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Geschäft zu gehen, seine Trunkenheit ausschlief, ergriff sie ein Fläschchen Schei- dewaffer und träufelte dem Mann den Inhalt in den Mund. Das Mittel war zwar etwas stark, aber eS soll geholfen haben. Die Frau mußte sich jedoch we­gen ihrer Radikalkur am 8. April vor dem Schöffengericht in Pforzheim ver- antworten. Sie erhielt, obwohl der Mann keine schweren Nachteile davontrug, 3 Wochen Gefängnis.

Zur Frage der Haftpflicht der Rechtsanwälte hat das Oberlaudesgericht in Karlsruhe eine wichtige Entscheid­ung gefällt. Danach macht sich ein Rechtsanwalt, der nicht von der Erheb­ung einer Klage abmahnt, die gegen Treu und Glauben verstößt, eines groben Versehens schuldig und ist demgemäß schadenersatzpflichtig. Der in Frage kom- mende Rechtsanwalt hatte als Prozeß­vertreter einer Partei eine Klage anhängig gemacht, die zurückgewiesen wurde, weil sie nach der Ansicht des Gerichts unter offenbarem Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben voreilig erhoben worden war. Es ist im Anschluß hieran zur Sprache gekommen, daß der Rechts- anwalt es versäumt hatte, seinen Man­danten vor der Erhebung der Klage darauf aufmerksam zu machen, daß sein Begehren nicht in Einklang zu bringen sei mit dem von dem Gesetzgeber gerade in seinen neuen Rechtsschöpfungen so häufig und so nachdrücklich hervorgehobe­nen Grundsätzen der Redlichkeit im Ver­kehr. Diese Bedenken hätte er seinem Auftraggeber nicht vorenthalten dürfen; indem er sie ihm verschwieg, hat er seine Pflicht als Rechtsanwalt verletzt; er hat dadurch aber die Prozeßkosten, die jenem erwachsen sind, seinerteits verschuldet und demgemäß für dieselben aufzukommen.

Neckarelz, 5. April. Das hiesige Portlandzementwerk, das seine letzte Bi­lanz 1902 mit einem Verlust von 552 000 Mk. schließt, wurde von den Portland­zementwerken Heidelberg-Mannheim er­worben. Als Kaufpreis werden 480000 Mark genannt. Das Werk hat allein ein Aktienkapital von 2 400 000 Mk. er­fordert. Man kann hienach den Verlust der Aktienbesitzer des hiesigen Werks be­rechnen. Die Genehmigung der Aktionäre beider Gesellschaften wird in einer dem­nächst stattfindenden außerordentlichen Generalversammlung eingeholt werden.

München, 6. April. Wie die Mün­chener Neuest. Nachr. aus sicherer Quelle erfahren, hat die Administration des Vermögens des Königs Otto auf Antrag des Verkehrsvereins Oberammergau den Entschluß gefaßt, während der Hauptrei­sezeit an allen Sonn- und Feiertagen den Eintrittspreis in die k. Schlösser Linder­hof und Neuschwanstein auf die Hälfte zu ermäßigen.

Berlin, 9. April. Ueber die Kosten der letzten Truppenverstärkungen wird derD. TageSztg." geschrieben: Die Auf­stellung der Kosten für die seit dem 24. März entsandten Verstärkungen der Schutztruppe in Südwestafrika geht jetzt ihrem Ende entgegen. Die Kosten be- laufen sich auf nahezu 10 Millionen Mk. Der diesbezügliche Nachtragsetat wird dem Reichstag bald zugehen.

Berlin, 9. April. Oberleutnant Techow telegraphiert am 9. April: Ab- teilung Glasenapp im Vormarsch von Owikokurero hatte am 2. April ein schwe­res aber siegreiches Gefecht bei Okaharni.

Der Gegner zog in nordöstlicher Richt­ung ab. Glasenapp ist am 3. April auf Otijeknara marschiert und beabsichtigt, den Feind anzugreifen. Bei letzterem wurden 92 Tode gezählt. Diesseits ist der Reserveleutnant Nörr und 31 Mann tot, Leutnant Hildebrand und 15 Mann verwundet.

Berlin, 11. April. Gouverneur Leutwein meldet aus Okahandja unter dem heutigen Tage: .Ich habe am 9. April mit der vereinigten Hauptabteilung Oberst Dürr und der Westabteilung Major v. Estorff die Hauptmacht des Feindes, etwa 3000 Gewehre, bei Ongan- jira (östlich von Okahandja) angegriffen. Die Hereros standen in starker kreisför­miger Höhenstellung, Frontstellung nach Nordwesten. Zuerst wurde der feindliche linke Flügel umfaßt und zurückgeworfen, dann der Angriff gegen die Mitte und den rechten Flügel ausgeführt. Zwei energische Gegenstöße des letzteren gegen unfern linken Flügel wurden abgewiesen. Mit Einbruch der Dunkelheit wurde nach achtstündigem Gefecht die feindliche Stell­ung durchbrochen. Der Gegner ist nach allen Seiten mit seinen Hauptkräften, anscheinend in nordwestlicher und östlicher Richtung, zurückgegangen. Diesseitige Verluste: Tot: Oberleutn. v. Estorff, Leutnant v. Erffa und 2 Reiter; schwer verwundet: Leutnant v. Rosenberg und 5 Reiter; leicht verwundet 5 Reiter. Die Verluste des Feindes sind noch nicht fest­gestellt, aber dank guter Artilleriewirkung schwer. Von der Ostabteilung Glasenapp nichts Neues. Gouverneur Leutwein meldet ferner die genaue Verlustliste des obigen Gefechts. (Die Hauptabteilung unter Oberst Dürr zählte 30 Offiziere und 612 Mann, die Westabteilung unter Major v. Estorff 7 Offiziere und 250 Mann, jene mit 8, diese mit 4 Geschützen.)

Apolda, 8. April. Der deutsche Verein für Gasthausceform, der in Wei­mar seinen Sitz hat, eröffnete am 1. April sein erstes Gasthaus. Er hat hier eine Wirtschaft erworben, die, abgesehen von den Nachbarn, besonders von Land­leuten und wenig bemittelten Reisenden besucht wird. Geistige Getränke werden nach wie vor geführt, aber der angestellte Verwalter, der für seine Person Absti­nent ist, hat keinerlei Vorteil vom Ab­satz dieser Getränke, während er an allen übrigen Einnahmen beteiligt ist. Natür­lich werden die Speisen und alkoholfreien Getränke besonders gepflegt werden. Die Einrichtung eines Lesezimmers, das in Apolda noch fehlt, wird geplant, und die Benutzung aller Räume wird auch Gästen, die nichts verzehren, gestattet sein, wenn sie sich für 10 Pfennige eine Stunden- karte lösen oder monatweise abonnieren. Dieser alteGasthof zum .Schwan" ist, streng genommen, das erste Beispiel des Gothenburger Systems" in Deutschland; die Gasthäuser des Freiherrn v. Dier- gardt in Suschenhammer und des Pa- stors Schmidt in Wodder kommen dem Ideal der Gasthausreformer allerdings auch sehr nahe, da auch hier alles Pri- vatintereffe am Gewinn aus Alkoholge- tränken aufgehoben ist.

Die sehr wohlhabende Gutsbe­sitzersfamilie Stimolo in Castel di Lucio bei Messina erhielt kürzlich einen der landesüblichen Drohbriefe, in dem von ihr 15000 Lire gefordert wurden. Die Familie kümmerte sich aber nicht um das Schreiben und schickte das Geld nicht ab.

Wenige Tage später erschienen sechs be­waffnete Räuber auf dem Futterplatze, auf dem das dem Stimolo gehörende Vieh weidete. Sie befahlen den zitternden Hirten, die Ochsen und Rinder zusammen­zutreiben und schossen dann 46 Stück nieder. Die Familie Stimolo hat da­durch einen Schaden von mehr als 18 000 Lire erhalten.

Malta, 9. April. Die Fahrt des deutschen Kaisers von Palermo nach Malta verlief bei schönstem Wetter. Gegen 3 Uhr empfingen auf hoher See 19 englische Torpedoboote dieHohenzollern" mit Salut, denFriedrich Karl" erwiderte. Die Boote geleiteten dann in zweifacher Kiellinie die deutschen Schiffe nach Lava- letta, wo sie um 4'/« Uhr eintrafen und an den Bojen im Hafen festmachten. Der Kaiser empfing alsbald auf der Hohenzollern" den Gouverneur General Charles Clarke, den Chef des Geschwa­ders Admiral Compton Domoille und den deutschen Konsul Freiherrn von Tücher und erwiderte den Besuch des Admirals auf dessen FlaggschiffBulwark." Später nahm der Kaiser das Diner im Palais des Gouverneurs.

ItntevhcMendes.

Äus Uucht zum Licht.

von Hugh Conway.

26) (Nachdruck verboten.)

Sie ging mit raschen, gleichmäßigen Schritten wie jemand, der ein festes Ziel verfolgt. Sie wandte die Augen weder rechts noch links, weder aufwärts noch abwärts, und nicht ein einzigesmal während dieses Ganges sah ich, daß sich dieselben bewegten oder daß sie auch nur geblinzelt hätten. Obwohl wir Arm in Arm gingen, bin ich doch überzeugt, daß sie keine Ahnung von meiner Anwesenheit hatte. Ich versuchte nicht weiter, sie aufzuhalten. Sic irrte nicht ziellos um- her, vielmehr schien irgend etwas, ich wußte nicht was, sie nach einem bestimm­ten Orte zu leiten oder zu treiben. Ir- gend etwas in ihrem abnormen Gehirne zwang sie, eine gewisse Stelle so schnell als möglich zu" erreichen. Ich wagte nicht, sie an ihrem Vorhaben zu hindern; denn selbst wenn es nur ein hoher Grad von Nachtwandeln war, würde es unvor­sichtig gewesen sein, sie aufzuwecken, und ich zog vor, ihr zu folgen, bis der Anfall vorüber wäre

Sie verließ Walpole-Street, schlug, ohne einen Augenblick zu zögern, die Richtung um die rechte Ecke ein und ging die breite Hauptstraße entlang. In dieser führte sie mich geraume Zeit geradeaus, bis sie plötzlich und scharf in eine andere Straße einbog und in der Mitte derselben vor einem Hause stehen blieb.

Es war dies ein gewöhnliches, drei­stöckiges Haus ohne besonderes Merkzei­chen, das sich fast gar nicht von dem meinigen und tausend andern unterschied, ausgenommen daß es, wie ich beim La­ternenlichte bemerkte, sehr vernachlässigt aussah Die Fenster waren staubig, und in einem derselben befand sich ein Zettel mit der Ankündigung, daß dieses Haus möbliert zu vermieten sei.

Ich wunderte mich, welch seltsame Wahnvorstellung Pauline wohl zu diesem unbewohnten Hause geleitet haben konnte. Hatte irgend jemand, den sie früher ge-