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viele Hunderl Meter im Umkreise nieder. Das gesamte Arsenal ist jetzt von einem Polizeikordon umzingelt. Tausende von Verwandten der Angestellten stehen an den Toren und bitten die Polizisten vev zweifelt um Auskunft über Tode und Verletzte, die zumeist nicht erteilt werden kann.
Belgrad, 24. Juni. Um 10 Uhr vormittagsverkündcte Kanonendonner, daß der neue König, Peter 1., den serbischen Boden betreten habe. Bei der Einfahrt des Hofzuges intonierte die Musik die Nationalhymne. Alle Anwesendtn brachen in lebhafte Hochrufe aus. Nachdem der König Peter den Salonwagen verlassen, wurde er von der Regierung und der Gemeindevertretung begrüßt. Er schritt die Front der Ehrenkompagnie ab und nahm die Vorstellung der Anwesenden entgegen. Beim Ausgang aus dem Bahnhofe wurde der König von einer Abordnung Belgrader Damen begrüßt, während, das Volk abermals in brausende Hochrufe ausbrach. Auf dem Bahnhof hielt noch Ministerpräsident Awakumowitsch eine An-, spräche an den König. Nach der Vorstellung der Behörden fuhr der König zur Kathedrale, wo er 30 Minuten verweilte. Von dort begab er sich zum neueu Konak.
— Vom Balkon des Konaks aus verlas der König eine Rede, in der er ausführte, daß er gemäß den Traditionen der Karageorgiewitsch, gestützt auf die seit 45 Jahren im Auslande gesammelten Erfahrungen trachten werde, dem Volke zu geben, was es benötigt. , Der König schloß mit einem Hoch auf das serbische Volk.
LoAates.
— In der Liste der in den Vereinigten Staaten verstorbenen Württemberger ist u. a. enthalten: Karl Schmid aus Wildbad, 76 I. alt, in Grand Rapids Michigan.
Wildbad, 26. Juni. Bei der gestrigen Reichstagsstichwahl haben hier von 914 Wahlberechtigten 702 abgestimmt. Es erhielten: Schrempf (kons.) 107, Schweickhardt (Volksp.) 594 Stimmen. Bei der Hauptwahl am 16. Juni wurden hier 654 Stimmen abgegeben. Es erhielten: Schrempf 100, Schweickhardt 454, Oster (Soz.) 76 Stimmen. Im Bezirk Neuenbürg haben von 6440 Wahlberechtigten 4902 abgestimmt und erhielten:
Schrempf Schweickhardt
in Calmbach
45
333
Höfen
7
168
„ Neuenbürg
78
352
„ Birkenfeld
85
286
., Enzklösterle
3
57
„ Bernbach
33
31
„ Herrenalb
54
103
„ Dobel
19
124
„ Gräfenhausen
126
122
„ Loffenau
20
143
„ Ottenhausen
47
99
„ Ober- u. Unter-
Niebelsbach
39
40
O.-A. Neuenbürg zus.
1007
3886
„ Calw „
2205
2597
„ Nagold „
2448
2005
„ Herrenberg „
3454
1064
Bei der Hauptwahl erhielten
Schrempf
Schweick
- Oster
Hardt
(Soz.)
O.-A. Neuenbürg
92 l
1885
1946
„ Calw
2106
1536
749
„ Nagold
1950
1800
97
„ Herrenberg
2801
750
184
zus.
7778
5971
2976
Im Jahre 1898 erhielten
Schrempf
Cl-ß
Wasner
(Volksp.)
(Soz.)
O.-A. Neuenbürg
1254
1518
.960
„ Calw
2061
1321
314
„ Nagold
2283
962
26
„ Herrenberg
2420
826
93
Zus-
8018
4627
1393
II.
Lang
(Soz.)
Payer
5876.
eitere Wahlergebnisse: Wahlkreis (Cannstatt rc.) Hieber (D. P.) 16857, Tauscher (Soz.) 13491. ieber gewählt.
III. Wahlkr. (Heilbronv rc.) Wolfs (Bd. d. Landw.) 13972, Mittler (Soz.) 12459. W o l ff gewählt.
IV. Wahlkr (Böblingen rc.) Reichert (Bd. d. Landw.) 9300, Sperka Soz.) 9514. Sperka gewählt.
V. Wahlkr. (Eßlingen rc.)
(Bd. d. Landw.) 11468, Schlegel 12 145. Schlegel gewählt.
VI. Wahlkr. (Reutlingen rc.)
(Vp.) 10 553, Herrmann (Soz.) Payer gewählt.
VIII. Wahlkr. (Freudenstadt rc.) Junghans (D. P.) 5 653. Wagner (Vp.) 9156. Wagner gewählt.
IX. Wahlkr. (Balingen rc.) K. Hauß- mann (Vp.) 13 702, Schellhorn (Ztr.) 7591. Haußmann gewählt.
X. Wahlkr. (Gmünd rc.) Gröber (Ztr.) 6171, Lindemann (Soz.) 11 532. Lindemann gewählt.
XII. Wahlkr. (Crailsheim rc.) Vogt (Bd. d. Landw.) 10 180, Augst (Vp.) 8520. Vogt gewählt.
XIV. Wahlkr. (Ulm rc.) Storz (Vp. 11 735, Dietrich (Soz.) 8058. Storz gewählt.^
Im ganzen sind nun in Württemberg gewählt: Deutsche Partei 1 (bish. 3); Bund d. Landw. 3 (bish. 1); Konserv. — (bish. 1); Centrum 4 (bish. 4); Volksp. 5 (bish. 6); Sozialdem.4 (bish. 2). Also haben gewonnen: Bund d. Landw. 2, Sozialdem. 2 Sitze; verloren: deutsche Partei 2, Volksp. 1, Konserv. 1 Sitz.
Karlsruhe. Geck (Soz.) wieder gewählt mit 15 000 St. Bassermann (nat. lib.) 14 338.
Pforzheim. Eichhorn (Soz.) mit 2000 Stimmen Mehrheit gewählt.
9114
9552
In allen 4 Bezirken zus.
Schweickhardt ist somit mit 438 Stimmen Mehrheit gewählt.
HlnterhcEenöes.
Auf der „Kolumbia".
von H. Rosenthal Bonin.
7) (Nachdruck verboten.)
Ich begab mich zur Ruhe, die Katze sprang auf die Bettdecke und kugelte sich dort schnurrend zusammen — ich ließ sie gewähren und schlief erschöpft von den aufregenden Ereignissen des Tages und den vielerlei Arbeiten bald ein. Um Mitternacht erwachte ich durch die Unruhe der Katze, die auf die Mäusejagd . gehen wollte. Ich ließ sie aus der Kopie «und begab mich auf Deck, um nach den .Kranken zu sehen. Ich fand beide un- Iverändet, — den Kapitän mit geschloffe- I nen Augen, keuchend atmend, und das
Mädchen unverwandt in das Licht einer Laterne, die ich angezündet auf dem Waschtischchen befestigt hatte, starrend. Wie ich in den Lichtkreis trat, kam es mir vor, als ob ihre Blicke wieder so unheimlich, drohend sich auf mich hefteten. Mir war wenig behaglich zu Mute. Es lief mir kalt über den Rücken. Ich erneuerte den Umschlag der Kranken, gab ihr Arznei, Wein und Milch gleich in einer Portion und verließ schleunigst das Schlafzimmer.
Als ich heraustrat, stand plötzlich der Kapitän mir gegenüber, riesengroß, mächtig aufgerichtet, mit wahnsinn-glühenden Augen. Ich prallte zurück, mir zitterten die Kniee, ich konnte vor Schreck nicht atmen und mußte mich halten, um nicht zusammenzusinken.
„Hund, Schuft!" röchelte er, dann griff er mit seiner abgezehrten Hand nach meinem Halse. Ich streckte meine Arme abwehrend aus, er schlug sie zurück, packte mich um den Leib, daß ich glaubte, er drücke mir alle Rippen ein, und trug mich mit übermenschlicher Gewalt die Treppe zum Deck hinauf. Ich war vor Schreck wie gelähmt und konnte kein Glied rühren. Auf der obersten Stufe stürzte er, und es gelang mir, aus der teuflischen Umklammerung mich zu befreien. Ich stieß ihn die Treppe völlig hinunter und versuchte die Kajütentüre zu schließen. Das war nicht möglich, der Rahmen war verschoben, indessen hatte sich der Rasende erhoben und ergriff mit eiserner Faust meinen Arm.
„Mörder, Mörder?" kreischte er, sein Gesicht ganz nahe an das meinige bringend. In dem starken Sternenlicht des klaren Himmels konnte ich jeden Zug in seinem Gesicht sehen. Es hatte den Aus- druck eines wütenden Tigers, und die Augen leuchteten auch so Phosphorartig, wie es des Nachts bei diesen Bestien zu geschehen pflegt. Mit einem heftigen Ruck riß ich mich los und flüchtete meinem Logis zu, der Kapitän mir nach. Plötzlich blieb er stehen, ich sah ihn bei dem matten Lichte beide Hände hoch erheben, dann brach er zusammen und blieb, lang ausgestreckt, regungslos an der Regeling liegen.
Ich war so erschöpft und außer Atem, daß ich mich einige Augenblicke niedersetzen mußte. Der Kapitän rührte sich aber nicht mehr. Ich eilte in den Schlafraum der Kranken, holte die Laterne und leuchtete dem Liegenden in das Gesicht. Er sah überraschend ruhig und friedlich aus. Die Augen waren geschloffen, ein Atem war nicht zu spüren, seine Stirne fühlte sich kalt an und sein Arm, den ich bei der Hand erhoben halte, fiel, als ich ihn losließ, schwer nieder.
Ich brachte die Laterne wieder an ihren Ort, erneuerte den Umschlag der kranken Frau, nahm dann eine Decke vom Schlafsopha des Kapitäns, stieg wieder auf,das Deck und warf das Tuch über den Körper des Leblosen. Alles dies ereignete sich so schnell, daß ich gar nicht zur Besinnung darüber kam, was ich tat. Jetzt jedoch, nachdem meine fieberhafte Aufregung sich etwas gelegt und ich über das Geschehene nachdenkend auf einem Balken saß, die schweigende Nacht um mich, und das unheimliche Wellengegurgel meinem Gehör sich einprägte, ich an die Kranke in der Kajüte, an den liegenden Mann da vor mir und an meine Lage unter diesen Verhältnissen dachte, ward