Amtsblatt Anzeiger

füv öre Staöt Wil'öbaü. füv Witöbcrö unö Htrngebung.

Erschein« Montag, Mittwoch und Freitag. Die Einrückungsgebühr

Bestellvreis incl. Iüustr. Sonntagsblatt viertelMrl. beträgt für die einspaltige Zeile oder deren Raum

1 Mk. ro Mg. (monatl. in, Verhältnis)-B" allen württ. 8 Pfg., auswärts 10 Mg, Reklamezeile 20 Pfennig.

Postanstalten und Boten im Orts-, u. Nachbarortsverkehr Anzeigen müssen spätestens den Tag zuvor aufgegeben

Vierteljahr!. 1 15 ^ ; außerk. desselben 1 Mk. 2" ^ werden. Bei Wiederholungen entsprechender Rabatt

hiezu 15 ^ Bestellgeld. Stehende Anzeigen nach Uebereinkunft.

Urs. 1l22.

Montag, 26. Aktober 1903,

39. Jahrgang

Rundschau.

Stuttgart, 22. Okt. Der König und die Königin kehren am Dienstag 27. Okt. von Friedrichshafen wieder nach Stuttgart zurück.

Stuttgart, 22. Okt. (Schwurge­richt.) Angeklagt eines Verbrechens der fortgesetzten erschwerten Amtsunterschlag­ung und fortgesetzer Arkundenvernichtung war der aus dem Bahnhofe zu Eßlingen angestellt gewesene 22jährige ledige Eisen- bahnpraktikant Franz Oswald von Stetten OA. Ulm, welcher als Gepäckabfertig- ungsbeamter daselbst in der Zeit vom 20. Juni bis 8- Okt. 1902 vier eingenoüi- mene Frachtbeträge von 4 Mk., zweimal 1,50 Mk. und 4 Mk. unterschlug und für sich verbrauchte, behufs Verdeckung der Unterschlagungen unrichtige Einträge in die amtlichen Register machte und die Belegstück» für die Abrechnung vernichtete. Die unterschlagenen Beträge wurden er» setzt. Staatsanwalt Probst beantragte Schuldigsprechung mit mildernden Um­ständen. Der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sick bat, den Angeklagten auch der Gnade des Königs zu empfehlen. Nach­dem die Geschworenen die Schuldfrage in diesem Sinne bejaht hatten, wurde der Angeklagte zu einer Gefängnisstrafe von 4 Monaten 15 Tagen, unter Ab­rechnung von 15 Tagen für Untersuch. ungShast, verurteilt, auch wurde ihm die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter aus zwei Jahre aberkannt.

Stuttgart, 22. Okt. Ueber den neuen Reichsgerichtspräsidenten wird mit- geteilt: Dr. Gutbrod entstammt einer alten Stuttgarter Familie. Sein Groß­vater war Obermeister der Metzgerzunst, sein Vater ein bekannter Augenarzt. Trotz seines beinahe 26jährigen Aufent­halts in Berlin ist er heute noch württ. Staatsangehöriger; als Württemberger ist er zu der hohen Stellung berufen worden. Preußen verzichtet im vorlie­genden Fall in großmütiger Weise auf eine Stelle, die ihm bei der Konstituier­ung des Reichsgerichts ausdrücklich von den übrigen Bundesstaaten zugesichert wurde.

Stuttgart, 21. Okt. Bei den Stuttgarter Straßenbahnen werden ge­genwärtig Versuche mit elektrischen Brem­sen gemacht, die zunächst an den Anhäng­wagen zur Verwendung kommen sollen, wenn sich die Einrichtung bewährt. Die für die elektrische Bremse nötigen Ein­richtungen sind in einem Schaltkasten am Vorder- und Hinterperron des Mo­torwagens angebracht und die Verbindung der Bremsvorrichtungen der Anhäng­wagen mit der elektrischen Leitung des Motorwagens erfolgt durch Steckkontakte

in der gleichen Weise, wie die Ueber- tragung des Lichts aus die Anhüngwagen. An den Hauptwagen sollen Wetterschutz- Vorrichtungen für Führer und Fahrgäste nach und nach eingeführt werden.

In Calw hat sich einNation- aler Volksverein" gebildet. Mitglieder desselben können und sollen alle dieje­nigen Mitbürger in Stadt und Landbe­zirk werden, die gewillt sind, die Errung­enschaften einer großen Zeit, die auf im­mer mit den Namen eines Wilhelm I und eines Fürsten Bismarck verbunden sind, ein mächtiges, einiges deutsches Va­terland zu erhalten und an seinem Aus­bau in nationalem und freiheitlichem Sinn mitzuarbeiten.

Alpirsbach, 23. Okt. Das Opfer eines Mordes scheint der etwa 70 Jahre alte Traubenwirt von Loßburg geworden zu sein. Ein Mädchen bemerkte gestern Morgen auf dem Weg zur Schule dessen Leichnam bei der sog. Farbmühle hier in der Kinzig liegend. Nach dem Er- gebnis der vorgenommenen Sektion der Leiche ist ein Unglückssall sehr unwahr­scheinlich. Schwere Schlag- nnd Schnitt­wunden am Kops deuten vielmehr auf einen Mord hin. Der alte Mann war vorgestern Nachmittag hier, um 200 Mk. zur Führung eines Prozesses zu holen. Er scheint auf dem Heimweg in der Nacht ermordet und in die, Kinzig geworfen worden zu sein.

Herrenberg, 20. Okt. In der gestern in Sulz OA. Nagold stattgefunde­nen Versammlung von Vertretern der Gemeinden Herrenberg, Affstätt, Oberje- singe«, Sulz, Wildberg und Gültlingen wurde nach demGäub." dieVerbind­ungsbahn zwischenGäubshn und Na­goldtalbahn" nochmals behandelt und einstimmig beschlossen, durch den in der Sache bereits tätig gewesenen Regierungs­baumeister Wallersteiner die nötigen Pläne usw. ausarbeiten und hierauf eine Eingabe an die K. Regierung und die Landständ» abgehen zu lassen. Es solle damit zunächst bezweckt werden, daß die Linie in das demnächst aufzustellende Verzeichnis der zu bauenden Nebenbah­nen Aufnahme findet. Alle Gemeinden

Kuppingen hatte schriftlich zugestimmt

waren einstimmig dafür, daß die An­gelegenheit weiter betrieben werde, wenn man auch als sicher annehmen müsse, daß die Bahn im gegenwärtigen Jahr­zehnt wohl noch nicht gebaut werde.

Leonberg, 22. Okt. Der seit 21. September d. I. vermißte 13jährige Realschüler ist bis nach der Schweiz gekommen. Nach einem beim K. Ober­amt hier eingetroffenen Bericht wurde der aller Mittel entblößte Knabe in Zürich

von der Polizei aufgegriffen und wird demnächst seiner besorgten Großmutter zurückgebracht werden.

Heilbronn, 22. Okt. Der von der Staatsanwaltschaft Zwickau wegen Betruges verfolgte, von hier gebürtige Comptorist Adolf Schwarzenberger wnrde in Wien verhaftet. Derselbe hatte unter falschem Namen ein Baumwollabsallge- schüft Hierselbst eröffnet.

Lahr, 21. Okt. In Nonuenweier erreichte kürzlich ein Bürger namens Moses Moch das hundertste Lebensjahr. Der Greis wurde geboren Mitte Okt. 1803 Das genaue Datum kann nicht angegeben werden, weil damals ein Ein­trag ins Standesbuch nicht geschah. Er ist, lautOrt. B.", noch so rüstig, daß er täglich sein Pfeifchen raucht, im be­nachbarten Kaffeehaus sein Schälchen trinkt und mit Interesse den Spielern zuschaut, ohne Brille liest. Er beüichte die Volksschule in Nonnenweier, wurde danu Hausierer und begann nach seiner Verheiratung einen ausgedehnten Pserde- handel, der ihn oft bis nach Ulm an die bayrische Grenze brachte und ihm viele Mühen und Lasten aufbürdete. Er hat 5 Kinder, 26 Enkel und 16 Urenkel. Am 31. Oktober wird die Gemeinde Nounenweier dem Hundertjährigen zu Ehren ein großes Fest veranstalten.

Görlitz, 23. Okt. Der Zustand des Lustspieldichters G. v. Moser, der an einem schweren Magenleiden erkrankt ist, ist äußerst ernst.

Ein allzu gewiegter Geschäftsrei­sender ist von der Strafkammer in So- rau im Bezirk Frankfurt a. O. mit einer empfindlichen Strafe belegt worden. Er ließ seinen Kunden stets das Zehnfache der bestellten Ware liefern, indem erden Bestellzettelverbesserte". Beschwerte sich jemand, so drohte der famose Herr mit Klage. Endlich aber wurde der Spieß umgedreht und das Gericht erkannte wegen Erpressung und Betrugs auf neun Monate Gefängnis und drei Jahre Ehr­verlust; auch wurde die sofortige Ver­haftung ausgesprochen.

Berlin, 21. Okt. Bei der Jahres­versammlung des deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke führte Geh. Med. Rat Ilr. Sander (Berlin) u. a. aus: Mit Bedauern müsse er be­merken, daß die praktischen Erfolge der 20jährigen Tätigkeit des Vereins ver- hältnißmäßig sehr geringe seien. Noch immer habe die Zahl Geisteskranker und Verbrecher nicht abgenommen. Noch im­mer fordere der Alkoholteufel zahlreiche Opfer. Es sei aber doch erfreulich, daß die Bestrebungen des Vereins in immer weiteren Kreisen Eingang finden. Auch