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Hilfskräfte eine Anregung zu kräftigerer Entfaltung zu geben. Das Werk soll womöglich noch in diesem Herbst erstellt werden.
Calw, 8. Juli. Heute hat sich hier in Anwesenheit des Geschäftsführers der D. P., Prof. Metzger, ein „nationaler Volksverein" auf dem Boden der Satzungen der deutschen Partei gegründet. Zum Vorstand des Neuen Vereins, dem sofort eine stattliche Anzahl von Mitgliedern beitrat, wurde Prof. Haug hier gewählt.
Oberndorf, 4. Juli. Das Stuttgarter „Deutsche Volksblatt" hatte am Schluß eines polemischen Artikels gegen den „Schwarzwälder Boten" die Bemerkung angefügt: „Der „Schwarzwälder Bote" aber tanzt den katholischen Dummköpfen, die ihn ohne zwingende Not halten und aus ihm -Belehrung schöpfen, mit allem Recht auf der Nase herum!" E n langjähriger katholischer Abonnent des „Schwarzwälder Boten" erhob Hiewegen Beleidigungsklage gegen den verantwortlichen Redakteur des „Deutschen Bolks- blattes" Eckard, der vom Schöffengericht zu 5 Mk. Geldstrafe, Tragung der Kosten und Ersatz der dem Privatkläger erwachsenen Auslagen verurteilt wurde. Dem klägerischen Abonnenten wurde das Recht" der Urteilspublikation im „Deutschen Volksblatt" zugesprochen.
Ulm, 7. Juli. Bebel hat wieder eine Erbschaft im Be rage von 400 000 Mark gemacht. Der Eblaffer ist der vor kurzem in einer Münchener Heilanstalt verstorbene ehemalige bayerische Leutnant Kollmann. Er vermachte Bebel bereits im Jahre l879 die Hälfte seines 800 000 Mark betragenden Vemögens, „weil ihm Bebel einen großen Dienst geleistet habe" Bebel hat d»e Erbschaft noch nicht angetreten und läßt nachErbberechtigtenforschen.
— Ueber die Persönlichkeit des am 22. Mai in München verstorbenen bayrischen Leutnants Kollmann, der dem Reichstagabg. Bebel 400 000 Mk. vermacht hat, wird noch bekannt, daß er, der Sohn eines Augsburger Buchhändlers, im Jnfanterie-Leibregiment diente, den 70er Feldzug mitmachte und 1879 Spuren von geistiger Erkrankung zeigte. Ein gegen ihn eingeleitetes militärisches Strafverfahren endete mit der Unzu- rechnungssähigkeitserklärung Kollmanns. Vor seiner Entlassung setzte er das Testament auf, in dem Bebel die Erbschaft zugesprochen wird. Der drohenden Verbringung in eine Irrenanstalt entzog er sich durch die Flucht nach Ulm, wo er aber am 31. Mai 1881 entmündigt und in die Irrenanstalt Au-München eingewiesen würde. Sein Vermögen stammt aus einem östreichischen Lotteriegewinn. Als nächste Erben sind vorhanden 2 Brüder, eine Schwester und 2 Kinder einer verstorbenen Schwester.
Karlsruhe, 6. Juli. Dem Vernehmen nach schweben zwischen der württembergischen Eisenbahnverwaltung und der badischen Generaldirektion bereits Verhandlungen, die auf die Einführung gemeinschaftlicher Kilometerhefte für Württemberg und Baden abzielen. Dazu dürfte es aber wegen der Schwierigkeit der Abrechnung vorerst noch nicht tomemn; wohl aber ist es möglich, daß Württemberg auch seinerseits Kilometerhefte einführt und daß dann in Baden und
Württemberg die beiderseitigen Hefte zum Verkauf und zur Abstempelung gelangen.
Rom, 8. Juli. Der sterbende Papst unterwarf sich gestern mittag um 1 Uhr einer Operation, durch welche sein Leib- arzt Mazzoni aus der kranken Brust etwa 1 -/r Pfund blutiger Flüssigkeit entfernte. Der ernste aber wenig schmerz, hafte Eingriff bedeutet offenbar die letzte Erleichterung, welche dem Kranken durch ärztliche Kunst verschafft werden konnte. Bei größter körperlicher Schwäche ist Leo XIII geistig noch völlig klar, er verlangte die eingel«ufenen Telegramme, die päpstlichen Zeitungen, die ärztlichen Krankheitsberichte und sogar den Druckabzug einiger von ihm zuletzt gedichteten lateinischen Verse. Nach dem Genuß des hl. Abendmahls und Vornahme der letzten Oelung verabschiedete sich der langsam Dahinsterbende von seinen Verwandten, zahlreichen Kardinälen und päpstlichen Würdenträgern, sowie von den Beamten und Bediensteten seiner täglichen Umgebung. Ueber den Verlauf der Operation wird berichtet: Die Operation begann um 1 Uhr. Prof. Mazzoni machte zu- nächst mit einer Metallspritze eine Cocain- Einspritzung, um die Operationsstclle unempfindlich zu machen. Dann machte der Arzt mit derselben Nadel einen Stich und entzog der Brust zunächst eine kleine Menge Flüssigkeit. Nachdem dieser Versuch geglückt war, nahm Mazzoni die entgültige Flüssigkeitsentziehung vor. Die Operation ging sehr gut von statten. In ganz kurzer Zeit wurden 800 Gramm blutiger Flüssigkeit entfernt. Mazzoni erklärte hiranf dem Papst, daß die Operation beendet sei. Dieser ewiderte: „Wie? Sie sind schon fertig? Worum habe ich nichts gefühlt, während ich früher einmal bei einer anderen Einspritzung Schmerzen gehabt habe?" Mazzoni antwortete, die Schmerzlosigkeit sei auf einen neuen Apparat zurückzuführen, den er dem Papst nach seiner Genesung zeigen, werde. Der Papst erwiderte: „Ja, so wird's sein. Aber sicher kommt Ihrer wunderbar geschickten Hand das größere Verdienst zurück.
— Nach einer Meldung des „B. T." aus Rom stellte der Papst Normen auf, damit die Ersparnisse, die er als Papst machte und die mehrere Millionen betragen, als ständiger unantastbarer Geheimfonds auf seinen Nachfolger übergehen soll^
Lokalles.
Wildbad. Se. Maj. der König hat dem K. Badkommissär Generalmajor a. D. v. Kar aß, die na hgesuchte Erlaubnis zur Annahme und Anlegung des ihm von dem Fürsten von Monaco verliehenen Kommandeurkreuzes des Ordens des h. Karl erteilt.
Unterhaltendes.
Auf der „Kolumbia".
Eine Seegeschichte von H. Rosen thal Bonin.
13) (Nachdruck verboten.)
Ich hatte genug gesehen; leise, wie ich gekommen, ging ich zurück, eilte zum Achterdeck, zur Mannichaftslvgisluke, schloß dort die Tür und brachte schnell die Verbarrikadierung, drei tüchtige Sicherheitsbalken, an. Einige Schritte von der
Treppe befand sich die Kabine des Fräuleins. Ich hielt es für nötig, ihr davon Mitteilung zu machen, wie die Sache stand. Die Dame nahm meine Worte überraschend ruhig aus.
„Wir haben den Revolver," sagte sie, „und er hat keine Schußwaffen. So dumm ist er in seiner wildesten Wut nicht, sich todtschießen zu lassen. Er mag kommen. Sie haben doch den Revolver zur Hand?" frug sie mich.
Ich bejahte und eilte an die Tür, um durch mein Guckloch zu schauen. Das war nicht mehr nötig, denn schon erschollen mächtige Hiebe, Beilhiede an der Tür. Es krachte und splittterte. Ich hatte nicht daran gedacht, das große Zimmermanns' beil, vermittelst welchem ich auf Deck ge" zimmert hatte, zu uns herunter zu nehmen. Unsere Sache stand dadurch bedeutend weniger gut.
„Kapitän," rief ich jetzt dicht an der Tür, als der Mann, wahrscheinlich aus Schwäche, um etwas zu verschnaufen, in seinem rasenden Schlagen eine Pause machte, „lassen Sie das Hauen sein, oder ich schieße."
„Hund, Räuber, Dieb!* keuchte der Kapitän mit einer Stimme, die mich an das Röcheln eines Tigers erinnerte und das Hauen begann wieder.
„Kapitän, nehmen Sie Vernunft an", schrie ich mit dem Aufgebot aller meiner Kräfte. „Ich befinde mich in Notwehr und schieße, so wahr mir Gott helfen möge, wenn Sie nicht sofort die Tür in Ruhe lassen."
„Geben Sie das Mädchen heraus", kreischte der Kapitän. „Ich bin Befehlshaber auf diesem Schiff hier, ich bin es, so lange noch ein Brett davon unter den Füßen ist. Noch herrscht mein Wille. Oeffnen Sie die Thür."
„Das werde ich nicht tun", rief ich zurück. „Ihre Macht erstreckt sich nicht über mich. Auf diesem Schiff und in dieser Lage gibt es keine Seegesetze mehr. Wir würfeln hier um Tod und Leben, Kapitän. Ich bin der Mächtigere, ich habe den Revolver. Hüten Sie sich des- halb wohl, Kapitän. Ein Schlag noch, und ich brenne Ihnen eine Kugel in das Gehirn. Dann sind wir einen Wahnsinnigen los."
Die Voraussetzung des Fräuleins bewahrheitete sich. Der Kapitän hörte auf, die Tür mit der Axt zu bearbeiten. Er biß die Zähne derartig zusammen, daß ich sie knirschen hörte; er ächzte und schluckte. Dann hörte ich ihn zischend hervorstoßen:
„Warten Sie, Mann, das sollen Sie mir büßen, lebend kommen Sie nicht mehr vom Schiffe. Ich werde Ihnen zeigen, was das bedeutet, sich in meine Angelegenheit zu mischen."
Eine Zeit lang blieb Alles still draußen; dann vernahm ich, daß der Kapitän langsam sich nach seiner Kajüte zu von der Luke entfernte. Ich atmete auf, der erste Angriff war abgeschlagen, jedoch damit war nicht viel gewonnen. Der Kapitän würde uns dauernd belagern. Ich durfte, ohne mein Leben zu wagen, mich nicht auf das Deck begeben, und solch' ein Zu- stand war auf die Dauer nicht zu ertragen.
„Gebe Gott, daß bald eine Wendung der Dinge eintritt", seufzte ich und legte