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Die Angriffe gegen die Rheinische Missions«Gesellschaft im Hererogebiet.
Gerade wie in den Tagen des Boxer- Aufstandes in China anfangs die Hauptschuld nicht bloß auf die katholischen, sondern auch auf die evangelischen Missionen gewälzt wurde, so geschieht es auch jetzt wieder. Weil sie die Hereros von Anfang an milde und freundlich behandelt und sie nicht wie jene gewissenlosen Händler ausgesogen haben und deshalb selbst im Kriege von den Hereros ge- schont werden, so müssen sie nun von manchcnSeiten völlig unberechtigteAngriffe erdulden. Es ist deshalb das Zeugnis, das der jüngst im Kampfe gegen die He- rerv gefallene Hauptmann v. Francois über diese Missionare in seiner Schrift „Nama und Damara, Deutsch-Südwest- Afrika" abgegeben hat, von hohem Wert. ES ist ein bleibendes Denkmal für den Charakter und die Anschauungsweise dieses edlen Afrikaners, wie es manchen Fernerstehendcn ein heilsames Licht über die evangelische Missionsarbeit aufsteckt. Er rühmt ihre Uneigennützigkeit und ihre Unermüdlichkeit, und hebt hervor, daß der Missionar, gleichviel welcher Nation und welcher Gesellschaft er angehört, unmöglich ein Regierungs- und Parteiorgan sein dürfe, vielmehr müsse er über den politischen Ideen und Parteiinteressen im höheren Dienste, als dem der Menschen stehen. Der auf dem Feld der Ehre gefallene Hauptmann sagt in der genannten Schrift: „Ohne diese Pionierarbeit der Missionare wäre die Besitzergreifung des Landes ein völlig illusorischer Akt auf dem Papier gewesen. Was Eng. länder, Industrielle und Gelehrte, zumal Holländer und Engländer, zur sog. Erforschung und Kultivierung getan haben, fällt gar nicht ins Gewicht neben den positiven Ergebnissen der Miffionsarbeit. Und diese Arbeit will um so mehr bedeuten, als alle egoistischen Motive, die den Händler oder Forscher immer beseelen werden, die schließlich auch dem Kriegsmann nicht abgesprochen werden können, bei diesen Männern fortfallen, die einen Jahressold von 2400 Mk. empfangen. Der Missionar gibt fortwährend, nicht nur vom inneren Schatz seines Lebens und Könnens: nein, um dahin zu gelangen, muß er unermüdlich bald Handwerker, bald Ackerbauer, bald Baumeister, bald Füllhorn spielen, immer geben, Geschenke, Lehren, Verbesserungen, niemals nehmen! Dazu findet er kaum ein Verständnis für seine Opferfreudigkeit — alles das Jahre, Jahrzehnte lang, gleichermaßen geduldig, gleichermaßen erfinderisch sortzusetzen, dazu gehört in der Tat mehr als Menschenkraft. Das Durchschnittsgemüt des in Selbstvechcrrlichung und Selbstsucht verhärteten europäischen Strebers begreift das nicht. Ich hätte es früher auch nicht begriffen, man muß gesehen haben, um hier verstehen und bewundern zu können."
Vermischtes.
— Die Mißstände in den sozialdemokratischen Konsumvereinen haben den Gegenstand lebhafter Beschwerden bei der Konferenz der Lagerhalter der Provinz Brandenburg gebildet. Nach den dorr er- statteten Berichten lassen die Verwalt
ungen hinsichtlich der Fürsorge für die Lagerhalter und ihre Familien alles zu wünschen übrig. Es wurde behauptet, daß manche Vereine die Lagerhalter mit 90 Mk. Monatsgehalt beschäftigen und dabei verlangen, daß Mann und Frau für den Verein arbeiten. Die Mittel der Vereine sind dabei in keiner Weise be- schränkt, denn es werden Dividenden bis zu 18°/o gewährt. Die wöchentliche Ge- schäftszeit ist zum Teil weit über das vernünftige Maß hinaus ausgedehnt. So kommen Geschäftszeiten von 75, 80 und 90 Stunden vor. Die Klagen sind nicht neu; daß sie immer wieder erhoben werden müssen, ist ungemein bezeichnend. — Ueber die sozialdemokratische Genossenschaftsbäckerei in Posen ist der Konkurs verhängt worden.
— Die schöne Mlle. Sacharin, die von der männlichen Jugend der russischen Stadt Perm angebetet wird, hat zum Kriegsfonds ihre 1. Rate von 800 Ru- beln beigesteuert, die sie ans eine sehr ergötzliche Art zusammengebracht hat. Fräulein Sacharin ist eine der hübschesten Chansonettensängerinnen Rußlands. Sie ist erst 19 Jahre alt und ist berühmt durch ihr bezauberndes Lächeln und ihren schönen Teint. Vor einigen Tagen sang Fräulein Sacharin das neue patriotische Lied Slawnaja Rosfija. Als sie schloß, bereitete sie ihrer Zuhörerschaft eine große Ueberraschung. indem sie die Ankündigung machte, daß sie jeden küssen werde, der ihr zehn Rubel für den Kriegsfonds geben würde. Die Versammelten sprangen sofort aus, schwenkten Banknoten und stürmten auf die Bühne. Die Verwirr- ung war so groß, daß die Schauspielerin sich in ihr Ankleidezimmer flüchten mußte. Als der Tumult sich gelegt hatte, kam sie hervor und „verkaufte" unter ungeheurer Begeisterung ihren Verehrern über 150 Küsse.
— Der Beginn der Saison für das Fischen von Salm mit der Angel veranlaßt die englischen Zeitungen, über die Kostspieligkeit dieses Sports in Eng- land Betrachtungen anzustellen. Vor einigen Jahren bezahlte ein Londoner Herr, der dem Angelsport huldigte, 6000 Mk., um in einem wohlbekannten Flusse in Jnverneßhire fünf Wochen lang Salm fischen zu dürfen. Die ihm dadurch freigestellte Flußstrecke hatte eine Meile Länge. Er fischte jeden Tag und fing einen Salni von etwa 10 Pfund Gewicht. Weil dieser Salm der teuerste Fisch ist, den er jemals fing, ließ er ihn für sich ausstopfen. Es gibt Sportslente, die, um in dem Flusse Der in Aberdeenshire angeln zu dürfen, jährlich die ungeheure Summe von 120000 Mk. zahlen. In diesem Jahre soll der Zudrang zu den salmhaltigen Flüssen ein ganz besonders großer gewesen sein, so daß die Preise für die Fischereiberechtigung noch bedeutend in die Höhe gegangen sein dürften. Auch der Forellenfang ist ein kostspieliges Vergnügen. Der Eigentümer eines Flusses in Kent verkauft die Erlaubnis, darin nach Forellen zu fischen, für 3500 Mk. die Meile. Ein Sport- mann rechnete aus, daß im vorigen Jahre ihn jede Forelle auf ca. 180 Mk. zu stehen kam.
— Einer der Bauinspektoren Washingtons wurde von seiner Behörde zum Studium der Brandverhältnisse nach
Baltimore geschickt und hat über den Befund berichtet. Zunächst hält er die hohen Gebäude für eine sehr große Feuersgefahr. Bricht ein Feuer hoch oben aus, so reicht der Druck der Spritzen nicht kräftig genug hinauf; entsteht es unten und wird nicht sofort entdeckt, so erzeugt es in dem als Kamin wirkenden Treppenhaus und den Aufzugsschächten einen so gewaltigen heißen Luft- zug, daß es nicht mehr bewältigt werden kann. Ein selches Feuer muß eine viel größere Hitze erregen; die brennenden Teile werden hoch in die Luft gewirbelt und gefährden einen weiten Umkreis, und falls brennende Stücke herunterfallen, so schlagen sie mit Leichtigkeit durch benachbarte Dächer und verbreiten die Feuersbrunst. Was den Brandschaden betrifft, den die Baltimorer Wolkenkratzer aufweisen, so berechnet ihn der Bauinspektor auf 600/«. sind zwar in der Hauptsache stehen geblieben, denn sie sind ja Stahlskelette, die von schlechten Wärmeleitern eingehüllt sind, und zwar ist das Stahlgerüst so aufgeführt, daß der ganze Bau ein Zellensystem bildet, innerhalb dessen der Einsturz einer Wand oder einer Decke die übrigen Räume nicht gefährdet. Solche Einstürze kamen eine Reihe vor; häufig fiel auch die äußere Verkleidung ab, die Stahlschienen wurden bloßgelegt und bogen sich unter der Hitze, sodaß auch auf diese Weise Wand- und Deckenstürze vorkamen. Wo immer das Eisen ungeschützt dalag, wie an den Dächern, schmolz es oder bog sich und verursachte großen Schaden. Im Innern der Gebäude brannte jedes Stückchen Holz vollständig aus. Von allen Gesteinsarten widerstand nur der Backstein, während Granitblöcke zu Sand wurden und Kalksteine wie Marmorplatten sich in weiche Massen verwandelten.
(Eine kleine Verwechslung.) Als Giolitti zum ersten Mal italienischer Ministerpräsident wac und eine Reise von Rom nach Piemont machte, war in- folge einer Zeilenoerschiebung auf der ersten Seite eines piemontesischen Blattes am Schluß zu lesen: „Giolittis Ankunft. Gestern traf auf unserem Bahnhofe der Ministerpräsident ein und wurde vom Präfekten, vom Bürgermeister und von zahlreichen Freunden begrüßt. Kaum hatte der wackere Gendarmeriewachtmeister ihn erblickt, so ergriff er ihn am Kragen und schleppte ihn, trotz seiner heftigen Beteuerungen, ins Gefängnis, zur großen Befriedigung aller ehrlichen Leute." Oben auf der zweiten Seite des Blattes las man dann: „Verhaftung eines UebeltäterS. Gestern endlich gelang es der öffentlichen Macht, des berüchtigten Verbreiters falschen Geldes, Gincomino, habhaft zu werden. Der Bürgermeister, der Präfekt und alle Eingeladenen eilten ihm entgegen, ihm die Hand zu schütteln; die Musik spielte den Königsmarsch unter dem begeisterten Beifall der Menge. Morgen findet ein Festessen zu Ehren des illustren Mannes statt." —
— A.: „Was ist das: „Kleptomanie?" — B.: „Wenn jemand reich genug ist, alles zu bezahlen, was er stiehlt — falls man ihn erwischt."
Telephon Nr. 33. Redaktion. Druck und Verlag von A. Wildbrett in Wildbad.