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Berlin, 27. Jan. Telegramm aus Swakopmund: Aus Otjimblinge: Bastards sind treu. Am Orte 35 Gewehre. Kronwitter erschlagen. Laut sicherer Nachricht aus Okahandja kann Zülow auf Wochen uushalten. Versuche mit Karibik Verbindung zu erhalten, sind wegen der Bahnzerstörung bei Waldau vereitelt. 16 Menschen ermordet und 70 vermißt.
Crimmitschau, 25. Jan. Wie die „Sächsisch-Thüringische Korresp." aus zuverlässiger Quelle erfährt, find alle Meldungen, die davon sprechen, daß voraussichtlich nur 25 bis 50°/o der Arbeiterschaft eingestellt werden sollen, unzutreffend. Es haben sich bis jetzt fast alle Streikenden zur Arbeit gemeldet, sie können natürlich nicht alle sofort Beschäftigung finden. Der Fabrikanten- verern glaubt jedoch, daß 75 bis 90°/o, wenn nicht im Laufe der Zeit alle Arbeiter, wieder in den Betrieben eingestellt werden können. Dauernd ausgeschlossen werden nur 500 bis 600 Arbeiter, die in dem Streik eine leitende und verhetzende Stellung eingenommen haben. Jedoch ist die Ausschließung dieser Arbeiter nicht vom Fabrikantenverbano allgemein beschlossen, sondern vielmehr jedem einzelnen Fabrikanten überlassen worden, selbständig vorzugehen.
Christiania, 27. Jan. Aus Anlaß des Geburtstags des deutschen Kaisers haben hier die öffentlichen und die privaten Gebäude, sowie die Schiffe im Hafen allgemein Flaggenschmuck angelegt. Aus allen Gegenden Norwegens wird gemeldet, daß überall geflaggt sei wie sonst am Freiheitstage.
— Die aufständischen Hereros in Deutsch-Südafrika hatten bei Weißen Händlern leichtsinnige Schulden gemacht und wurden nun zur Zahlung, d. h. zur Ablieferung von Vieh, gedrängt. Haß gegen diese Händler hat den Aufstand hervorgerufen. Ueber diese Herero äußert sich Prof. Karl Dove in seiner Schrift „Deulsch-Südwestafrika": „Die ungeheure Gefahr, die für uns in dem Vorhandensein der Herero liegt, beruht nicht etwa in einer besonders ausgeprägten kriegerischen Gesinnung dieses Stammes. Aber darum, weil der einzelne Herero nicht gerade sehr mutig genannt werden kann, ist er keineswegs als ein harmloser Mensch anzusehen. Im Gegenteil, in der großen Masse liegt hier die Hauptgefahr, und diese Masse bildet eine ständige Bedrohung der Sicherheit, weil ein unbändiger Haß gegen die Weißen in den Herzen aller dieser Leute lebt, ein Haß, den kein Taufwasser erlöschen und den keine Bildung verschwinden machen wird, solange die Beherrscher des Landes eine weiße Haut tragen. Ich weiß, daß ich wahrscheinlich, wie schon bei mancher anderen Gelegenheit, tauben Ohren predige, denn unsere Theoretiker am grünen Tisch, die nie über Europa hinausgekommen sind, und die gerade deshalb ihr hochweises Urteil mit dem manches kurzsichtigen Reisenden in Außereuropa zusammen für das einzig Richtige halten, wissen es natürlich besser. Trotzdem spreche ich es hier aus und die Zukunft wird mir Recht geben, daß das in Berlin beliebte System uns eines Tages einen blutigen Kaffernaufstand bescheren wird, und daß er nur ein Mittel gibt, einen solchen zu vermeiden, und das ist der Uedergang zu einer Behandlungsweise,
wie sie die Buren den Kaffern gegenüber von jeher angewandt haben. Es mag auch hier wiederholt werden, obwohl es nichts nützen wird, daß Milde gegenüber dem Farbigen Grausamkeit gegen den Weißen ist. Selbstverständlich ist, daß strengste Gerechtigkeit die Grundlage alles Handelns gegenüber dem Schwarzen bilden muß. Aber wir müssen endlich einmal von dem Gedanken «blassen, als sei mit unserer Uebernahme dieser Länder etwas geschehen, für das wir dem Eingeborenen Dank schuldeten." So schrieb der genannte Verfasser vor einem Jahr, und heute haben wir den „blutigen Kaffernaufstand".
Lokales.
Wildbad, 28. Jan. Daß es ein glücklicher Gedanke war, auch einmal in Wildbad an dem Geburtstag des Kaisers eine allgemeine patriotische Feier zu veranstalten, das hat der sehr gute Besuch und der begeisterte Verlauf derselben bewiesen. Eingeleitet wurde die Feier, welche im Hotel zum „Ochsen" siattfand, durch einen flotten Marsch, welchem ein Chor der Sänger des Militärvereins folgte. Die Begrüßungsworte sprach Herr Sanitätsrat vr. Haußmann, welcher den Vorsitz zu übernehmen die Güte hatte. Er gab seiner Freude über den zahlreichen Besuch Ausdruck und sprach die Erwartung aus, daß diese erstmalige Feier von Kaisers Geburtstag grundlegend sein möge für künftige patriotische Veranstaltungen. Die Festrede hielt Herr Sladtpfarrrr A u ch. Tr wies daraus hin, daß wir diesmal am Geburtssestc unseres Kaisers ganz besondere Ursache zur Freud« haben, einerseits wegen dessen völliger Herstellung aus schwerer besorgniserregender Erkrankung, andererseits wegen seiner ebenso raschen als hochherzigen Hilfeleistung, die er der durch Feuer zerstörten norwegischen Stadt zuteil werden und die uns wieder einen tiefen Blick in das edle, jederzeit hilfsbereite Herz des Kaisers tun ließ. Der Redner führte im weiteren aus, daß die ,A >Wesenheit vieler Fürstlichkeiten am Kaiserhofe dem Geburtsfeste hohen Glanz verleihe, daß aber gewiß in den Augen unseres Kaisers die von Herzen kommende Teilnahme des deutschen Volkes zum mindesten ebensoviel gelte. Unser Volk habe alle Ursache in Dank und Verehrung heute zu seinem Kaiser aufzublicken. Bekannt sei uns allen, wie der Kaiser bei jeder sich bietenden Gelegenheit der Verehrung gegen seinen Großvater Wilhelm I. Ausdruck gebe. Dies könnte nach einer Seite hi. auffallend erscheinen, da doch die Art beider Männer in manchem eine" verschiedene sei, was seinen tiefen Grund habe in der Verschiedenheit des Charakters. Aber eins sei der Enkel mit dem Großvater darin, daß auch unseres jetzigen Kaisers ganzes Wollen, Streben und Arbeiten, der Ehre, Größe und Wohlfahrt des deutschen Volkes und Vaterlandes gelte. Darum seine unermüdliche Sorge für ein jederzeit schlagfertiges Heer, für die Vermehrung der Flotte, seine Weiterführung der sozialen Gesetzgebung u. a. m. Darin sei unser jetziger Kaiser mit seiner staunenswerten Arbeitskraft ebenso unermüdlich wie sein Großvater, der noch auf seinem Sterbebette das Wort gesprochen: „Ich habe keine Zeit müde zu sein." Unser
Kaiser sei von dem Gedanken durchdrungen, den sein großer Ahne ausgesprochen: „Ter Fürst ist der erste Diener des Staats." Derselbe Geist trete uns auch in den Reden unseres Kaisers entgegen, die oft einem Bergstrome gleichen, der vom Regen geschwellt da und dort verheerend über seine Ufer trete, aber auch edles Gestein und Metall in seinen Fluten mit sich führe. Immer seien diese Reden Zeugnisse eines weiten, hohen, edlen Geistes und oft genug treffen sie den Nagel auf den Kopf. Ueberall trete uns der Kaiser entgegen, als der bedeutende Mann, als ein edler Fürst durch und durch, dessen wir uns von Herzen freuen, auf den wir stolz sein dürfen. Und welch leuchtendes Vorbild gebe uns der Kaiser in seinem edlen, harmonischen Familienleben! Der geschätzte Redner schloß mit den Worten: „Sie alle teilen gewiß mit mir den Wunsch: „Gott segne, Gott erhalte uns unseren Kaiser noch lange, lange! und erheben mit mir Ihre Gläser zu dem freudigen, begeisterten Ruf: Unser Kaiser Wilhelm II. lebe hoch." Der nach Form und Inhalt trefflichen Festrede folgte das gemeinsam gesungene Lied: Deutschland, Deutschland über alles. Der Gesang gab Herrn Lehrer Monn Veranlassung, im Sinne unseres Kaisers, der Pflege des Volkslieds das Wort zu reden und halsbrecherische Gesangsleistungen zu mißbilligen. Im Namen des Militärvereins und der übrigen anwesenden alten Soldaten brachte Herr Bank- dicektor Bätzner die Gefühle der Verehrung für ihren obersten Kriegsherrn in schwungvollen Worten zum Ausdruck, zu einem 3fachen Hurra auffordernd, in welches ebenfalls freudig eingestimmt wurde. Patriotische Lieder, allgemein gesungen, wechselten mit Vorträgen des Liederkranzes und des Militärvereins ab, welche sich in dankenswerter Weise an der Feier beteiligten. Herr Sanitätsrat Haußmann dankte denselben, speziell ihren Dirigenten, Herrn Lehrer Lächele und Hrn. Musiklehrer Wörn er, in herzlichen Worten für ihre genußreichen Darbietungen in Chören und Quartetten und hob unter aufrichtiger Zustimmung der Anwesenden hervor, daß sie sehr wesentlich zum Gelingen derFeier beigetragen haben. Den Schluß der offiziellen Ansprachen bildete die folgende gedankenreiche und schwungvolle Rede des Herrn Reallehrers Kirschmer: „Ich denke, daß alle Anwesenden denjenigen Männern, die die Anregung zur Feier des heutigen Tages gegeben haben, aufrichtigen Dank wissen und daß wir alle in dem von Hrn. Sani- tätsrat ausgesprochenen Wunsch, die heutige Feier möge eine Saat sein, die reiche Früchte trage, einig sind. Wir empfinden es als einen schweren Mangel, daß wir keinen einzigen Tag im Jahr haben, an dem das gesamte Volk sich des gemeinsamen Vaterlandes festlich freue. Andere Völker haben ihren na- tionalen Festtag. In Frankreich feiert man den 14. Juli als Nationalfest, an dem sich jeder Franzose ohne Unterschied der Gesinnung des Ruhms und der Größe seines Vaterlandes freut. Und in der Schweiz feiert man seit Jahrhunderten den 1. August als den Tag der Gründung der Konföderation. Da erklingen abends von 8—9 Uhr die Glocken des ganzen Landes und aus den Bergen reiht sich Freudenfeier an Freudenfeier, und die Liebe zum gemeinsamen