sehr blutdürstig zeigen und nach wie vor die schändlichsten Verbrechen an Weibern und Kindern vornehmen.

London, 26. Mai. Dem Reuter- schen Bureau wird aus Tokio gemeldet: Die Japaner vertrieben gestern die Russen aus Hankwnnling. Sie erstürmten und nahmen heute nach 2tägigen heftigen Kämpfen und unter schweren Verlusten die Stadt Kintichau auf der Liaotung- Halbinsel.

Ein sehr bemerkenswertes Urteil über den russisch-japanischen Krieg ent­nimmt dieKrzztg." dem Privatbries eines deutschen Missionars in Kiautschou. Dasselbe lautet:Nun ist hier draußen der schon lange erwartete Kamps zwischen Rußland und Japan ausgebrochen, und man darf gespannt sein auf den endlichen Ausgang des Krieges. Siegt Japan, so bedeutet das einen Sieg Asiens über Europa. In zehn Jahren hat dann Japan durch seine Instrukteure die chine­sischen Truppen ausgebildet und den großen wichtigen Markt Ostasiens für seinen Handel erobert. Auch der Budd­hismus wird wach werden; der Einzug Englands in Tibet und Lhassa hat für den gläubigen Buddhisten dieselbe Be­deutung, wie für den römischen Katho­liken die Eroberung des Vatikans durch eine protestantische Macht. Alles hängt von der Haltung der russischen und ja­panischen Landtrupen an der Grenze Koreas und der Mandschurei ab. Die ersten Siege Japans treiben China aus die Seit? Japans.

Japanische Gefangene, die nach Port Arthur eingebracht worden sind, haben erklärt, die Festung werde noch vor Ende Juni mit Sturmhand genom­men werden, ganz ohne Rücksicht aus die unvermeidlichen großen Opfer. Weit über 10000 japanische Soldaten sollen sich als Freiwillige für die Sturmkolon­nen bereits gemeldet haben. Es läßt sich schwer entscheiden, ob den Aussagen der Gefangenen irgend welcher Wert beizu­messen ist.

Pretoria, 25. Mai. Ein großer Burenkongreß hat am 23. Mai hier be­gonnen. 134 Delegierte, darunter alle Führer sind anwesend. Der Kongreß bedeutet den Wiedereintritt der Buren ins aktive politische Leben und den An­fang einer großen Agitation für die Er­langung der versprochenen Selbstregierung. Das erste praktische Resultat ist die Ver­vollständigung der politischen Organisa- tion der Buren. Alle Redner klagten, daß England seine in Vereeniging gege­benen Versprechen nicht gehalten habe.

Lokales.

Wildbad, 27. Mai. Laut Staats­anzeiger sollen vom 1. Juni ab Versuchs- weise für den inneren deutschen Verkehr Po st ausweiskarten ausgegeben wer­den. Diese müssen eine Photographie, eine kurze Personalbeschreibung und die eigenhändige Unterschrift des Inhabers enthalten und sind von dem Postamt, in dessen Bestellbezirk der Antragsteller wohnt bei Postagenturen von der Abrech- nungs-Postanstalt stets nur für die