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Spielbank, die infolge des neuen belgischen Hasardspielgesetzes in diesem Jahre ihre verderbliche und demoralisierende Tätigkeit einstellen mußte, eine Spielbank in dem neutralen Gebiete von Moresnet errichtet und betreibt dort bereits die Hasardspiele in gewohnter Weise nnd unter steigendem Zulaufe bes bekannten internationalen Spielpublikums. Das Gebiet von Marosnet befindet sich in einer eigentümlichen völkerrechtlichen Lage. Es stellt ein unabhängiges Gebiet zwischen Belgien und Deutschland dar und wird gegenwärtig durch eine aus Belgiern und Deutschen bestehende Regierungs, kommission verwaltet. Verschiedene Teilungsvorschläge dieses Gebietes sind früher gescheitert, und so haben wir es mit einem Flecken zu tun, der rechtlich zu keinem Staate gehört. Diese völker- aechtlich wohl einzig dastehende Lage von Marosnet haben sich nun dw Ostender Spielpächter zu Nutzen gemacht, um dort unbehelligt von de» belgischen und deutschen Regierungsbeamten, ihr Handwerk zu treiben. Da aber das Gebiet von Marosnet, obwohl es rechtlich unabhängig ist, doch von seinen beiden Nachbarn ber- waltet wird, da ferner die Hasardspiele sowohl in Deutschland wie in Belgien verboten sind, so darf man wohl hoffen, daß es den beiden Regierungen bald gelingen wird, dem Skandal in Maros- uet ein Ende zu machen.
Budapest, 26. Aug. Gestern war eine Versammlung der Angestellten des abgebrannte» Warenhauses, wobei festge« stellt wurde, daß alle 148 Angestellte, wenn auch zum Teile verwundet, gerettet wurden. Auch von den Bewohnern des Hauses fehlen bisher nur drei, sodaß die Gesamtzahl der Toten, die jetzt 31 beträgt, nur wenig höher sein dürfte. Sowohl das Gebäude des Warenhauses wie das Nachbarhaus sind so baufällig, daß wahrscheinlich beide demoliert werden müssen.
Kopenhagen, 28. Aug. In aristokratischen Kreisen Dänemarks erregt, wie dem „Berl. Lok.-Auz. telegraphiert wird, eine Mesallianz großes Aufsehen. Die Tochter des Lehnsgrafen Rantzau, Baronesse de Fougieres, hat sich mit dem Sohne ihres Waldhüters verlobt.
— Das Verdrängen mäunlicher Schreiber durch weibliche Kräfte tritt in London immer stärker hervor. Sämtliche Schulen in London, die sich mit der Ausbildung junger Mädchen in Stenographie, Maschinenschreiben und anderen kaufir finnischen Tätigkeiten beschäftigen, sind in diesem Jahre überfüllt. Die Herren Pitmann, die eine dieser Schulen haben, unterrichten augenblicklich nicht weniger als 2800 Schülerinnen und haben bts jetzt über 20000 Schülerinnen entlassen, die sämtlich Stellen als Schreiber bekleiden. Von diesem Institut werden wöchentlich etwa 10 Schülerinnen in Stellung gebracht. Die meisten finden ihre Stellungen j doch ohne Hilfe des Instituts. In den letzten vier Jahren ist die Zahl der weiblichen Schreiber nm 100 Prozent gestiegen. Augenblicklich legen wieder 5300 Mädchen ihre Prüfungen ob. Der Vorsteher einer dieser Schulen erklärt, diß die Nachfrage nach diesen immer größer werde und daß seines Erachtens die Zeck mcht mehr fern sei, wo der männliche Schreiber sich eine andere Beschönigung suchen müsse.
UntsrHattenöes.
Krikas Freier.
Humoreske von Auguste Werner.
(Nachdruck verboten.)
Erika, des Hauses einziges Töchterlein, saß an ihrem Nähtffchchen im Erker und stickte fleißig an einem Tischläuser, so fleißig, daß sie überhörte, daß die Uhr eins schlug. Die Stunde, wo nebenan der Tisch gedeckt wurde und Papa aus dem Contor heraufkam. - Auf der Straße machte sich ein lebhafter Verkehr bemerkbar, und die emsige Stickerin sandte einen rasch prüfenden Blick aus, um gleich darauf ihr dunkles Köpfchen noch etwas tiefer auf die Arbeit zu senken, während ein schelmisches Lächeln ihr niedliches Gesicht überflog. — Da war ja schon Nummer eins: Herr Max Bollmann! —Ein junger Mann von nicht zu großer, aber stattlicher Figur mit einem frischen Gesicht, welches ein rotblonder Schnurrbart zierte. Herr Bollmann kam mit tändelnden Schritten näher, schmachtete schon von weitem mit süßem Lächeln zu dem Erker empor und grüßte dann mit ostentativer Huldigung hinauf. Kaum hatte Erika mit unbefangener Freundlichkeit envidert, so tauchte auch schon Nummer zwei auf: eine lauge, schlanke Gestalt in dunkelm Havelock, welche in etwas vorgeneigter Haltung, den Kops gesenkt, rasch näher schritt. Erst vis-ü-vis dem Hause hob Camillo Frank sein blasses Gesicht auf einen Moment empor und ein flammender Blick flog in den Erker. Der Gruß des jungen Architekten, dessen Augen sich schnell wieder senkten, war kurz und scheu, und ebenso erwiderte Erika mit kaum bemerkbarer Kopfneigung.
Nach.einigen Augenblicken begab sich Erika injdas Eßzimmer, wo Mama bereits hantierte und Papa soeben mit ärgerlichem Gesichtsausdruck eintrat. Er wandte sich auch sofort an sein Töchterlein: „Diese ewigen Fensterpromenaden habe ich aber nun satt."
„Laß nur die Lmppe nicht kalt werden", fiel Mama ein.
, „Das ganze Contor grinst schon, wenn erst der eine und dann der andere vor- überpendclt."
„Ich kann doch nichts dafür", sagte Erika gekränkt.
„Mußt Du denn immersin dem Vogelbauer sitzen,,"
„Aber Papa", sagte das Töchterlein vorwurfsvoll, „wo soll ich denn sitzen? Ich habe doch mein Nähtischchen im Erker und das beste Licht zum Arbeiten."
„Sonst hast Du doch nicht so viel gestrickt ?"
„Der Tischläufer soll doch zu Tantes Geburtstag fertig sein."
„Heute gibts Dein'Leibgericht", lenkte Mama ab, „Pöckelbraten, Sauerkraut und Klöße."
Die dampfenden Schüsseln verfehlten auch nicht, eine besänftigende Wirkung ans den Hausherrn auszuüben, und erst als Erika den Eltern nach aufgehobener Tafel Mahlzeit wünschte, zupfte Papa sie mit schlauem Augenblinzeln väterlich mahnend an dem kleinen Ohr. Nicht ohne wohlgefälliges Schmunzeln blickte ec dem zierlichen Töchtecchen nach, das ihm von der Türe aus noch freundlichst zunickte.
> „So," begann Mama, während sie
'den Kaffee e nschenkw nnd Papa sich eine
Cigarre anbrannre, „seit dem letzten Res- soucceball, wo Erika das Rosaseivene anhatte, was ihr ja zu ihren dunkeln Augen und frischen Farben wirklich entzückend steht, sind die beiden wie bezaubert!"
„Hm, Bollmann wäre sehr annehmbar", meinte Papa.
„Warum denn grade Bollmann?"
„Ausgezeichneter Geschäftsmann und gesund, während der andere angekränkelt aussieht, blaffe Farbe, von Nachtschwär- mereien vermutlich."
„Da bist Du sehr im Irrtum", widerlegte Mama mit Entschiedenheit, „Camillo Frank ist ein sehr solider und sehr fleißiger junger Mann. Sein blasses Aussehen kommt nicht vom Nachtschwärmen, sondern von nächtlichem Arbeiten her."
„Na, ja", fiel Papa ein, „ich habe ja nichts weiter gegen ihn."
„Kannst Du auch nicht, der macht seinen Weg! Seine Entwürfe sollen, wie Fachleute versichern, geradezu genial sein. Außerdem — ein liebevolles Herz ist die Hauptsache."
„Nun, und Bollmann hat das wohl nicht?"
„DaS will ich nicht behaupten", sagte Mama trocken, „aber man kann auch zu viel davon haben."
Papa lachte. „Du scheinst ja gut un- terrichtet."
„Es ist die Pflicht einer Mutter, genaue Erkundigungen einzuziehen."
„Was weißt Du denn von Bollmann?"
„In „privater" Beziehung, meine ich, denn geschäftlich habe ich mich erkundigt, tadellos!"
„Bollmann ist nichts weiter nachzusagen, als daß er ein bischen oft nach Berlin fährt, aber das tun ja andere Leute auch", bemerkte Mama etwas anzüglich.
„Wenn man geschäftlich muß, allerdings."
„Bollmann wird wohl auch müssen", sagte Mama spöttisch.
Erika war in ihrem Zimmer ebenso angelegentlich, als ihre Eltern, mit der wichtigen Entscheidungsfrage beschäftigt. Ihre beste Freundin war zu Besuch gekommen und sofort in die schwebende Herzensangelegenheit eingrweiht worden. Erika befand sich in einem Dilemma.
„Wenn ich die Wahl zwischen zwei Freiern gehabt hätte", sagte die Freundin, welche bereits Braut war, „so Hütte ich natürlich denjenigen gewählt, den ich liebte."
Mama dagegen hat gestern gesagt: „Mein Kind, wähle den, der Dich am meisten liebt." Welcher von den beiden mochte sie wohl am meisten lieben?
„Welchen von beidön liebst Du denn?" fragte Kläre. Damit wollte Erika nicht Herausrücken. „Liebst Du etwa gar einen Dritten?"
Das verneinte Erika entschieden, aber auf eine weitere Beichte ließ sie sich nicht ein.
..Du, Kläre, wie kann man denn Herauskriegen, welcher von zwei Verehrern einen am meisten liebt?"
„Hm, das ist schwierig", meinte Kläre. Nachdem sie sich aber durch Kaffee und durch Pfannkuchen gestärkt hatte, begann sie der Sache näher zu treten. „Wenn Du vor den Augen Deiner beiden Anbeter ins Wasser fielst, so wäre der, welcher Dir zuerst nachspringt, derjenige, welcher . . ."