Berlin, 16. Juli. Im Ueberschwemrn- ungsgebiet der Weichsel stehen wie dem Lokalanzeiger aus Krakau gemeldet wird, viele Tausende Quadrat-Kilometer Land unter Wasser. Etwa 350000 Menschen sind brotlos. Der Gesamtschaden wird auf 120 Millionen Kronen geschätzt.
Berliner Geschäftsleute wollen eine „schwarze Liste" anfstellcn. Wie not- wendig das ist, beweist die Angabe dortiger Blätter, daß es in Berlin etwa 30000 faule Zahler gibt.
Paris, 14. Juli. Die ueue Uniform des französischen Heeres — stahlgraue Hosen und gleichfarbige bauschige Blusen mit breitem Umlegkragen nebst breitkrämpigen Buren-Filzhüten — er regte bei der heutigen Heerschau allgemeine Verwunderung. Die historischen roten Hosen, das elegante Käppi, die roten Kragen und Achselklappen, die blan. ken Messingknöpfe und die weißen Handschuhe sollen auf Befehl des Kriegsmi- nisters Andre verschwinden. Die alte französische Armee macht einer grauuniformierten, milizartigen Truppe Platz- Diese neueste Umwälzung wird in Frankreich noch viel zu räsonieren geben.
Marienbad. Ein schreckliches Unwetter hat dieser Tage Marienbad in Schrecken und Aufregung versetzt. Bei heiterem Himmel zog, so berichtet die N. Fr. Pr., ein fernes Gewitter auf. dann fielen einige spärliche Regentropfen und es schien, als ob das Gewitter an Marieu- bad vorüberziehen wollte; die zahlreichen Ausflügler legten auch dem fernen Donner- grollen keine Bedeutung bei. Gegen 6 Uhr verdüsterte sich plötzlich der Himmel. Ein heftiger Regenguß fiel nieder und dauerte fast eine Stunde. Ueber die Straßen und Wege flössen reißende Bäche, die Straße bei der Marienbader Mühle bis zum Promenadeweg eingangs der neuen Parkanlage war in einen See verwandelt, und die dort angeschwemmten Sand- und Wasscrmasseu behinderten den Verkehr der elektrischen Bahn derart, daß er eingestellt werden mußte. Bei der Königsvilla stürzte das Wasser in Katarakten von dem zum Kasino führenden Spazierweg herab und riß die Erd- Massen der Böschung mit sich, die sich vor der Königsvilla anlagerten, während die Wasserfluten dieKellerräume überschwemmten. Die Böschungen weisen meterbreite und fast ebenso tiefe Unterwaschungen auf. Die Teichanlage beim Leplerhaus bot ein wüstes Bild. Die Wassermassen stürzten über den Wasserfall, sich unheimlich immer erneuernd mit mächtigem Tosen herab, und der Teich trat aus seinen Ufern, die ih» rings umgebenden Rasenflächen und Promenadenwege überschwemmend. Endlich nach einstündigem Wüten des Unwetters schien sich der Himmel aufheitern zu wollen. Jedoch kaum eine halbe Stunde hatte der Gußregen aus gesetzt, dann erneuerte er sich mit voller Macht, nnd das Gewitter tobte heftiger als zuvor. Der Himmel glich einem Feuermeer, der Wald einer sturmgepeitschen See und die Straßen und Wege tosenden Bächen. Mit geringen Unterbrechungen dauerte das Gewitter und der heftige Regenguß die ganze Nacht hindurch. Im Kaffeerestaurant „Rübezahl", das voll besucht war und mehr als tausend Gäste hatte, brachte das Unwetter große Bestürzung hervor. Der Regen und das Gewitter nahmen kein Ende, so daß an ein Zufußgeheu
gar nicht zu denken war. Die vorhandenen Wagen waren rasch vergriffen? Soweit die Zimmer reichten, wurden sie! zur Verfügung für die Nacht gestellt; andere warteten bis 9, 10 und 11 Uhr und mußten dann, da das Wetter nicht aufhörte, endlich sich entschließen, auf Tischen, Bänken und Sesseln ihr Nachtlager aufzuschlagen.
Rom, 14. Juli. Der „Frkf. Ztg." wird mitgeteilt: Der Zustand deS Papstes hat sich verschlimmert. Seine Bewußtlosigkeit ist so groß, daß er von Zeit zu Zeit geschüttelt werden muß, um ihn wach zu halten. Die Füße und Hände sind geschwollen. Die Atemnot schreitet fort. Der Patient verlangt fortwährend Sauerstoff. Die Einspritzungen von Kampher und Digitalis rufen eine kleine Reaktion - hervor, dabei ist der Kranke so schwach, daß er sich weder aufrichten noch umdrehen kann.
— Ein mit den nordamerikanischen Verhältnissen bestens betrauter Deutsch- Amerikaner, Herr Louis Viereck, hat im Auftrag der seit 100 Jahren bestehenden deutschen Gesellschaft der Stadt New- york ein Hilfsbüchlein für Auswanderer geschrieben, in dem unter anderem folgende Ratschläge gegeben werden: Niemand sollte sich durch übertriebene Berichte, nach denen man angeblich in Amerika viel Geld verdienen kann, zur Auswanderung verleiten lassen. Auch gründe man seine Auswan- derungSplane niemals auf das, was andere für einen im Lande tun sollen. Der Onkel, der vor 10 oder 12 Jahren nach Amerika ausgewandert ist, und dem es sehr gut gehen soll, dessen Adresse man aber nicht weiß, da er nie etwas von sich hat hören lassen, existiert gewöhnlich nur in der Einbildung. In der Regel ist er nicht aufzufinden, oder er will von den unwillkommenen Verwandten nichts wissen. Häu- fig stellt es sich heraus, daß der „Hotelbesitzer" Kellner, der „Kaufmann" Hausknecht und der „Eigentümer einer blühenden Farm" Tagelöhner ist. Sowie man sich Arbeit und Unterkunft gesichert hat, heißt es an anderer Stelle, richte man alle Aufmerksamkeit darauf, die englische Sprache zu erlernen, oder, wenn man darin schon Vorkenntnisse hat, diese zu vervollkommnen. In der Regel ist das Fortkommen wesentlich davon abhängig, wie weit man die Landessprache beherrscht. Sehr zu empfehlen sind für diesen Zweck die in Amerika unentgeltlich zur Verfügung stehenden Abendschulen. Niemand bemesse den Wert seiner Existenz, so lesen wir zum Schluß, nach dem, was er einnimmt, sondern immer nur nach dem, was ihm die Verhältnisse von seiner Einnahme zurückzulegen gestatten. Wer nichts erübrigt, oder gar über seine Verhältnisse lebt, der geht siffer dem wirtschaftlichen Untergang entgegen. Nur wer fleißig, tätig, und mit der Haushaltekunst vertraut ist, wird es auf geradem Wege zum Wohlstand bringen, in Amerika und — anderswo. Es gibt in der Welt keine Stätte mehr, wo man ohne Fleiß und Beharrlichkeit und Sparsamkeit zum Glück gelangt Die alte und doch immer neue Lehre ist der allerbeste Leitfaden für alle Auswanderer. Sie müssen sie noch besonders beherzigen, da sie den Boden der Heimat verlassen und lange wie ein Baum erscheinen, den der Sturm entwurzelt hat. Neue Wurzeln treiben ist eine schwere «Lache, für Menschen noch mehr als für ' Bäume. — Die deutsche Gesellschaft, welche
das Buch schrieb, unterhält auch deutsche Hospitäler, Sparvereine, Banker«, Rechtsschutz-Vereine und Arbeitsnachweise drüben- Sie hat in 10 Jahren nicht weniger als 116465 Dollars an etwa 35000 arme deutsche Auswanderer verteilt. —
Lokales.
Wildbad, 19. Juli. Die jährliche Generalversammlung des hief. Turnvereins fand am Samstag Abend in der Rennbachbrauerei statt nnd war von 35 Mitgliedern besucht. Nachdem der Rechenschaftsbericht erstattet war fanden die Neuwahlen statt. Der seitherige Vorstand Hc. Bankdirektor Bätzner erklärte hiebei, daß es ihm seine Berufsgeschäfte nicht mehr erlauben, die Vorstands stelle ferner zu begleiten, er bitte von seiner Wiederwahl als Vorstand abzusehen, u. schlüge als solchen den seitherigen Turnwart Karl Kall faß vor. Da Herr Bätzner von seinem Entschlüsse, eine Widerwahl nicht mehr anzunehmen, nicht abgehen wollte, beschloß hierauf die Ver- sammlung auf Antrag des Hrn. Fritz K uch jr. einstimmig, Bankdirektor Bätzner, der im Jahre 1884 den Turnverein gründete und ihn nun über 10 Jahre als Vorstand leitete, in Anerkennung seiner Verdienste um den Verein und die Tnrn- sache zum Ehrenvorstand des Turnvereins zu ernennen. Bankdirektor Bätzner dankte für diese Ehrung und versprach auch künftig als Ehrenvorstand den Turnverein mit Rat und Tat zu unterstützen und der Tucnsache treu zu bleiben. Bei den hieraus vorgenommenen Wahlen wurden beinahe einstimmig gewählt als Vorstand: Karl Kallfaß, als Kassier Fritz Kuch, fr., als Schriftführer Karl Münz, als Turnwart Ernst Fröhlich, als Turnratsmitglieder Karl Kern, Fritz Schmid, Robert Mayer, Joh. Kühle. Nach dem erstatteten Turnbericht zählt der Verein znr Zeit 25 aktive Turner, 16 Zöglinge, und 95 passive Mitglieder. Möge der Turnverein mit seinen edeln Bestrebungen zu Nutz und Frommen der jungen Leute von Wildbad stets blühen, wachsen und »gedeihen.
Mntevhattenöes.
Auf der „Kolumbia".
Eine Seegeschichte von H. Rosenthal Bonin. (Schluß.) (Nachdruck verboten.)
Ich machte mir über diese Zurückhaltung schon allerlei Gedanken und schaute recht vereinsamt mich fühlend, auf die sich entlaubenden Bäume unten in den Anlagen.
Ein Klopfen an der Tür entriß mich meinem Brüten. Der Kellner erschien. Er brachte mir ein Briefchen. Es zeigte eine gewandte, flüssige, feste Handschrift und war, wie die Unterschrift zeigte, von meiner Schicksalsgenosse. In dem Billet stand:
„Geehrter Herr. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie ei» halbes Stündchen Zeit zu einer kurzen Unterredung für Irnich hätten. Ich werde in einer halben Stunde Sie auf der ersten Bank rechts unter unseren Fenstern im Hydepark treffen. Linda Bartholdi."
Ich kleidete mich an und begab mich sogleich hinunter zu dem bezeichneten Zusammenkunftsort.