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Die Ergebnisse der Reichstags- Wahlen sind 'jetzt im Reichsanzeiger auf Grund amtlichen Materials zusammenge- stellt. Danach beziffert sich die Stärke der einzelnen Parteien folgendermaßen: dem Zentrum sind 102 Sitze zugefallen gegen 100, die es am Ende der abgelau­fenen Wablperiods inne hatte. Die sozial­demokratische Partei zählt 81 Mandate gegen bisher 58, die konservative 52 (bis­her 50), die nationalliberale 50 (bisher 53) die freisinnige Volkspartei 21 (bis­her 28), die Reichspartei 20 (bisher eben­falls 20), die Polen zählen 16 (bisher 14) Mandate, die Antisemiten einschließ­lich der deutsch-sozialen Reformpartei 11 (bisher 10), die freisinnige Vereinigung 9 (bisher 14), die deutsche Volkspartei 6 (bisher 7), der Bauernbund 5 (bisher 3), die Welfen 4 (bisher 6), der Bund der Landwirte 2 (bisher 6). Außerdem zählt der neue Reichstag einen Dänen (wie bis­her), einen Nationalsozialen, dessen Par­tei bisher im Reichstag noch nicht vertre­ten war, und 7 (bisher 16) Wilde, die sich keiner bestimmten Partei anschließen.

Rom, 20. Juli. Der Papst ist um 4 Uhr 04 Min. nachmittags gestorben. Dem Ableben des Papstes ging ein kurzer Tvdeskampf voraus. Um 3 Uhr 40 Min. kündigte Lapponi weinend den bevorstehen­den Tod an. Der Großpönitentiar Ban- nutelli kniete am Bette nieder und begann die Sterbegebete. Die Neffen des Papstes, Rampolla und die Würdenträger knieten ebenfalls nieder und weinten unaufhör­lich. Der Papst war völlig bewußtlos, sein Gesicht äußerst bleich; die Atmungs- bewegungen hatten aufgehört. Der Papst starb ruhig. Um 4.04 verkündete Lapponi den eingetretenen Tod.

Rom, 21. Juli. Der ärztliche To- tenschein, in welchem die Todesursache angegeben wurde, ist von Dr. Lapponi allein abgefaßt und wurde dem Bürger­meister von Rom, Fürst Colouna, in einem Brief mitgeteilt, den der päpstliche Majordomus überbrachte. Als Todes­ursache bezeichnet Dr. Lappom mit allge­meiner Schwäche verbundene Lungenent­zündung, zu der mit Bluterguß verbun­dene Brustfellentzündung trat.

Papst Leo XIII. ist einer der äl­testen Päpste geworden und nur wenig haben ihn an Dauer der Regierung über- troffen. Er wurde als Sohn des Grafen Pecei in Carpineto bei Anagni am 2. März 1810 geboren, ist somit 93 Jahre alt geworden und hat ein Vierteljahr­hundert lang die Tiara getragen. Am 20. Februar 1878 wählte ihn das Konklave zum Nachfolger Pius IX. Vor kurzem, im Frühjahr dieses Jahres erst, wurde das 25jährige Jubiläum seiner Wahl und seiner Papstkrönung in feierlichster Weise iu Rom begangen.

Rom, 21. Juli. Vom deutschen Kaiser ist nachstehendes Telegramm an Kardinal Oreglia aus Molde in Norwe­gen eingegangen:Schmerzlich bewegt durch die soeben erhaltene Trauernach- richt, sende ich dem hohen Kardinalkolle­gium den Ausdruck meiner aufrichtigen Anteilnahme an dem schweren Verluste den die römisch-katholische Kirche durch den Heimgang des Papstes Leo XIII. erlitten hat. Ich werde dem erhabenen Greise, der mir ein persönlicher Freund war und dessen so außerordentliche Gaben des Herzens und des Geistes ich noch bei meiner lehren Anwesenheit erst vor we­nigen Wochen erneut bewundern mußte.

ein treues Andenken bewahren. Wilhelm L."

Die offiziöseNordd. Allg Ztg." schreibt zu dem Hinscheiden des Papstes: Ein friedliebender Kirchenfürst, ein warm- herziger Freund der Armen und Unter­drückten, ein feinsinniger.Gelehrter ist mit Leo XIII. dahingeschieden. Sein Name wird weit über das Reich der katholischen Kirche, mit dem Gefühle aufrichtiger Hoch, schätzung genannt werden. Unser Kaiser verehrte in ihm einen persönlichen Freund. Die wiederholten Besuche des Kaisers legten für das gute Verhältnis zwischen beiden ein beredtes Zeugnis ab. Beim Antritt des Pontificates ging Leo XIII. der Ruf voran, daß er bestrebt sein werde, ein Friedenspapst zu sein. Diesen Ruf hat er dem deutschen Reiche gegenüber in richtiger Erkenntnis der wahren Interessen sowohl der Kirche wie der Staatsgewalt gerechtfertigt. Unter seiner tätigen Mit­wirkung gelang es. den Kulturkampf bei­zulegen und einen woclus vivsnäi mit der katholischen Kirche zu finden, der sich bis heute bewährt. Schon vor 18 Jahren übertrug ihm das Vertrauen der deutschen Regierung das Amt eines Schiedsrichters in der Karolinenstreitflage mit Spanien. Wenn heute unter dem regen Anteil der katholischen Bevölkerung am Ausbau des deutschen Reiches weiter gearbeitet werden kann, so ist dies nicht zum wenigsten der staatsmännischen Einsicht Leos zu danken der auch nach Beilegung des Kulturkampfes wiederholt und noch in den letzten Le­bensjahren ein offenes Verständnis für die Staatsbcdürfnisse Deutschlands zeigte. Unter den vielen Päpsten, die in der deutschen Geschichte eine Rolle spielten, wird Leo XIII. eine der sympatischten Erscheinungen bleiben.

Die konservativeKreuzzeitung" sagt: Leo XIII. war vorwiegend Staats­mann gegenüber Pius IX., der wesentlich Theologe war. Man kann nicht leugnen, daß die Regierungszeit Leos XIII. reich an Erfolgen war, doch muß hervorgehoben werden, daß fast alle diese Erfolge in nichtkatholischen Ländern zu verzeichnen sind. Weniger günstig erscheint die Bi­lanz seines Pontifikats in Bezug auf die katholischen Länder. Deutschland kann ein neuer franzosenfreundlicher Papst we­nig erwünscht sein, denn im Vatikan Pflegt die Freundschaft für Deutschland und Frankreich in entgegengesetztem Verhältnis zu stehen.

In Südafrika scheint sich die Unzufriedenheit der Buren, die sich in so loyaler Weise der englischen Herrschaft untergeordnet hatten, infolge der politi­schen Maßnahmen des Generalgouvcrneurs Milner zu steigern. Wie derTägl. Rundsch." gemeldet wird, reist General Botha in einigen Wochen nach dem Haag zu Besprechungen mit Krüger, Leyds und anderen Bnrenführcrn über die Lage in Südafrika. London besucht er nicht.

Lokales.

Wildbad, 21. Juli. (Unlieb ver- spätet.) Letzten Sonntag, den 19. d. Mts., machte der Stuttgarter VereinAkkord" einen Ausflug hieher. Die Sänger nahmen ihren Weg über Hirsau und trafen mit­tags hier ein. Nachdem sie sich nach fangen." ihrer eigenen Aussage im Hotel Schmid bei fröhlicher Tafelrunde güt­lich getan und dort vom hies. Lieder­kranz mit Wort und Lied begrüßt worden, begaben sich die Herren durch

die Anlagen auf den Windhof. Daselbst ließen sie manch schönes Lied erschallen und bekundeten, daß sie ein ebenso schönes als gut geschultes Stimmmaterial haben. Auch der hies. Liederkranz, der sich dem Stuttgarter Verein bis zu seiner Abfahrt gesellschaftlich widmete, gab hin und wieder ein frisch vorgetragenes Lied zum Besten. Dank der vortrefflichen Bewirtung der Herren seitens des Herrn Schmid ließen es sich die Gäste nicht nehmen, nochmals dessen Hotel aufzusuchen, um in ge­hobener Stimmung in Rede und Gesang von ihrem gastlichen Hause sich zu verabschieden. Die ihnen noch zur Ver­fügung stehende Zeit brachten die Sänger imKühlen Brunnen" zu. Dort erreichte der Frohsinn der Ausflügler den höchsten Grad. Begeistert und begeisternd be­kundeten sie, daß es ihnen in unserem schönen Wildbad so recht von Herzen wohl gewesen und daß sie von der alt­berühmten Schwarzwaldperle den besten Eindruck in die schöne Schwabenresidenz mitnehmen. Nicht unerwähnt wollen wir lassen, daß die Herren vomAkkord" über das freundliche Entgegenkommen des Kgl. Badkommissariats, welches ihnen freien Zutritt zu dem Nachmittagskonzert in den Kgl. Anlagen sowie die Besichti­gung der neuerbautrn Halle gestattete, sehr erfreut und dankbar geäußert haben. Den frohen Stuttgarter Sängern aber rufen wieder von Herzen: Auf Wieder­sehen ! zu.

Mntevhatterrdes.

Ein Patrouillenritt.

Novelle von O. Elster.

1) (Nachdruck verboten.)

Leutnant von Trott!"

Herr Rittmeister?"

Soeben ist ein Befehl für Sie einge­gangen. Sie müssen sofort aufsitzen. Hier ist der schriftliche Befehl des Regt- mentsadjutanten."

Der Rittmeister las:Leutnant von Trott geht mit einer starken Patrouille, welche alle nötigen Werkzeuge und Materialien zur Zerstörung eines Eisen­bahntunnels mit sich führt, gegen die Festung Pfalzburg vor, um den südlich dieser Festung gelegenen Tunnel der Eisenbahn bei Lützelburg unfahrbar zu machen. Zugleich hat Leutnant von Trott rekognoszierend gegen dieSaar vorzugehen, um die Fühlung mit dem sich zurückzie­henden Feinde wieder zu gewinnen. Auf rasche Ausführung des Befehls ist größ­ter Wert zu legen."

,Haben Sie verstanden?"

Sehr wohl, Herr Rittmeister."

Nun denn, so wählen sie sich zwan­zig gutberittene Husaren aus und reiten Sie ab Nehmen Sie sich aber in Acht, lieber Trott, die Gegend von Pfalzburg wimmelte von versprengten französischen Truppen. Seit wir die Rothosen bei Wörth und Spichern geklopft haben, ziehen Sie sich ja geradezu mit affenähn­licher Geschwindigkeit zurück."

Ohne Sorge, Herr Rittmeister. Wir Husaren lassen uns so leicht nicht

Na, dann vorwärts!"

Nach wenigen Minuten saß das kleine Detachement im Sattel uud trabte auf der großen Straße luftig dahin, welche i nach der kleinen, aber starken Bergfest-